Autor
Edward B. Barbier
ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Wyoming. Sein jüngstes Buch „Scarcity and Frontiers: How Economies Have Developed Through Natural Resource Exploitation and Capitalizing on Nature: Ecosystems as Natural Assets“ ist bei Cambridge University Press erschienen.Aber Entwicklungsländer sind auch in einer anderen Hinsicht auf Land und Rohstoffe angewiesen: Die Landwirtschaft trägt durchschnittlich 40 Prozent zu ihrem Bruttoinlandsprodukt bei, und fast 80 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung arbeiten dort oder in der Ausbeutung anderer Rohstoffe. Fast 1,3 Milliarden Menschen leben in den Ländern des Südens in ökologisch gefährdeten Gebieten mit wenig ertragreichen Böden, und etwa zwei Drittel von ihnen müssen mit 2 Dollar pro Tag oder weniger auskommen. Bis 2025 wird die ländliche Bevölkerung der Entwicklungsländer auf fast 3,2 Milliarden anwachsen. Der Druck auf die schwindenden Naturressourcen wird zunehmen. Folglich scheinen arme Länder in einem Teufelskreis aus Rohstoffabhängigkeit, Bevölkerungswachstum, Umweltzerstörung und ländlicher Armut zu stecken.
Doch vor gar nicht langer Zeit galt ein Reichtum an Rohstoffen – vor allem von auf dem Weltmarkt stark nachgefragten – noch als Garantie für wirtschaftlichen Erfolg, nicht als Hindernis dafür. Zum Beispiel wird die Zeit von 1870 bis 1914 häufig als das „goldene Zeitalter“ der rohstoffabhängigen Entwicklung bezeichnet. Die Revolution im Transportwesen und die Ausweitung des Handels führten in vielen rohstoffreichen Regionen dazu, dass riesige Landflächen erschlossen und natürliche Ressourcen in bisher ungekanntem Ausmaß ausgebeutet wurden. Das Ergebnis war eine weltweite, lang anhaltende Wachstumsperiode. Die Vereinigten Staaten etwa wurden in wenigen Jahrzehnten dank ihres großen Reichtums an Naturressourcen zur führenden Industrienation. Aber auch andere rohstoffreiche Länder erlebten in dieser Zeit einen Wirtschaftsboom, darunter Kanada, Argentinien, Australien und einige Gebiete in den Tropen, die von der exportorientierten landwirtschaftlichen Entwicklung während der Kolonialherrschaft profitierten.
Doch mit dem Ersten Weltkrieg, der folgenden Weltwirtschaftskrise sowie dem Zweiten Weltkrieg ging das goldene Zeitalter zu Ende. Die USA nutzten weiter ihren eigenen Reichtum an Naturressourcen, um den Ausbau ihrer Industrie voranzutreiben, wurden aber von den 1950er Jahren an abhängig von zusätzlichen Brennstoffen, Mineralien und Rohmetallen aus dem Ausland. In der Nachkriegszeit sicherte der Besitz ergiebiger Rohstoffquellen nicht mehr länger eine erfolgreiche Entwicklung der Wirtschaft. Im Zuge des zunehmenden Handelsvolumens und der Globalisierung wurden in den vergangenen fünfzig Jahren zahlreiche Handelsbarrieren abgebaut, die Transportkosten sanken und die Rohstoffmärkte wurden weltweit miteinander verbunden. Das hat den direkten Zusammenhang zwischen dem Reichtum an Naturressourcen und der industriellen Entwicklung eines Landes aufgelöst. Auch wenn ein Entwicklungsland im Besitz wertvoller Rohstoffe ist, reicht deren Vermarktung nicht mehr aus, um den Weg zur wirtschaftlichen Entwicklung zu ebnen.
