Der Klimawandel ist nicht mehr zu verhindern, denn in den Ländern mit hohen Treibhausgasemissionen ist es seit Beginn der 1990er Jahre bis heute nicht gelungen, den Ausstoß von Treibhausgasen entscheidend zu verringern. Der Mensch muss sich nun an die Folgen anpassen. Da es weiterhin an Bereitschaft fehlt, die Emissionen drastisch zu senken, rückt eine dritte Option ins Zentrum der Diskussion: das so genannte Climate Engineering, auch Geoengineering genannt. Dabei geht es darum, der globalen Erwärmung mit ingenieurtechnischen Veränderungen entgegenzuwirken. Das soll zum einen dadurch passieren, dass technische Konstruktionen die Sonneneinstrahlung auf die Erde bremsen, im Jargon: verschatten. Zum anderen soll ausgestoßenes Kohlendioxid (CO2) nachträglich wieder aus der Luft entfernt werden.
Die erste Möglichkeit, also die Sonneneinstrahlung zu bremsen, wurde vor dem Jahr 2000 noch von Akteuren vorgeschlagen, die die Emissionen gar nicht wirklich reduzieren wollten. Manchen ging es darum, utopische Projekte wie Spiegel im Weltall zu skizzieren, die lautstärksten wollten die Wirkung von Vulkanausbrüchen künstlich erzeugen. Der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen stieß 1991 mehrere Wochen lang bis zu 5000 Tonnen Schwefeldioxid pro Tag aus, die in der Luft zu Schwefelaerosolen wurden, die das Sonnenlicht abblockten. Als Folge sank damals auf der nördlichen Erdhalbkugel die durchschnittliche Temperatur um ein halbes Grad Celsius. Genau das, was man braucht, um den Klimawandel zu bremsen, sagten sich die Verfechter dieser Methode. Wenn man solche Aerosole durch hochfliegende Flugzeuge oder auch mit Ballons in die Stratosphäre brächte, so die Idee, wäre das viel billiger als die Umstellung des globalen Energiesystems.
Furcht um Lebensgrundlagen
Der Weltklimarat hat derartige Vorschläge bis 2014 in seinen Berichten im Großen und Ganzen abgewehrt und auf „offene wissenschaftliche und technische Fragen“ sowie „zahlreiche ethische, rechtliche und Gerechtigkeitsprobleme“ verwiesen. Auch gab es einen starken Widerstand von indigenen Gruppen, wie den Sámi in Schweden, gegenüber dieser Technik, weil sie eine Beeinträchtigung ihrer Lebensgrundlagen fürchten. Auch relativ harmlose Experimente, bei denen kein Schwefel und nur sehr geringe Mengen an Chemikalien in die Atmosphäre eingebracht werden sollten, wurden durch Proteste verhindert, so wie 2018 in Tucson (Arizona), 2012 in New Mexico und 2021 in Schweden. Diese Proteste richteten allerdings vor allem gegen die Gefahr, dass wegen der vermeintlichen Möglichkeit, die Erderhitzung auf diesem Weg aufzuhalten, die Bemühungen zurückgehen könnten, die Treibhausgasemissionen ausreichend zu senken.
Diese Gefahr ist tatsächlich groß. Doch darüber hinaus gibt es eine Reihe fachlicher Einwände gegen diese Technik. Computersimulationen zeigen zwar, dass sich die Temperatur mit Aerosolen tatsächlich senken ließe. Allerdings würden sich dann die Wasserkreisläufe in vielen Regionen der Erde und damit auch das Wetter stark verändern. Zum Beispiel brachte der Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen 1991 Kälte für den Nahen Osten und verschob den Jetstream, einen schnellen Westwindstrom, der das Wetter und die Niederschläge global sehr stark beeinflusst. Die Auswirkungen dieser Technik wären sehr ungleich verteilt, so könnte die Maisernte in China besser werden, die Erdnussernte in Indien dagegen schlechter.
Politisch stellt sich die Frage: Wer hat überhaupt das Recht, an globalen Thermostaten zu drehen? Wenn die Staatengemeinschaft nicht einmal in der Lage ist, die Emissionen von Treibhausgasen unter den gegebenen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen zu mindern, wie sollte sie über den Einsatz von Techniken wie die Injektion von Aerosolen in die Stratosphäre vernünftig und gerecht entscheiden?
