Mehr Schutz für Umweltflüchtlinge

Menschen, die wegen einer Naturkatastrophe außer Landes fliehen, gelten völkerrechtlich nicht als Flüchtlinge. Die Genfer Flüchtlingskonvention schützt Menschen nur, wenn sie in einem Staat aufgrund ihrer politischen Überzeugung, Rasse, Religion, Nationalität oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt werden. Die Schweiz und Norwegen wollen das ändern.

Als in Haiti die Erde bebte, schloss die Dominikanische Republik ihre Grenzen. Und als in Somalia die Dürre die Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubte, standen diejenigen, die flüchten konnten, zeitweilig vor geschlossenen kenianischen Grenzen. „Im Rahmen meiner Einsätze habe ich feststellen können, dass die grenzüberschreitende Flucht infolge von Naturkatastrophen ein reales Problem ist, das in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat“, sagte der schweizerische Delegierte für Humanitäre Hilfe, Manuel Bessler, bei der Präsentation der Initiative in Genf.

Autorin

Rebecca Vermot

ist Redakteurin bei der Schweizerischen Depeschenagentur sda und ständige Korrespondentin von "welt-sichten".

Jährlich müssten Millionen Menschen wegen Überflutungen, Orkanen, Erdbeben und Dürren ihre Heimat verlassen und anderswo Schutz suchen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Schweiz und Norwegens. Oft fänden sie im eigenen Land Zuflucht. Überquerten sie jedoch auf ihrer Flucht eine Landesgrenze, entfalle jeglicher Schutz, da diese Menschen üblicherweise nicht verfolgt und daher von der UN-Flüchtlingskonvention nicht erfasst würden. Menschenrechtskonventionen regelten die Einreise, den Aufenthalt und die Grundrechte der Betroffenen nicht. Zudem fehlten Kriterien, um eine erzwungene Flucht infolge von Naturkatastrophen von freiwilliger Migration zu unterscheiden.


Mit der „Nansen-Initiative“ wollen die Schweiz und Norwegen normative und institutionelle Lücken schließen. In den kommenden drei Jahren soll eine „Schutz­agenda“ ausgearbeitet werden. Diese soll Grundlage sein für die Prävention zur Abmilderung der Folgen von Katastrophen, für Schutz und Hilfe im Ausland, für die Rückkehr nach Hause sowie für dauerhafte Lösungen für die Zeit nach der Naturkatastrophe. Fernziel dürfte eine eigenständige Konvention sein.

Laut dem Schweizer Völkerrechtler Walter Kälin fehlt derzeit aber der politische Wille, die Sache in einem formalen Prozess auf UN-Ebene voranzutreiben, da fraglich sei, wer sich damit befassen solle. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge würde die Aufgabe zwar übernehmen. Viele Staaten wollten dies jedoch nicht: „Man befürchtet, das würde die Arbeit für die politisch verfolgten Flüchtlinge schwächen“, sagte er in Deutschlandradio Kultur. Weitere Länder seien der Ansicht, die Zeit für eine solche Initiative sei noch nicht reif – bei größeren Katastrophen könne man pragmatisch reagieren. Und wieder andere wehrten sich gegen die Einmischung durch die Staatengemeinschaft und pochten auf ihre Souveränität.

Vor allem Armut treibt die  Menschen in die Flucht

Hauptursache für eine Flucht vor Umweltkatastrophen sei die Armut. „Es ist auch ein Problem schwacher Staatlichkeit, fehlender Institutionen, fehlender Kapazitäten“, erklärte Kälin, der die Richtlinien der Initiative verantwortet. Darauf gebe es nur internationale Antworten. Die „Nansen-Initiative“ will in den nächsten drei Jahren Regierungen und Vertreter der Zivilgesellschaft in den von Naturkatastrophen besonders hart getroffenen Regionen konsultieren. Auf dieser Basis soll ein Dialog auf globaler Ebene organisiert werden. Die „Nansen-Initiative“ wird von einem Sekretariat in Genf unterstützt. Die Kosten von 3,6 Millionen Franken (drei Millionen Euro) für die nächsten drei Jahre teilen sich die Schweiz und Norwegen.
 

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erschienen in Ausgabe 12 / 2012: Leben mit dem Klimawandel
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