Insgesamt 80 türkische Kommunen haben Kontakte nach Deutschland, vor allem Gemeinden im Raum Istanbul und an der türkischen Mittelmeerküste sind aktiv. Die Türkei ist stark zentralistisch geprägt, aber es gibt seit 2002 Bestrebungen, den Kommunen und Regionen mehr Rechte zuzusprechen. Die türkische Verfassung soll nach den Wahlen vom Juli 2011 entsprechend reformiert werden. Zurzeit brauchen türkische Kommunen noch die Zustimmung des Innenministeriums, wenn sie eine Städteverbindung eingehen wollen, auch die Finanzmittel dafür werden zentral vergeben. 153 türkische Städte haben Partnerschaften zu Kommunen im Ausland, wobei Städte im Osten des Landes und in den kurdischen Regionen kaum internationale Kontakte haben.
Autorin
Claudia Mende
ist freie Journalistin in München und ständige Korrespondentin von „welt-sichten“. www.claudia-mende.deMehr verschleierte Frauen in Nürnberg als in Antalya
Die Heinrich-Böll-Stiftung hat im Juni 2011 die Ergebnisse einer Umfrage zu den deutsch-türkischen Partnerschaften veröffentlicht, an der sich etwa ein Drittel der befragten deutschen Kommunen beteiligt hat. Zu den Ergebnissen gehört, dass sich die deutschen Städte von den Partnerschaften vor allem Unterstützung bei der Integration türkischstämmiger Einwohner erhoffen. So verspricht sich zum Beispiel Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) von der Partnerschaft mit dem türkischen Mittelmeerort Antalya, dass sie die türkische Gemeinschaft in der fränkischen Stadt öffnen hilft. Für Maly handelt es sich um ein typisches „Exilphänomen“: Die Türkei habe sich stärker modernisiert als die türkischen Zuwanderer in Deutschland. Ein Ziel der Partnerschaft sei, über die Kontakten in die Türkei etwas von diesem Modernisierungsschub in die türkische Gemeinschaft nach Nürnberg zu tragen. Ein Zeichen für diese Kluft ist laut Maly, dass in Antalya weniger Frauen ein Kopftuch tragen als in Nürnberg. Politische Motive wie die Unterstützung des türkischen EU-Beitritts oder der Modernisierung in der Türkei spielen laut Untersuchung dagegen kaum eine Rolle dafür, dass deutsche Städte Partnerschaften zu Kommunen in der Türkei eingehen.
Auf türkischer Seite sind weniger Vereine und Initiativen aus der Zivilgesellschaft an der Zusammenarbeit beteiligt als in Deutschland. Für die türkischen Kommunalvertreter sind vor allem die Restriktionen bei der Visavergabe auf deutscher Seite ärgerlich. Ziel der nächsten Jahre muss es sein, die gesellschaftliche Basis der Partnerschaften zu erweitern und auch bildungsferne Schichten einzubinden, heißt es in der Untersuchung der Böll-Stiftung. In Nürnberg gibt es die Kritik, die Städtepartnerschaft lebe in einer Parallelwelt, weil sie vor allem von Intellektuellen getragen werde und weniger von den türkischen Arbeiter in der Stadt.
Neben dem Austausch auf kultureller, sportlicher und schulischer Ebene sowie bei regelmäßigen Bürgerreisen arbeiten die Stadtverwaltungen in deutsch-türkischen Partnerschaften zunehmend auch in Energie-, Umwelt- und Zukunftsfragen zusammen. Nürnberg und Antalya wollen einen Solarpark in der türkischen Mittelmeerstadt aufbauen und bei der Ausbildung von Altenpflegern zusammenarbeiten. Fränkische Unternehmen wollen sich im Herbst auf der Baumesse in Antalya präsentieren, Journalisten aus Nürnberg und Antalya ihre Kontakte vertiefen. Dalaman an der Mittelmeerküste will durch seine neue Partnerschaft mit der Stadt Eschweiler zur Modellstadt für Ökotourismus werden. Erlangen und Besiktas, ein Stadtviertel im europäischen Teil von Istanbul, arbeiten im Bereich Katastrophenschutz gegen Erdbeben zusammen. Einig sind sich die deutschen Kommunen darin, dass sie sich stärker über ihre Erfahrungen mit den Partnerschaften zu türkischen Städten austauschen und ihre Aktivitäten besser aufeinander abstimmen wollen.
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