Doch warum haben viele Länder, die über reichlich Land und Bodenschätze verfügen, jetzt so große Schwierigkeiten, sich nachhaltig zu entwickeln? Einiges lässt sich darüber aus den wenigen Erfolgsfällen lernen. Zum Beispiel gibt es Anzeichen dafür, dass vier große aufstrebende Marktwirtschaften – nämlich Brasilien, Russland, Indien und China, die sogenannten BRIC-Staaten – im Begriff sind, aus der Ausbeutung ihrer Landflächen und Rohstoffquellen Nutzen für die Gesamtwirtschaft zu ziehen. Allerdings unterscheiden sich diese Länder stark von den meisten Entwicklungsländern aufgrund des schieren Ausmaßes ihrer Bevölkerung, ihrer Wirtschaften und ihrer Ressourcen. Und die BRIC-Staaten weisen zwar seit den 1990er Jahren ein eindrucksvolles Wirtschaftswachstum auf. Aber es bleibt ungewiss, ob es auf dem erfolgreichen und nachhaltigen Management ihrer Ressourcen beruht oder allein darauf, dass sie so groß sind und so viele Ressourcen besitzen.
Leider haben es nicht viele kleinere Länder mit üppigen Naturressourcen den BRIC-Staaten gleichgetan. Ist ihr Problem in unserer modernen Welt also, dass ihre Volkswirtschaften kleiner sind? Nicht unbedingt. So haben drei kleine rohstoffreiche Entwicklungsländer seit den 1960er Jahren stetige Fortschritte verzeichnet: Botsuana, Malaysia und Thailand. Zwar haben sie weiter Probleme beim Management der Naturressourcen und bei der Armutsbekämpfung. Aber aus ihren Erfahrungen lassen sich einige Schlüsse ziehen, wie andere kleine und rohstoffreiche Länder nachhaltiger wirtschaften könnten.
Erstens hängt es nicht unbedingt von der Art der verfügbaren Rohstoffe und ihres Abbaus ab, ob sie zu einem Hindernis für Entwicklung werden. Die Wirtschaft Botsuanas zehrt weitgehend von seinen Bodenschätzen – vor allem Diamanten. Thailand setzte auf Landwirtschaft und exportierte zunächst fast nur Nahrungsmittel. Und die Erfolgsgeschichte Malaysias beruhte anfangs auf Erdöl, Mineralien und natürlichen Wäldern, dann kam der Anbau von Holz in Plantagen hinzu und schließlich entwickelte das Land eine stark diversifizierte Wirtschaft.
Zweitens müssen sich, weil die verfügbaren Ressourcen, ihre Förderung und die historischen, kulturellen, wirtschaftlichen und geographischen Bedingungen in jedem Land anders sind, auch die Strategien für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung unterscheiden. Zum Beispiel verfolgten Thailand und Malaysia anfangs ähnliche Strategien, um eine nachhaltige Verwertung der Naturressourcen in Gang zu setzen. Doch der Vorrang der Landwirtschaft in Thailand sowie wirtschaftliche und soziale Unterschiede führten schließlich zu einer ganz anderen Diversifizierungsstrategie als in Malaysia.
Drittens muss die Wirtschaftsentwicklung ganzheitlich geplant werden. Zwar ist es notwendig, in den wichtigsten Sektoren der Primärproduktion (Land- und Holzwirtschaft sowie Bergbau) die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, das Exportpotenzial auszuschöpfen, Raubbau zu verhindern und die Einnahmen zu erhöhen. Aber ausreichend ist das nicht. Die Wirtschaftspolitik aller drei der kleinen und erfolgreichen Länder zeigt, dass man die Erträge aus der Primärproduktion sinnvoll investieren muss: in den Aufbau der Industrie, in die Infrastruktur, das Gesundheitswesen und das Schul- und Berufsbildungswesen.