Größte Probleme würden zudem entstehen, wenn die aufwendigen technischen Maßnahmen nicht dauerhaft weitergeführt werden könnten, sondern aus wirtschaftlichen, politischen oder militärischen Gründen plötzlich abgebrochen werden müssten. Dann würden die Temperaturen durch das Kohlendioxid, das inzwischen ungebremst ausgestoßen worden wäre, noch viel schneller in die Höhe schießen, als es ohne diese dämpfenden Maßnahmen passiert wäre. Diesen Schock könnte kaum ein komplexes Ökosystem überstehen.
Ozeane und Pflanzen als Kohlendioxidsenken
Anders ist der Ansatz bei naturbasierten Varianten des Climate Engineering. Schon jetzt nehmen Kohlendioxidsenken wie die Ozeane und die Biosphäre – etwa Wälder, Wiesen und Moore – rund die Hälfte der Treibhausgasemissionen auf. Wenn es zu viel wird, versauern die Ozeane dadurch. Pflanzen und andere Organismen binden Kohlenstoff, so lange sie leben, und danach im Boden, in Sedimenten am Grund von Gewässern oder wenn Holz etwa in Gebäuden verbaut wird. Sobald pflanzliche Biomasse allerdings verrottet, verbrennt oder gefressen wird, wird der Kohlenstoff darin wieder freigesetzt.
Es gibt auch die Möglichkeit, mit „künstlichen Bäumen“ das CO2 aus der Luft herauszulösen. Es wird dabei mit Chemikalien gebunden statt in Pflanzen. Geworben wird für diese Option häufig mit Bildern von Versuchsanlagen auf Island. Warum auf Island? Weil dort eine große Menge an günstiger erneuerbarer Energie vorliegt. Die künstlichen Bäume verschlingen nämlich viel Energie, was schon eins ihrer Hauptprobleme ist. Die Methode ist in großem Maßstab noch nicht einsetzbar und wäre überaus teuer.
Mit mehr Pflanzenbewuchs kann tatsächlich mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre gebunden werden. Der Weltklimarat hat 2018 eine Kombination aus Anbau von Pflanzen mit Abscheidung und Speicherung von CO2 vorgeschlagen: Es könnten schnell wachsende Pflanzen wie Chinaschilf, Pappeln oder Weiden angebaut werden. Sie könnte man ernten und zwecks Energiegewinnung verbrennen. Um dabei nicht gleich wieder das Kohlendioxid freizusetzen, müsste es bei der Verbrennung abgeschieden und gespeichert werden.
Kohlenstoffabscheidung hat noch nie richtig funktioniert
Die Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (CCS) ist ursprünglich erdacht worden, um Kohlekraftwerke emissionsfrei zu machen. Sie hat nie richtig funktioniert und birgt die Gefahr, dass das gespeicherte CO2 im Laufe der Jahrzehnte bis Jahrtausende doch wieder entweicht. Auch das Versprechen, das aufgefangene CO2 für andere Produkte zu verwenden, wurde bisher kaum erfüllt – außer dass es genutzt wird, um mit Fracking Schieferöl aus der Erde herauszupressen. Viele CCS-Projekte wurden wieder aufgegeben; in Deutschland wurde aufgrund von vielen Protesten, etwa in Brandenburg, beschlossen, auf diese Technik zu verzichten.
Nun ist eine abgewandelte Form – Verbrennung von Biomasse statt Kohle – wieder Bestandteil vieler Climate-Engineering-Techniken. Laut dem Weltklimarat würde im ungünstigsten Fall, also wenn die Emissionen hoch blieben und ausgeglichen werden müssten, eine Fläche von mehr als der Hälfte der derzeitigen Wälder weltweit zum Anbau der Energiepflanzen benötigt. Wieviel, hinge davon ab, welche Maßnahmen getroffen würden, um Emissionen zu senken, beispielsweise Energiesparen oder der Einsatz von mehr Kernkraft.
Der Anbau von brennbarer Biomasse erfordert aber eine Menge Bewässerung, Düngung und Transporte. Für Europa ist im Klimapaket „Fit for 55“ im Rahmen der Strategie des „European Green Deal“ vorgesehen, nach 2050 jährlich doppelt so viel Biomasse wie die derzeitige gesamte Holzernte zu pflanzen und daraus Energie zu erzeugen. Würde dies tatsächlich gemacht, würden andere ökologische Probleme, die unter anderem im Konzept der „Planetaren Belastungsgrenzen“ – Stichwort Wasserverbrauch, Düngerproduktion und Artenvielfalt – diskutiert werden, erheblich verschlimmert.
