Die Menschheit wächst – und das ist ein Problem. 11,2 Milliarden Kinder, Frauen und Männer sollen laut den jüngsten Vorhersagen der Vereinten Nationen (UN) bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf der Erde leben, vier Milliarden mehr als 2015. Und besonders viele von ihnen in den ärmsten Ländern Afrikas. Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hat vor kurzem in einem Bericht zum Stand der UN-Entwicklungsziele gewarnt: Das rasche Bevölkerungswachstum in Subsahara-Afrika könnte die Fortschritte der vergangenen 20 Jahre im Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheiten zunichtemachen.
Wissenschaftler sehen die Zunahme der Bevölkerung zudem als „einen der großen Antriebe für den Klimawandel“. Familienplanung, schrieben jüngst zwei Forscher des US-amerikanischen Nationalen Atmosphärenforschungszentrums im Wissenschaftsmagazin „Science“, sei eine der „kosteneffektivsten“ Möglichkeiten des Klimaschutzes und der Anpassungen an den Klimawandel.
Doch dabei muss klar sein: Der einzig vertretbare Versuch, das Bevölkerungswachstum zu bremsen, muss vom Recht der Frauen auf Familienplanung und Bildung ausgehen. Diese Rechte müssen entschiedener durchgesetzt werden. Seit gut 50 Jahren steht jeder Frau das Recht zu, frei und eigenverantwortlich über die Zahl ihrer Kinder und den Zeitpunkt ihrer Geburt zu entscheiden – und damit über ihr Leben und ihre Zukunft. Und viele Frauen möchten weniger Töchter oder Söhne auf die Welt bringen: Laut dem Bevölkerungsfonds der UN werden jedes Jahr in Entwicklungsländern rund 89 Millionen Frauen und Mädchen ungewollt schwanger. In Afrika südlich der Sahara könne jede Zweite nicht verhüten, obwohl sie das wolle, so die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung.
Besser gebildete Frauen haben kleinere Familien
Was getan werden muss, ist klar – auch das schon seit Jahrzehnten: Mädchen und Frauen brauchen sichere Verhütungsmittel, aber auch Aufklärung, Beratung und allgemein bessere Bildungschancen. Je höher der Bildungsstand der Mütter, desto kleiner die Familien. Länder wie Bangladesch, aber auch Malawi und Ruanda zeigen, dass dies den wirtschaftlichen Aufschwung fördert. Trotzdem führen Organisationen, die sich für Familienplanung stark machen, noch immer einen Kampf gegen religiöse und traditionelle Vorbehalte gegen Verhütung. Mühsam erringen sie kleine Erfolge.
Vor gut anderthalb Jahren mussten sie einen herben Rückschlag einstecken: US-Präsident Donald Trump setzte die sogenannte Global Gag Rule wieder in Kraft. Danach erhalten alle Organisationen, die Abtreibungen anbieten oder auch nur darüber informieren, keine US-amerikanischen Entwicklungsgelder mehr. Damit stehen jährlich 8,8 Milliarden US-Dollar weniger für globale Gesundheitsdienste zur Verfügung. Die Zuschüsse an UNFPA wurden 2017 komplett eingestellt.
Harter Kampf gegen Borniertheit
Ein Hoffnungszeichen setzt die Bewegung „SheDecides“, die von der damaligen niederländischen Entwicklungsministerin Lilianne Ploumen als Reaktion auf die Trump-Entscheidung gegründet worden ist. Sie will zusätzlich öffentliche und private Mittel für sexuelle und reproduktive Gesundheit bereitstellen und das Anliegen mehr in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern verankern. Ihre finanzielle Basis, derzeit nach eigenen Angaben 450 Millionen US-Dollar, kann die Finanzierungslücke kaum schließen. Doch es ist ihr gelungen, zwei afrikanische Gesundheitsminister zu gewinnen. Aaron Motsoaledi aus Südafrika und sein namibischer Amtskollege Bernard Haufiku wollen erreichen, dass sich die 16 Länder der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) auf die Ziele von „SheDecides“ verpflichten.
Das klingt gut. Doch ganz so einfach dürfte es nicht werden. Auch Motsoaledi und Haufiku werden noch gegen eine geballte Ladung Borniertheit kämpfen müssen. Der Präsident des SADC-Mitglieds Tansania, John Magufuli, hat Mitte September die Tansanierinnen aufgerufen, keine Verhütungsmittel mehr zu nehmen. Wer Familienplanung betreibe, sei ein Faulpelz. Die fürchte nur, sie könne ihre Kinder nicht ernähren, tönte Magufuli bei einer öffentlichen Veranstaltung. Letzteres könnte sogar stimmen. Zwar ist die Armutsquote in Tansania laut Weltbank gesunken, die absolute Zahl der Armen aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums jedoch nicht. Magufuli müsste seine Botschaft also genau umkehren – zum Nutzen der Frauen und der Entwicklung in seinem Land.
Eingangstext
Werte Frau Kauffmann, es muss heißen: "AUCH die Mittel dazu". Mich wundert, dass niemand mit Scharfblick Ihre Texte vor der Veröffenlichung ließt.
Ihre Anmerkung
Werter Herr Lohmann,
vielen Dank für Ihre Anmerkung! Aber es ist tatsächlich so gemeint, wie es (etwas verkürzt) da steht: Frauen haben ein Recht auf Familienplanung und ein Recht auf die Mittel dazu. Sehr oft haben sie die Mittel nämlich nicht.
Viele Grüße, Gesine Kauffmann
Armut, Frauen und Kinder, Gesundheit, Familienplanung
Da ihr Artikel in Welt-Sichten erschien, ist er viel zu kurz. Sicherlich ist richtig, dass die Weltbevölkerung exponentiell wächst, egal ob mit 0,2 oder 3 Prozent führt das zur Katastrophe - früher oder später. Zum Beispiel könnte die Bill-Gates Stiftung Afrika umsonst mit Anti-Baby Pillen versorgen. Geld ist da bestimmt genug vorhanden. Vielleicht wäre das teilweise sinnvoll? Ob das europäisch-amerikanische System die Welt retten wird, ist jedoch sehr zweifelhaft. Die größten Zerstörer der Weltlebensgrundlagen sind nun mal die sogenannten reichen Länder. Afrika könnte sich davon überzeugen. Sie sollten für ein Jahrzehnt nach amerikanisch-europäischem Vorbild ein Rohstoff-Embargo verhängen. Wieviel Jahre würde es dauern, bis die Welt begreift, das trotz aller Technik und Waffen, so die Welt sich nicht mehr lange verwalten lässt.
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