Zu hoch gehängt

Der Machtkampf um Chinas neue Entwicklungsbank ist unsinnig
Der Machtkampf um Chinas neue Entwicklungsbank ist unsinnig

In Asien sind Investitionen in Straßen und Energieversorgung dringend nötig. Die geplante asiatische Entwicklungsbank unter der Führung Chinas ist deshalb eine gute Idee. Die Kritik der USA an den Plänen geht dagegen nach hinten los.

Entwicklungsbanken machen selten Schlagzeilen. Umso bemerkenswerter ist, dass eine solche Bank für Asien im März einen Disput zwischen den USA und ihren Verbündeten ausgelöst hat – und das, bevor sie gegründet ist. Die USA wollten, dass Japan und europäische Staaten sich nicht an der Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) beteiligten, denn ihr Initiator und künftiger größter Anteilseigner ist die Volkrepublik China. Dennoch erklärten sich zuerst Großbritannien, dann Deutschland, die Schweiz und weitere europäische Staaten interessiert, mitzuwirken.

Die Einwände der USA sind wenig stichhaltig. Die neue Bank soll wie die Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) staatliche Kapitaleinlagen erhalten und günstige Entwicklungskredite vergeben, anders als diese aber nur für den Ausbau der Infrastruktur in Asien. Für bessere Straßen oder die Strom- und Wasserversorgung sind dort riesige Summen nötig. Die Weltbank investiert erst in jüngster Zeit wieder stärker in Infrastruktur und kann auch zusammen mit der ADB den Bedarf kaum decken. Außerdem empfinden viele Entwicklungsländer die Verfahren der Weltbank als sehr bürokratisch. Warum also soll China nicht einen Teil seiner gigantischen Devisenreserven in Asiens Infrastruktur investieren statt in US-amerikanische Staatsanleihen?

Die Frage der Umwelt- und Sozialstandards ist noch offen

Weil, erklärt die US-Regierung, das die sogenannten Safeguards untergräbt. Das sind Regeln, mit denen die Weltbank sicherstellen will, dass von ihr finanzierte Projekte umwelt- und sozialverträglich sind – zum Beispiel bei Umsiedlungen die Betroffenen angehört und angemessen entschädigt werden. Die AIIB wird hinter diese Standards zurückgehen, warnt Washington. Doch erstens hält sich die Weltbank selbst häufig nicht an die Safeguards, wie ihre eigene Prüfabteilung jüngst festgestellt hat. Und zweitens werden die Statuten der AIIB erst ausgearbeitet. Nur wer teilnimmt, kann das Ergebnis beeinflussen, erklärt etwa die Bundesregierung.

Kann sie wirklich? China ist dafür bekannt, dass es Hilfszahlungen und Kredite nicht an Bedingungen bezüglich Einhaltung der Menschenrechte knüpft. Nur: Seine im Ausland tätigen staatlichen Banken stoßen inzwischen auf Vorbehalte; Chinas Einfluss ist vielen in Asien suspekt. Die Gründung der AIIB scheint deshalb auch ein Versuch zu sein, mit Hilfe eines multilateralen Ansatzes Ansehen zu gewinnen. Um möglichst viele Länder, auch von außerhalb der Region, an Bord der AIIB zu holen, hat Peking schon ein Zugeständnis gemacht: Es verlangt kein Veto als größter Kapitalgeber.

Länder wie Deutschland, die am Gründungsprozess mitwirken, schauen natürlich auch aufs Geschäft: Entwicklungsbanken können Firmen aus ihren Mitgliedsländern Risiken abnehmen, die mit großen Infrastruktur-Vorhaben einhergehen. Doch Berlin, Bern oder London können auch die Geschäftsregeln der neuen Bank beeinflussen. Nichtstaatliche Gruppen (NGOs) sollten beobachten, wie ernst sie das nehmen. In Ländern, die Mitglied der AIIB werden, können NGOs ihr stärker auf die Finger sehen als anderswo – das wäre ein Gewinn.

Die USA blockieren Reformen der internationalen Finanzinstitutionen

Die nervöse Reaktion der USA hat andere Gründe als die Safeguards. China fordert, nachdem es mit Brasilien, Russland, Indien und Südafrika zusammen eine Entwicklungsbank auf den Weg gebracht hat, mit der AIIB erneut Institutionen wie die Weltbank heraus. Das haben die USA sich großenteils selbst zuzuschreiben. Denn sie verhindern Reformen, die diese Institutionen an die neuen Gewichte in der Weltwirtschaft anpassen sollen. Nach wie vor bestimmen die USA den Präsidenten der Weltbank und Japan den der ADB – gerade die Rolle Japans in Asien greift Peking an. Nicht zufällig ist Japan das einzige wichtige asiatische Land, das der AIIB fernbleibt.

Mehr noch: Die USA betrachten die AIIB im Lichte ihrer Eindämmungspolitik gegenüber China. Washington kooperiert mit China etwa in der Klimapolitik, will aber zugleich Pekings Einfluss möglichst einschränken. Dazu gehört, wie Präsident Obama im Januar betont hat, dass Peking nicht die Regeln für Asiens Wirtschaft schreiben soll. Auch deshalb verhandeln die USA seit Jahren über eine Freihandelszone für 12 Länder Asiens und des Pazifik – ohne China. Peking beteiligt sich dagegen seit 2013 am Versuch, eine Wirtschaftspartnerschaft von 16 asiatischen und pazifischen Ländern zu schaffen – ohne die USA. Die US-Regierung hat ohne Not die AIIB zum Teil dieser Machtkonkurrenz erklärt. Damit fand sie selbst bei engsten Verbündeten außer bei Japan kein Gehör. Besser hätte Washington die neuen Grenzen seines Einflusses gar nicht demonstrieren können.

Bernd Ludermann

 

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Beide Kontrahenten vertreten ihre Interessen. Dabei weiß man in Washington sowie in Peking schon lang, wohin die Reise geht. Innerhalb von drei Jahrzehnten ist das gewesene Entwicklungsland China drauf und dran, die USA im Bereich Einfluss und Wirtschaftskraft abzuhängen. Dass China mit wachsender Besorgnis auf den Wertgehalt der Dollarreserven blickt, ist bei Würdigung der gegenwärtigen Wirtschaftstheorien nur verständlich. Mit diesem Schatz in aufstrebende Länder zu investieren, ist nur folgerichtig und kennzeichnet die kluge Strategie der Chinesen. Dort sind die Märkte von morgen. Was die USA um 1950 mit dem Marshall-Plan in Europa schafften, vollziehen die Chinesen heute im Rest der Welt. Es wird keine zehn Jahre mehr dauern, bis China die stärkste Wirtschaftsmacht sein wird. Der fallende Riese USA kann das nicht mehr verhindern. Kluge Beobachter wie Emmanuel Todd (Weltmacht USA-Ein Nachruf) haben die Entwicklung schon vor über zehn Jahren vorhergesehen und vor den unüberlegten Reaktionen einer verletzten Nation gewarnt, der die Felle davon schwimmen. Deutsche Politiker täten gut daran, sich besser an den Realitäten zu orientieren.

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