Die westlichen Standards stehen infrage

Staaten wie China und Saudi-Arabien, Indien, Südafrika und die Türkei bauen ihre Süd-Süd-Zusammenarbeit aus und vergeben auch Entwicklungshilfe. Die traditionellen Geberländer fürchten, dass dies die Standards für sinnvolle Hilfe untergräbt, auf die sie selbst sich im Entwicklungshilfe-Ausschuss (DAC) der OECD mühsam verständigen. Die Frage ist, ob die neuen Geber sich den alten annähern – oder umgekehrt.

Zuletzt haben sich die alten Geber im sogenannten Paris-Prozess zu Prinzipien für eine wirksamere Entwicklungshilfe bekannt wie zum Beispiel, sich untereinander mehr abzustimmen und die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer zu stärken. Um derlei globale Leitlinien zu etablieren, müssen aber andere Geber einbezogen werden. Nur: In welchem Forum? Dem bei den UN eingerichteten „Forum Entwicklungszusammenarbeit“ fehlt es an Unterstützung von großen Gebern. Die führenden Industrieländer haben zunächst auf die Gruppe der 20 großen Volkswirtschaften unter Einschluss wichtiger Schwellenländer gesetzt.

Autor

Bernd Ludermann

ist Chefredakteur von "welt-sichten".

Seit der G20-Gipfel Ende 2010 in Seoul einen Konsens zur Entwicklungszusammenarbeit verabschiedet hat, scheint dieser Prozess aber zu stocken. Am aussichtsreichsten ist der von der OECD ausgehende Versuch, „neue“ Geber in den Paris-Prozess einzubinden. Diesen Eindruck erzeugte jedenfalls der Workshop „Globale Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit“, den das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem BMZ im April veranstaltet hat.

Die Hilfe ist zur unregulierten Industrie geworden

Ein wichtiger Schritt, neue Geber in den Paris-Prozess zu holen, war die Konferenz in Busan (Südkorea) Ende 2011, erklärte Talaat Abdel-Malik. Er leitet die Arbeitsgruppe der OECD, welche die nächsten Schritte nach Busan vorbereitet. Abdel-Malik strebt eine Konferenz auf Ministerebene für Anfang 2013 an und appelliert an die Geber außerhalb des DAC, sich zu beteiligen. In Busan sei vereinbart worden, dass sie damit nicht automatisch die Prinzipien übernehmen müssen, die der DAC ohne ihre Beteiligung aufgestellt hatte. Abdel-Malik hält drastische Veränderungen der globalen Hilfe-Architektur für nötig – die Entwicklungszusammenarbeit sei zur unregulierten Industrie geworden. Was man tun müsste, sei bekannt, doch die DAC-Geber handelten zu wenig danach.

Entscheidend sei deshalb, dass Länder, die Hilfe erhalten, selbst die Führung bei der Planung übernehmen. Das Auftreten zusätzlicher Geber biete ihnen einerseits mehr Wahlmöglichkeiten, vorausgesetzt, die Bedingungen der verschiedenen Kooperationsangebote seien transparent; dafür solle der Busan-Prozess sorgen. Um die Wahlmöglichkeiten zu nutzen, müssten Partnerländer allerdings ihre Prioritäten klären und lernen, Hilfsangebote auch einmal abzulehnen. Andererseits sorge die Süd-Süd-Zusammenarbeit für noch mehr Koordinationsprobleme in der Entwicklungszusammenarbeit, betonte Abdel-Malik. Er zeigte sich optimistisch, dass sich neben Brasilien auch China und Indien dem Busan-Prozess anschließen werden.

Das wird aber schwierig, wenn der Prozess als Teil der Versuche im Westen erscheint, die neue Konkurrenz in Asien an den Pranger zu stellen. Dass gerade die Chinesen hier sensibel sind, war in Bonn zu spüren. Der Dialog wird auch kaum zur Globalisierung der DAC-Standards führen. Sondern die alten Geber könnten sich, nach der Tagung in Bonn zu urteilen, auch auf die Praxis der neuen zubewegen. So betonte Sachin Chaturvedi von einer Denkfabrik zu Entwicklungsländern, die das indische Außenministerium berät, dass Indiens Entwicklungshilfe in der Regel zusammen mit Handel, Technologie-Transfer und kommerziellen Investitionen im Paket angeboten wird. Sie sei nicht nur auf Solidarität gerichtet, sondern auch auf gegenseitigen Vorteil. So lange es nicht auf Kosten der Partner geht, ist es in Ordnung, wenn Hilfe von nationalen Interessen beeinflusst ist, kommentierte Abdel-Malik.

Armutsbekämpfung ist nur noch ein Ziel unter vielen

Das müsse dann aber auch für DAC-Geber gelten, erwiderte Adolf Kloke-Lesch vom Vorstand der GIZ (aus dem er inzwischen ausgeschieden ist). Weil man heute auch Wandel in Schwellen- und Industrieländern fördern müsse, solle man sich von der Vorstellung lösen, alle öffentlichen Mittel für die internationale Zusammenarbeit seien an der Armutsminderung und dem Bedarf der Empfänger auszurichten. Als fiktives Beispiel nannte er, dass Deutschland einen Dialog mit Kanada über die Abholzung von dessen Wäldern in Gang bringen will und deshalb ein Forschungsprogramm bezahlt, für das Kanada selbst Geld hätte. Für solche Arten der Zusammenarbeit braucht man einen internationalen Rahmen, und der kann im Busan-Prozess entwickelt werden, so Kloke-Lesch.

Der Dialog mit neuen Gebern beginnt offenbar zu einem Zeitpunkt, da alte Geber Grundlagen ihrer Entwicklungszusammenarbeit überdenken (siehe Seite 8 in diesem Heft ). Inwieweit sie vom Ziel der Armutsminderung bestimmt ist und welche Rolle nationale Interessen spielen, darunter die Wirtschaftsförderung – das steht im globalen Dialog nun zur Diskussion.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2012: Holz: Sägen am eigenen Ast
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