Viertens schließlich: Keine Strategie ist perfekt. Auch in den drei erfolgreichen Ländern profitieren wichtige Wirtschaftssektoren und Bevölkerungsgruppen noch nicht davon, dass die Nachhaltigkeit in wichtigen Bereichen der Primärproduktion verbessert wird. Noch werden in Malaysia weiter Wälder zerstört, vor allem in den auf Borneo gelegenen Provinzen Sabah und Sarawak, und das Land plant, vermehrt Plantagen für den Anbau von Ölpalmen anzulegen. In Thailand sind vor allem die Zerstörung der Mangrovenwälder und die zunehmende Umweltverschmutzung besorgniserregend, und es wird zu wenig für die Entwicklung in den höher gelegenen ländlichen Regionen unternommen. In Botsuana stagniert weiterhin die Landwirtschaft, viele Menschen leben in ökologisch gefährdeten Gebieten, und auf dem Land gibt es noch viel Armut. Es ist eine ständige Anforderung an solche kleinen offenen Volkswirtschaften, die Gewinne aus der Ausbeutung ihrer Ressourcen gesamtwirtschaftlich besser zu verteilen und ihre Nachhaltigkeit zu steigern.
Insgesamt sind die Wechselwirkungen zwischen Handel, Naturressourcen und wirtschaftlicher Entwicklung heute deutlich komplizierter als vor hundert Jahren. Die Hypothese vom Fluch der Ressourcen wird mit der anhaltenden Unterentwicklung vieler armer Länder begründet und mit der Tatsache, dass viele von ihnen völlig vom Export von Rohstoffen abhängig sind. Die Theorie scheint einleuchtend und es gibt empirische Belege dafür. Doch sie kann nicht vollständig erklären, warum die meisten armen Länder ihre Rohrstoffe nach einem Muster nutzen, das Probleme der Überausbeutung von Naturschätzen, der Armut und der Unterentwicklung verschärft.
Die Abhängigkeit von Rohstoffen ist möglicherweise eher ein Symptom der chronischen Unterentwicklung als ihre Ursache. Statt uns auf den Reichtum an Naturressourcen als Grund der Armut zu konzentrieren, sollten wir also fragen, warum so viele rohstoffreiche Länder ihre Ressourcen nicht im Sinne der langfristigen Wirtschaftsentwicklung nutzen, wie dies in Malaysia, Thailand und Botsuana geschehen ist.
Erstens neigen die meisten Entwicklungsländer dazu, die Verwertung von Land oder Rohstoffen als von der Gesamtwirtschaft isolierte Profitquelle zu betreiben. Umfangreiche Investitionen in Plantagen, Viehhaltung, Forstwirtschaft und Bergbau führen oft dazu, dass sich exportorientierte Enklaven herausbilden, die nur geringfügig oder gar nicht in die übrigen Wirtschaftsprozesse im Land eingebunden sind. Sie schaffen deshalb wenig neue lokale Einkommensquellen außerhalb der Landwirtschaft. Diese Art Entwicklung wird deshalb begleitet von der fortschreitenden Umwandlung von Wäldern, Feuchtgebieten und anderen Naturräumen in landwirtschaftliche Flächen. Gleichzeitig bleiben so die meisten Entwicklungsländer von der Rohstoffausbeutung abhängig und können ihre Wirtschaft nicht auf eine breitere Basis stellen.
Zweitens haben viele Regierungen Investitionen in Export-Enklaven gefördert. Das bewirkt eine Fülle von Fehlentwicklungen in den Institutionen und der Politik, die zu kurzsichtigen Entscheidungen führen: Man verhindert nicht, dass diejenigen, die Rohstoffe nutzen oder abbauen, dabei kurzfristigen Profiten nachjagen; und die politischen Institutionen einschließlich der Justiz, die für die Förderung eines langfristigen Wachstums notwendig wären, werden untergraben. In einem solchen politischen Klima können dann große Rohstoffvorkommen, Zusatzprofite infolge steigender Rohstoffpreise oder die Entdeckung neuer wertvoller Naturschätze allesamt eine scharfe Konkurrenz unter Privaten um die wachsenden Gewinne auslösen. In Staaten mit schwachen Institutionen werden die Regierungen vom Druck dieser Sonderinteressen überwältigt. Die Folgen sind eine verfehlte Wirtschaftspolitik und ein Ressourcenmanagement, das die Orientierung an schnellen Profiten begünstigt, die Korruption fördert und zum Raubbau an wertvollen Landflächen und Rohstoffen führt. Bestimmte Ressourcen – nämlich fossile Brennstoffe, Mineralien und Holz – scheinen diesen Teufelskreis besonders zu begünstigen. Aber das eigentliche Problem sind die Institutionen und die Regierungsführung, nicht die Art der Rohstoffe.
