Es ist bemerkenswert: Frankreich greift mit Bombern und Soldaten in seiner früheren Kolonie Mali ein und erntet überwiegend Lob. Der UN-Sicherheitsrat stimmt zu, da Paris auf Ersuchen der malischen Regierung gehandelt hat, die Staaten Westafrikas begrüßen den Einsatz, und kein Land der Europäischen Union (EU) hat Vorbehalte. Alle Bundestagsparteien außer der Linken halten die Notaktion für berechtigt, unterstützen allerdings nicht eine Beteiligung der Bundeswehr, sondern nur logistische Hilfe. Dies stellen führende deutsche Medien als Kleinmut dar – als wäre die Bereitschaft zu Kriegseinsätzen der entscheidende Ausweis von politischem Mut.
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Da ist Skepsis angebracht. Die Krise in Mali ist das Ergebnis eines Konfliktgemischs in der ganzen Region, verschärft von wiederkehrenden Dürren und schwieriger werdenden Lebensverhältnissen. Tuareg verlangen einen eigenen Staat. In Mali haben sie sich ab 2006 mit islamistischen Gruppen verbündet, von denen viele aus dem Bürgerkrieg in Algerien der 1990er Jahre stammen und sich Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM) zurechnen. Nach dem Sturz des libyschen Diktators Gaddafi – eines Verbündeten der Tuareg – kamen von Norden Kämpfer und Waffen in die Sahara. Als dann der Militärputsch in Mali im März 2012 diesen Staat praktisch lähmte, war sein Norden den Rebellen ausgeliefert.
Europa könnte helfen, indem es die Abwehr jeder Zuwanderung aus Nordafrika überdenkt
Die UN, die USA und die EU setzten zunächst auf eine afrikanische Lösung: Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS sollte ab Herbst 2013 zusammen mit Malis Armee die Kontrolle über dessen Territorium wiederherstellen. Dem ist der Vormarsch der Islamisten Richtung Süden zuvorgekommen. Paris wollte nicht tatenlos zusehen und hat ihn gestoppt. Die Intervention hat allerdings auch die Zahl der Flüchtlinge weiter wachsen lassen und Nothilfe schwieriger gemacht.
Und sie hat nur etwas Zeit gekauft. Ein Ansatz für eine politische Lösung ist nirgends in Sicht – nur Pläne, die Kontrolle über die malische Sahara militärisch zurückzugewinnen. Das kann Paris, das die Kampfkraft der Islamisten unterschätzt hat, gar nicht allein. Zwar haben die Tuareg-Nationalisten sich nun gegen die Islamisten gewandt, aber sie sind geschwächt. Die EU setzt weiter auf Malis Armee und will sie ausbilden – eine Truppe, der schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden und die gut putschen, aber kaum kämpfen kann. So hoffen alle, dass die regionale Staatenorganisation ECOWAS unter Führung Nigerias den Norden Malis sichert. Denn die Gotteskrieger sind auch für sie eine Gefahr. AQIM hat zum Beispiel Verbindungen zur Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria. Mit der aber wird Nigeria schon zu Hause nicht fertig. Und wenn die Gotteskrieger tatsächlich aus Mali verdrängt werden, können sie in Nachbarländer ausweichen. Die Zeichen stehen auf Eskalation.
Welche tragbare politische Ordnung erkämpft werden kann, ist bei all dem völlig unklar. Und das nicht nur, weil Mali keine handlungsfähige Regierung hat. Große Teile der Sahara waren stets jeder stabilen staatlichen Kontrolle entzogen. Die hat dort kaum eine Grundlage. Denn wer herrschen will, muss kontinuierlich Geld einziehen können; dafür sind aber nomadische Viehzucht, Erpressung oder der Transit von Menschen und Waren – darunter Drogen- und Menschenschmuggel – hier die einzigen Quellen. Die Gruppen, die sich in dem riesigen Gebiet bewegen, kann auch keine Verwaltung wirksam kontrollieren. In wechselnden Bündnissen mit ihnen haben angrenzende Länder eine lose Herrschaft in der Wüste ausgeübt. Nach diesem Muster dürfte Europa nun „befreundete“ Fraktionen, Milizen und Regierungen bewaffnen, während Saudi-Arabien und Katar die Islamisten finanzieren. Diese Art Terrorbekämpfung praktizieren die USA im Maghreb seit Jahren ohne Erfolg.
Ob Frankreichs Eingreifen Mali oder der Terrorbekämpfung dienen wird, ist also zweifelhaft. Sicher ist aber, dass darüber nicht die Zahl der eingesetzten Soldaten entscheidet, sondern die Politik. Europa könnte etwa helfen, indem es seine Drogenpolitik und die Abwehr jeder Zuwanderung aus dem Maghreb überdenkt – beides treibt die Profite aus dem Schmuggel in die Höhe. Aber so wichtig ist die Not im Sahel den Europäern wohl doch nicht.
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