„Eine grüne Minenwirtschaft gibt es nicht“

Anders als Umweltaktivisten in Asien und Afrika sind mittelamerikanische Umweltverbände strikt gegen jegliche Ausbeutung von Gold- und Silbervorkommen. Der salvadorianische Minengegner Angel Ibarra erläutert, welche Folgen sie befürchten.

Warum nehmen Sie diese harte Haltung ein?

Sie müssen sich nur ansehen, wie in Mittelamerika Gold gewonnen wird. Die Zeiten der großen Goldadern sind hier längst vorbei. Heute werden riesige Mengen von Gestein abgetragen, um dann mit viel Wasser und Zyanid Gold herauszulösen. Oft sind das nur 0,3 Gramm pro Tonne Gestein. Aber was passiert mit dem Abraum? Es wird hunderte von Jahren dauern, bis er entgiftet ist. In dieser Zeit werden Schwermetalle ausgeschwemmt, die in unsere unterirdischen Wasserspeicher gelangen können. Zudem verdunstet Zyanid bei einer Temperatur von 26 Grad und wir leben in einem tropischen Land. Wir werden Zyanid einatmen.

0,3 Gramm Gold pro Tonne Gestein, kann sich das lohnen?

Und wie. In El Salvador gibt es seit gut sechs Jahren einen Goldrausch. Vor allem Konzerne aus den USA und Kanada wollen neue Minen öffnen. Es liegen 26 Anträge auf die Ausbeutung von Gold- und Silberlagern vor. Sie wurden gestellt, als die Feinunze (rund 31 Gramm) Gold für rund 400 Dollar gehandelt wurde. Heute liegt der Preis weit über 1500 Dollar. Würden alle Projekte genehmigt, würde das über tausend Quadratkilometer fressen, sechs Prozent der Fläche unseres Landes. Die Wasserversorgung, die Lebensmittelsicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung wären gefährdet.

Wasser scheint es genügend zu geben: In jeder Regenzeit leidet das Land unter Überschwemmungen.

Nein, El Salvador hat selbst ohne Minen Wasserprobleme. Laut einer kürzlich veröffentlichte Studie der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika werden alle unsere Flüsse bis zum Jahr 2100 wegen des Klimawandels im Sommer so gut wie austrocknen und nur in der Regenzeit Wasser führen. Wenn wir Minen genehmigen, setzen wir unser letztes Wasser aufs Spiel.

Die Konzerne behaupten, es sei auch eine umweltverträgliche „grüne“ Minenwirtschaft möglich.

Das ist Propaganda. Grüne Minen gibt es nicht. Extraktive Minen sind weltweit die größten Umweltverschmutzer, das zeigt jede Statistik. Man diskutiert zwar darüber, dass es möglich wäre, Gold ohne die Verwendung von Zyanid zu gewinnen oder im Untertagebau statt im Tagebau. Dass man mit Kontrollen und Auflagen Minen umweltverträglicher machen könnte. Aber in welchem Land leben wir denn? In El Salvador hat es noch nie Behörden gegeben, die Gesetze und Auflagen durchsetzen konnten.

Sie stehen also vor der Alternative: Umweltschutz oder wirtschaftliche Entwicklung?

Gold- und Silberminen bringen keine wirtschaftliche Entwicklung. Ein paar hundert Leute finden Arbeit. Aber nur für sechs bis zehn Jahre, länger reicht die Lebensdauer einer Mine nicht. Den Gewinn machen die Konzerne. Eine Feinunze Geld zu produzieren, kostet weniger als 200 Dollar, inklusive aller Löhne. Der Preis an den Börsen ist fast zehn Mal so hoch.

Immerhin bekommt der Staat auch einen Teil des Gewinns.

Nach unseren Gesetzen muss ein Konzern ein Prozent seines Erlöses an den Staat und ein Prozent an die Gemeinde abführen, auf deren Gebiet die Mine liegt. Aber das ist nur ein theoretischer Wert. Wir kennen Beispiele aus Honduras und Guatemala, wo Minenkonzerne eine so verwirrende Buchhaltung vorgelegt haben, dass am Ende so gut wie nichts für Staat und Gemeinden übrig blieb. Sie sind Meister im Verstecken von Gewinnen.

Sie behaupten also, Minenkonzerne würden betrügen?

Noch schlimmer. Je höher der Goldpreis, desto aggressiver werden sie. Sie bestechen Parlamentsabgeordnete und Bürgermeister, sie verschenken in den betroffenen Dörfern Sportausrüstungen und kostenlose Zahnbehandlungen, sie spalten die Bevölkerung. Wer gegen sie ist, bekommt ihre Macht zu spüren. In El Salvador wurden schon vier Umweltschützer ermordet, alle in einer Provinz, in der sich ein Konzern um Schürfrechte bemüht. Keines dieser Verbrechen ist aufgeklärt. Bevor der Konzern kam, hat es solche Morde nicht gegeben.

Der Bergbau bringt Ihrer Ansicht nach keine Entwicklung, sondern nur Konflikte?

Schauen Sie doch nach Afrika. Ein rohstoffreiches Land wie der Kongo lebt in Armut und ist Schauplatz von blutigen Auseinandersetzungen. Gäbe es ohne Coltan Krieg im Kongo?

Anders als in den Nachbarländern haben in El Salvador der vorherige und der jetzige Präsident versprochen, keine Genehmigung zur Eröffnung von Minen zu erteilen. Wie haben Sie das geschafft?

Wir haben Leute aus den betroffenen Gemeinden zu Minen nach Guatemala und Honduras gebracht. Dort haben sie gesehen, wie ihre Zukunft aussehen würde. Dem Widerstand dieser Leute ist das Moratorium in erster Linie zu verdanken. Aber es ist nur ein Teilerfolg auf Zeit. Weder das Parlament noch die Regierung wollen ein dauerhaftes Minenverbot in einem Gesetz verankern. Die Tür für die Konzerne ist noch nicht geschlossen. Sie lauern auf ihre Chance.

Das Gespräch führten Cecibel Romero und Toni Keppeler.


 

Angel Ibarra
ist Präsident des regierungsunabhängigen Umweltschutzverbandes UNES (Unidad Ecológica Salvadoreña) und Koordinator des Runden Tischs gegen die Ausbeutung metallischer Bodenschätze in El Salvador, zu dem sich Umweltverbände, lokale Bürgerinitiativen und betroffene Gemeinden zusammengeschlossen haben.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2011: Bodenschätze: Reiche Minen, arme Länder
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