Nicht zuletzt begünstigt diese Art der Ressourcennutzung eine Wirtschaftsentwicklung, in der Boomphasen und Einbrüche sich abwechseln. Die staatliche Förderung der Rohstoffnutzung lässt häufig die Abbaugebiete oder Agrarflächen stark expandieren und die vermarktbaren Erträge wachsen. Solche Anfangserfolge sind jedoch stets von kurzer Dauer. Sobald alle fruchtbaren Landflächen in einem Gebiet erschlossen oder die Rohstoffe ausgebeutet sind, folgt unweigerlich der wirtschaftliche Niedergang. Unter gewissen Bedingungen kann der Abschwung sogar schon einsetzen, bevor die Gewinnmöglichkeiten der Pionierzeit ausgeschöpft sind. Solche Krisenzyklen werden noch verstärkt, wenn die Ausbeutung von Landflächen und Rohstoffen in isolierten wirtschaftlichen Enklaven stattfindet, denn die Produktion und die Profite daraus tragen dann nur geringfügig zu Investitionen, Innovation und Wachstum in der gesamten Wirtschaft bei. Kurzfristige Extraprofite infolge steigender Rohstoffpreise verschärfen diese Wirkung weiter. In der Boomphase können ungelernte Arbeitskräfte und die Landbevölkerung zwar neue Einkommensmöglichkeiten finden. Doch mit dem unvermeidlichen Abschwung zeigt sich, dass ihre Lebensumstände und Einkünfte langfristig nicht bedeutend besser geworden sind.
Bedauerlicherweise ist dieses Muster in allzu vielen rohstoffreichen Ländern die Regel. Zwar lassen sich diese Mechanismen möglicherweise durchbrechen. Doch dafür brauchen Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, die von Naturressourcen abhängen, eine neue Entwicklungsstrategie. Sie muss vier langfristige Ziele verfolgen: Erstens müssen diese Länder die Gewinne aus der Vermarktung der Naturschätze in produktivere und dynamischere Wirtschaftssektoren investieren, die mit den rohstoffabhängigen Branchen im Zusammenhang stehen.
Zweitens müssen sie funktionierende politische und juristische Institutionen schaffen, um das Profitstreben von Investoren einzudämmen, die sich an der Ausbeutung der Naturressourcen kurzfristig bereichern wollen. Drittens müssen sie ihre Politik ändern, wo diese im Bereich Rohstoffe und Ackerland die kapitalstärksten Investoren begünstigt. Und viertens müssen sie Strategien und Investitionsprogramme entwickeln, die der armen ländlichen Bevölkerung bessere Verdienst- und Lebensmöglichkeiten verschaffen, statt darauf zu bauen, dass die Erschließung zusätzlicher Agrarflächen und die Abwanderung in die Städte die Armut auf dem Lande lindert.
Für die meisten rohstoffreichen Länder ist die entscheidende Frage heute nicht, ob ihr Ressourcenreichtum ihre wirtschaftliche Entwicklung hemmen wird. Sie lautet vielmehr, ob sie den politischen Willen aufbringen, sinnvoll und nachhaltig mit ihren Naturressourcen zu haushalten, so dass diese die langfristige gesamtwirtschaftliche Entwicklung befördern.
Aus dem Englischen von Anna Latz.
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