Rund 170.000 Arbeiter und Arbeiterinnen sind weltweit auf Plantagen beschäftigt, die von Fairtrade zertifiziert sind. Sie produzieren Bananen in Mittelamerika, Blumen in Kenia, Tee in Indien. Der Großteil der Produkte wird auf dem Weltmarkt verkauft. Durch den Aufpreis, den Fairtrade an die Produzenten zahlt, flossen bislang mehrere Millionen Euro in soziale Projekte und in den Umweltschutz sowie in die Bildung der Plantagenarbeiter und ihrer Familien. Die Mitarbeiter entscheiden gemeinsam mit der Geschäftsführung, wofür die sogenannte Fairtrade-Prämie ausgegeben wird. Zudem verpflichten sich die Plantagenbetreiber, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO einzuhalten. Danach sind unter anderem Zwangsarbeit und ausbeuterische Kinderarbeit verboten.
Autor
Sebastian Drescher
ist freier Journalist in Frankfurt und betreut als freier Mitarbeiter den Webauftritt von "welt-sichten".Doch die Zertifizierung schützt nicht immer vor Ausbeutung. Das belegen Berichte über die schlechten Arbeitsbedingungen etwa für Wander- und Saisonarbeiter. Ein weiteres Problem sind die oft sehr geringen Löhne: Viele Arbeiter verdienen gerade genug, um ihre Familien zu ernähren. Manchmal reicht es noch nicht einmal dafür. Laut der britischen Tageszeitung „Guardian“ sehen sich Arbeiter auf Teeplantagen im indischen Bundestaat Assam immer wieder dazu gezwungen, ihre Töchter als Sklavinnen in reiche Haushalte zu verkaufen, weil sie mit ihrem kargen Lohn nicht für ihren Unterhalt aufkommen können. In Indien verdienen Tee-Arbeiter gut einen Euro pro Tag – egal ob sie auf einer zertifizierten oder einer konventionellen Plantage arbeiten.
Fairtrade kennt die Probleme. Damit auch Plantagenarbeiter mehr vom fairen Handel profitieren, will die Organisation ihre Rechte stärken. Es gehe vor allem darum, die Position der Arbeiter gegenüber den Plantagenbetreibern zu stärken, sagt Wilbert Flinterman, der bei Fairtrade International für Arbeitnehmer und Gewerkschaften verantwortlich ist: „Wir wollen die Arbeitgeber stärker in die Pflicht nehmen“. Diese müssten sicherstellen, dass Arbeiter sich frei organisieren und kollektive Lohnverhandlungen führen können.
Mindestlohn unterhalb der Armutsgrenze
Die Forderungen schlagen sich nun in den überarbeiteten Plantagen-Standards (Standards for Hired Labour) nieder, die Fairtrade Anfang des Jahres verabschiedet hat. Sie schreiben den Arbeitgebern unter anderem verbindlich vor, die gewerkschaftliche und betriebliche Organisation der Arbeiter zu erlauben und zu fördern. Um die Forderung nach höheren Löhnen zu erfüllen, kann künftig bis zu einem Fünftel der Prämie als Bonus ausgezahlt werden. Die Prämie liegt bei gut 35 Eurocent pro Kilo Tee. Das allein wird jedoch nicht ausreichen.
Das Prämienmodel habe sich zwar bewährt, die Lohnfrage aber wurde in der Vergangenheit vernachlässigt, sagt Flinterman. Bisher verpflichtete der Standard die Plantagenbesitzer nur dazu, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. Der liegt etwa in Assam knapp unterhalb der internationalen Armutsgrenze von umgerechnet zwei Dollar pro Tag und weit unterhalb dessen, was für ein menschenwürdiges Leben nötig wäre. Laut einer Studie von Oxfam und der Ethical Tea Partnership kommen Plantagenarbeiter in Assam zwar auf zwei Dollar, aber nur wenn man Sachbezüge wie Unterkunft oder die kostenlosen Kantinenessen einbezieht. Von einem existenzsichernden Lohn, der je nach Berechnung um bis zu 50 Prozent höher liegt, seien sie jedoch weit entfernt. Mit dem neuen Standard sollen die Plantagenbetreiber deshalb angehalten werden, die Löhne regelmäßig zu erhöhen, möglichst bis auf ein existenzsicherndes Niveau.
Gerade in Asien seien Lohnerhöhungen aber nicht einfach durchzusetzen, räumt Flinterman ein. Die Politik habe einen großen Einfluss, in Indien etwa legten die Regierungen der Bundestaaten die Mindestlöhne fest und seien zudem an Tarifverhandlungen beteiligt. Deshalb sei es wichtig, dass betriebliche Organisationen und Gewerkschaften gestärkt werden.
Der Fairtrade-Marktanteil bei Tee ist gering
Schließlich geht es darum, wo das Geld für höhere Löhne herkommen soll. Dazu kann Fairtrade nur wenig beitragen: Anders als bei Bananen oder Blumen ist der Marktanteil bei Tee gering, von den gut vier Millionen Tonnen Tee, die jährlich weltweit produziert werden, entfallen gerade mal 200 Tonnen auf den fairen Handel. Viele der zertifizierten Plantagen setzen nur einen geringen Anteil der Produktion unter dem Fairtrade-Siegel ab. Auch Preissteigerungen sind nur begrenzt möglich: Bei Fairtrade gilt die Faustregel, dass Produkte nicht mehr als 20 Prozent über dem normalen Marktpreis liegen dürfen – sonst greifen die Konsumenten zur konventionellen Alternative.
Ein Ende der Armutslöhne für Teepflücker ist also nur möglich, wenn der Marktpreis insgesamt steigt. „Aber das kann Fairtrade nicht alleine schaffen“, sagt Flinterman. Dafür müssen alle Beteiligten an der Wertschöpfungskette, von den Plantagenbetreibern über die Händler bis hin zu den großen Teemarken, ihren Beitrag leisten.
fairtrade
das ist eine sauerrei
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