Staatsaufbau im Südsudan und in Afghanistan

Die International Crisis Group (ICG) und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) geben in zwei Studien Aufschluss darüber, was in Afghanistan schief läuft und warum auch die Erfolgsaussichten in Südsudan finster sind.

International Crisis Group
Aid and Conflict in Afghanistan
August 2011, 35 Seiten
www.crisisgroup.org

Wolfram Lacher
Staatsaufbau im Südsudan
Rahmenbedingungen, Erfolgsaussichten und Grenzen internationalen Statebuildings
Stiftung Wissenschaft und Politik,
August 2011, 36 Seiten
www.swp-berlin.org

Seit zehn Jahren versucht die internationale Gemeinschaft, Afghanistan zu befrieden, einen Staat aufzubauen und die wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu bringen. Alle Jahre wieder bekommt sie bescheinigt, dass sie dabei nicht sonderlich erfolgreich ist. Mit Südsudan, der seit Juli unabhängig ist, steht jetzt das nächste große Staatsaufbau-Projekt an. Die International Crisis Group (ICG) und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) geben in zwei Studien Aufschluss darüber, was in Afghanistan schief läuft und warum auch die Erfolgsaussichten in Südsudan finster sind.

„Trotz Milliarden Dollar Hilfe sind die staatlichen Institutionen weiterhin schwach und unfähig, gut zu regieren, der Mehrheit der Bevölkerung grundlegende Dienste zu bieten oder für ihre Sicherheit zu garantieren“, lautet das frustrierende Fazit der ICG zur Entwicklungshilfe für Afghanistan. Die Autoren weisen auf gravierende strukturelle Schwächen der Hilfe hin, etwa dass sie nicht an den langfristigen Bedürfnissen des Landes orientiert sei, sondern an schnellen Erfolgen und den sicherheitspolitischen Interessen der Geber. Oder dass sie nicht die Demokratisierung des Landes fördert, sondern lediglich die korrupte Regierung von Präsident Karsai päppelt. Der Bericht liest sich wie die Neuauflage unzähliger früherer Studien der vergangenen Jahre, in denen immer wieder dieselben Mängel festgestellt wurden.

Dennoch geht die ICG davon aus, dass die Geber es auch richtig machen könnten, wenn sie wollten. Sie fordert deshalb noch mehr Geld für den zivilen Aufbau, mehr Druck auf die Regierung, gegen Korruption vorzugehen, sowie die Stärkung lokaler und regionaler Institutionen des Staates.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass unter den gegebenen Bedingungen noch mehr Geld Probleme wie Korruption, Klientelwirtschaft und Betrug eher noch verschlimmert? Das befürchtet Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik für den Südsudan. Die politischen Verhältnisse in dem neuen Staat „sind weit davon entfernt, einen geeigneten Rahmen für den Staatsaufb au zu bieten“, schreibt er. Schon die bisherige Hilfe zur Stabilisierung des Landes, zum Beispiel für Bildung und Gesundheit, habe ihre Ziele nicht erreicht. Oft habe sie die Lage sogar verschlimmert, etwa indem sie es der Regierung ermöglicht habe, ihre eigenen Mittel zur Finanzierung von Klientelstrukturen zu verwenden.

Lacher sieht in der südsudanesischen Elite derzeit weder den Willen noch die Möglichkeit, einen Staat zu schaffen, der nicht auf der Verteilung von politischen und wirtschaftlichen Pfründen beruht und in dem Macht und Einfluss nicht in erster Linie zum Wohle des eigenen Clans genutzt werden. Unter diesen Bedingungen viel Geld in den Aufbau der Wirtschaft zu stecken, berge das Risiko, neue Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen zu schüren. Zudem seien sich Geber und Regierung in wichtigen Fragen uneins, etwa bei der Demobilisierung von Kämpfern und Milizen.

Lacher empfiehlt, die Geber sollten sich aus Fragen der politischen Gestaltung des Südsudan weitgehend heraushalten und sich auf Projekte beschränken, „deren Folgen kalkulierbar bleiben“. Erhört werden wird er vermutlich nicht. Südsudan dürfte nach Afghanistan das nächste Eldorado der internationalen Beratungs- und Staatsaufbau-Industrie werden.


(ell)

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erschienen in Ausgabe 9 / 2011: Rüstung: Begehrtes Mordgerät
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