Die Angst vor einem neuen Krieg in Äthiopien

Zwei Sicherheitskräfte laufen hinter zwei Frauen, die sich besorgt zu ihnen umdrehen.
picture alliance / AA
Droht nun ein neuer Krieg? Das Foto vom Dezember 2021 zeigt patrouillierende äthiopische Sicherheitskräfte, nachdem die äthiopische Armee die Kontrolle über die Stadt Hayk in Amhara von der rebellischen Tigray Peoples Liberation Front (TPLF) in Äthiopien übernommen hat.
Konflikt in Tigray
In der äthiopischen Tigray-Region arbeiten mehrere Konfliktparteien auf einen neuen Krieg hin - und setzen damit das erst Ende 2022 geschlossene Friedensabkommen aufs Spiel. Fachleute warnen sogar vor einem regionalen Krieg.

Die Angst vor einem neuen Krieg in Tigray ist groß. Seit Monaten schwelt in der nordäthiopischen Region eine politische Krise. Nun ist sie eskaliert: Teile der paramilitärischen Verteidigungskräfte von Tigray (TDF) haben mehrere größere Städte in der Region eingenommen, die bisher unter Kontrolle der Übergangsregierung standen.

Auch den wichtigsten Radiosender in der Regionalhauptstadt Mekelle haben sie laut lokalen Medien unter ihre Kontrolle gebracht. Unter den Bewohnern Tigrays, wo die Infrastruktur nach einem verheerenden Krieg zwischen 2020 und 2022 zu großen Teilen noch zerstört ist, schlägt die Kriegsangst laut einem Bericht des Magazins „The Africa Report“ mit Sitz in Paris in blanke Panik um.

In dem Konflikt stehen sich die zwei Fraktionen der zerstrittenen - derzeit offiziell nicht als Partei anerkannten - Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) sowie der ebenfalls gespaltenen paramilitärischen Verteidigungskräfte von Tigray (TDF) gegenüber. Aber auch die äthiopische Regierung unter Ministerpräsident Abiy Ahmed sowie der Nachbarstaat Eritrea mischen mit.

Friedensabkommen wurde schleppend umgesetzt

Hintergrund für die aktuelle Krise sind die Folgen des verheerenden Bürgerkriegs in Tigray, durch den zwischen 2020 und 2022 nach Schätzungen bis zu 600.000 Menschen starben. Damals kämpften TPLF und TDF gegen die äthiopische Armee, die unter anderem von Truppen aus Eritrea unterstützt wurde. Der Krieg wurde zwar im November 2022 im südafrikanischen Pretoria durch ein Abkommen beendet, dessen schleppende Umsetzung aber zugleich ein entscheidender Grund für die jüngste Eskalation ist.

Weiter ungeklärt ist etwa der Status von fruchtbaren und landwirtschaftlich wertvollen Gebieten im Westen Tigrays, die während des Krieges von regionalen Truppen des benachbarten Bundesstaates Amhara erobert wurden. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) leben mehr als zwei Jahre nach Kriegsende immer noch rund eine Million Vertriebene unter ärmlichen Verhältnissen und in Ungewissheit über ihre Zukunft.

Auch bei der Demobilisierung und Wiedereingliederung von Kämpfern der TPLF in die Gesellschaft, was auch einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen soll, gibt es kaum Fortschritte. Ein großes Problem ist zudem, dass wichtige Gewaltakteure bei den Verhandlungen in Pretoria gefehlt haben. Nicht vertreten waren Repräsentanten des Nachbarlandes Eritrea und der Fano-Miliz, die mehrheitlich aus Mitgliedern der Volksgruppe Amhara besteht. Eritreas Präsident Isaias Afewerki soll damals mit dem Ende des Krieges nicht einverstanden gewesen sein: Er hätte die TPLF - einen alten Feind aus früheren Konflikten - gerne ein für alle Mal vernichtet.

Angst vor einer noch größeren Konfrontation

Konkret stehen sich in Tigray nun die Parteiführung der TPLF um Debretsion Gebremichael und die von der Zentralregierung eingesetzte regionale Übergangsverwaltung TIRA gegenüber. Die Debretsion-Fraktion wirft der Übergangsverwaltung vor, eine Marionette der Zentralregierung zu sein. Das Lager rund um Debretsion will eine Abspaltung von Äthiopien, zur Not mit Gewalt.

Bitter für die Bevölkerung ist, dass sich offenbar beide Seiten an Akteure von außen gewandt haben. Die TIRA-Führungsriege brachte mit öffentlichen Äußerungen eine mögliche Intervention der Zentralregierung in Addis Abeba ins Gespräch - den Feind aus dem jüngsten Krieg. Seinem Kontrahenten Debretsion wirft sie vor, sich an Eritrea gewandt zu haben, also ebenfalls einen früheren Kriegsfeind, dem noch dazu von Menschenrechtsorganisationen in dem Konflikt besonders schwere Verbrechen vorgeworfen werden.

Debretsion weist das zurück. Bemerkenswert ist jedoch, dass Eritrea nach Berichten lokaler Medien im Februar die Generalmobilmachung ausrief. In einer Analyse der US-amerikanischen Zeitschrift „Foreign Policy“ warnen einige Fachleute nun sogar davor, dass Tigray der Ausgangspunkt für eine viel größere Konfrontation zwischen Äthiopien und Eritrea werden könnte, die die gesamte Region erschüttern würde.

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