"Ma Ellen" will es noch einmal wissen. Wenn die Liberianer am 11. Oktober über eine neue Staatsführung und ein neues Parlament abstimmen, tritt die 73-jährige Ellen Johnson-Sirleaf noch einmal an. Vor fünf Jahren ist sie als erste Frau zur Präsidentin eines afrikanischen Landes gewählt worden. Und sie hat gute Chancen auf eine zweite Amtszeit. Johnson-Sirleaf ist mit ihrem Mut und ihrer Tatkraft ein großes Vorbild für viele Frauen – nicht nur in Afrika – und hat viele von ihnen ermutigt, sich politisch zu engagieren. In Kamerun, wo am 9. Oktober ebenfalls gewählt wird, haben die männlichen Bewerber mit der 45-jährigen Geschäftsfrau Edith Kabbang Walla erstmals eine ernstzunehmende weibliche Konkurrenz. Sie hat sich auf die Fahnen geschrieben, vor allem Frauen an die Wahlurnen zu bringen und ihr Recht auf politische Teilhabe wahrzunehmen.
Eine ähnliche Absicht verfolgt auf höherer Ebene die Chefin der Frauenorganisation der Vereinten Nationen (UN Women), die frühere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet. Am Rande der UN-Vollversammlung Mitte September scharte sie mächtige Frauen um sich, darunter Brasiliens Staatsoberhaupt Dilma Rousseff und US-Außenministerin Hillary Clinton. Gemeinsam riefen sie alle Regierungen auf, die politische Beteiligung von Frauen zu fördern und diskriminierende Hindernisse abzubauen. Sie sehe, so Bachelet optimistisch, zurzeit eine historische Chance, der Geschlechtergerechtigkeit und den Frauenrechten endlich zum Durchbruch zu verhelfen.
Die Aussichten sind allerdings bestenfalls gemischt. Zwar will das ultra-konservative Königreich Saudi-Arabien tatsächlich das Wahlrecht für Frauen einführen – wenn auch erst 2015 – und in Tunesien soll laut dem neuen Wahlgesetz künftig die Hälfte der Abgeordneten weiblich sein. Vom Aufbruch der kämpferischen Frauen in den Revolutionen von Ägypten und Libyen ist aber nur wenig übrig geblieben: Gerade einmal eine Frau sitzt jeweils in den Übergangsregierungen. Doch das macht Bachelets Forderung umso dringlicher. Frauen müssen politischen Einfluss ausüben, wenn sie die Regeln der Gesellschaften, in denen sie leben, für mehr Gleichberechtigung ändern wollen. Nur so kann auch eine stärkere wirtschaftliche Beteiligung erreicht werden, wie es die Weltbank in ihrem jüngsten Weltentwicklungsbericht fordert.
Frauen müssen über ihre Lebensumstände mitbestimmen können – dass es besser bezahlte Jobs, mehr Geld für die Gesundheitsversorgung, eine bessere Kinderbetreuung und höhere Strafen für Gewalt in der Ehe gibt. Sie selbst müssen dafür sorgen, dass internationale Vereinbarungen wie die UN-Konvention gegen die Diskriminierung von Frauen verwirklicht werden. Es bringt nichts, sich dafür allein auf den guten Willen und die Solidarität der Männer zu verlassen. Wer gibt schon freiwillig Macht ab?
Der Weg zu einer gleichberechtigten politischen Teilnahme ist noch weit: Zurzeit stellen Frauen weniger als zehn Prozent der Regierungschefs und im Durchschnitt weniger als 20 Prozent der Parlamentsabgeordneten. Ruanda ist das einzige Land der Welt, in dem die Parlamentarierinnen mit 45 von 80 Sitzen eine Mehrheit haben. Zwar ist die Zahl der Volksvertreterinnen weltweit zwischen 1998 und 2008 erheblich schneller gestiegen – um acht Prozent – als in den zwanzig Jahren zuvor (um ein Prozent). Doch wenn es in diesem Tempo weitergeht, wird es laut UN Women wohl noch bis zum Ende des Jahrhunderts dauern, bis Frauen zumindest mit 40 Prozent in den nationalen Parlamenten vertreten sein werden, einem Ziel das auf der Frauenkonferenz von Peking 1995 ausgerufen wurde. Helfen können die hierzulande heiß umstrittene Quotenregelung oder eine festgelegte Zahl von Parlamentssitzen für Frauen: Länder mit Quoten haben in der Vergangenheit die Zahl weiblicher Abgeordneter viel schneller erhöht und gute Chancen, das 40-Prozent-Ziel bis 2026 zu erreichen.
Die Menge allein macht es natürlich nicht. Wenn Frauen einen Staat lenken oder im Parlament sitzen, bedeutet das nicht, dass sie sich automatisch für Gleichberechtigung und die Belange ihrer Mitbürgerinnen einsetzen. Die Ursachen für zahlreiche Diskriminierungen, geschlechtsspezifische Vorurteile und konservative Traditionen haften zäh in weiblichen wie in männlichen Köpfen. Sie zu verändern kostet Energie und Geduld. Es gibt dazu aber keine Alternative. Mehr weibliche Präsenz in öffentlichen Ämtern kann den Diskurs verändern und schließlich, so ist zu hoffen, auch die Machtstrukturen.
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