Weitere naturnahe Techniken zum Einfangen von Kohlendioxid sind Aufforstung, trocken gelegte Moore wieder zu vernässen oder Böden und küstennahe Gebiete so zu bearbeiten, dass sie mehr CO2 aufnehmen. Sie sind realistischer. Aber auch hier gilt es, nach nicht erwünschten Auswirkungen zu forschen – etwa bei Aufforstungen, denn aufgeforstete Wälder werfen weniger Sonneneinstrahlung zurück als Brachflächen. Außerdem brauchen nicht natürlich gewachsene Wälder meist mehr Wasser, greifen also in den Wasserkreislauf ein, und sie benötigen ebenfalls Dünger, was sich letztlich auch negativ auf andere natürliche Zusammenhänge auswirkt und viel Energie verschlingt.
Enteignung zugunsten grüner Politik?
Autorin
Annette Schlemm
ist promovierte Physikerin und Philosophin und aktiv in mehreren lokalen Klimagruppen. Ihr Buch „Climate Engineering. Wie wir uns technisch zu Tode siegen, statt die Gesellschaft zu revolutionieren“ ist 2023 im Mandelbaum-Verlag Wien erschienen. Sie ist aktiv im Klimanotstands-Zentrum, einer Arbeitsgruppe des Eine-Welt-Hauses Jena.Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Gerechtigkeit. In welchen Gebieten werden solche Maßnahmen durchgeführt? Dürfen die Menschen, die dort leben, mitentscheiden, was über ihre Region verfügt wird? Oder werden die Einheimischen zugunsten globaler grüner Politik enteignet? Eine solche grüne Politik ist darauf ausgerichtet, alle Naturveränderungen, auch in der Landwirtschaft, nur auf Treibhausgasminderung zu optimieren – und dies nach Vorgaben, die sich im Allgemeinen nicht an den lokalen Erfahrungen der dort lebenden Menschen orientieren. Das würde bedeuten, dass die Erfahrungen aus der örtlichen Landwirtschaft nicht mehr beachtet, sondern andernorts beschlossene Ansätze der Landbewirtschaftung durchgesetzt würden.
Auch großtechnisch erzeugte Biokohle, die in den Boden eingebracht, oft als Climate Engineering-Technologie propagiert wird, kann nicht einfach mit der fruchtbaren „schwarzen Erde“ (Terra Preta) etwa der Amazonasregion gleichgesetzt werden. Umweltorganisationen wie die Abibiman Foundation oder Watch Indonesia erklären in Bezug auf Biokohle: „Die Einbeziehung von Böden in die Kohlenstoffmärkte wird ebenso wie die Einbeziehung von Wäldern in den Kohlenstoffhandel die Kontrolle der Unternehmen über lebenswichtige Ressourcen verstärken und Kleinbauern, ländliche Gemeinschaften und indigene Völker ausschließen .“ Ähnliches gilt für viele der als Climate Engineering beworbenen „natürlichen“ Methoden. Dagegen richten sich zivilgesellschaftliche Bewegungen wie jene, die sich Hands Off Mother Earth (H.O.M.E.) nennt und Aufkleber mit dem Spruch „Stop Geoengineering! Our home is not a laboratory“ vertreibt.
Diese Techniken sind nicht nur Techniken, sondern sie bestimmen auch die Politik – eine Politik der Schadensbegrenzung für jene, die bisher schon am meisten von den Treibhausgasemissionen profitiert haben, zum Schaden jener, die davon nichts hatten. Wie der Weltklimarat schon formuliert hat: Die Frage der Gerechtigkeit ist nicht gelöst. Weder die der Verfahrensgerechtigkeit, bei der es darum geht, wer entscheiden kann über den Einsatz der Techniken, noch der Verteilungsgerechtigkeit in Bezug auf Nutzen und Schäden, noch der Generationengerechtigkeit.
In einer Gesellschaftsform, in der sich die Herrschenden und ihre Gefolgschaft lieber „technisch zu Tode siegen, statt die Gesellschaft zu revolutionieren“, wird das auch so bleiben. Deshalb ist die Frage des Climate Engineering grundsätzlich nicht nur eine technische, sondern eine politische und als solche zu diskutieren. Manche Bewegungen wenden sich rigoros gegen alles aus dieser Richtung. Wichtig ist aber vor allem, sich sachlich darüber zu informieren. Es wird Zeit, diese Themen in die Klima- und erst recht die Klimagerechtigkeitsbewegungen hineinzubringen.
CO2 -Verpressung
Die Verpressung vermehrt CO2 wegen des Energieeinsatzes anstatt zu vermindern, ist also der falsche Weg. Die Produktion von Biomasse in jeder Form bindet CO2, ohne Kohlensäure wächst nichts.
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