Marcos wird einen Rivalen los

Philippinen
Der Präsident der Philippinen hat seinen Vorgänger Rodrigo Duterte an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert. Der hat das verdient – aber es ist kein Zeichen für die Stärke des internationalen Rechts.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) macht Duterte für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in seiner Amtszeit von 2016 bis 2022 verantwortlich. Die Polizei sowie Bürgerwehren und eine Todesschwadron Dutertes haben in dieser Zeit im vom Staat ausgerufenen „Krieg gegen die Drogen“ bis zu 30.000 Menschen, die sie als Drogenhändler oder ‑konsumenten verdächtigten, einfach umgebracht. Dafür hat der IStGH gegen Duterte als Kopf dieses „Kriegs“ einen Haftbefehl ausgestellt. Und kaum war der nach Manila, die Hauptstadt der Philippinen, übermittelt, da ließ dort Präsident Ferdinand Marcos seinen Vorgänger verhaften und ausliefern.

Duterte hat eine harte Strafe verdient. Dass der IStGH ihm den Prozess machen kann, ist eine kleine Genugtuung für die Opfer und für alle, die während der staatlichen Mordserie das Risiko eingegangen sind, die Taten zu dokumentieren. Aber ein Zeichen für die Stärke des internationalen Strafrechts ist Dutertes Verhaftung nicht.

Sie ist zunächst ein Schachzug im Kampf der Familien Marcos und Duterte um die Macht in dem Inselstaat. Beide hatten 2022 eine taktische Allianz geschlossen, um die Wahlen zu gewinnen: Rodrigo Duterte unterstütze Marcos, dafür wurde Dutertes Tochter Sara dessen Vizepräsidentin. Doch dann entzog sich Marcos der Kontrolle der Dutertes und verfolgte eine eigene Politik – zum Beispiel am Westen statt an China orientiert. 

Marcos nimmt den Konkurrenten aus dem Spiel 

Nun bringen die beiden Dynastien, die das Land beherrschen, sich gegeneinander in Stellung. Gegen Sara Duterte läuft ein Amtsenthebungsverfahren. Im Mai gibt es Wahlen für das Parlament sowie die Provinzen und Kommunen; dabei tritt Rodrigo Duterte in seiner Machtbasis Davao an und hat dort erstmals starke Konkurrenz. Die wird nun jubeln, weil Duterte in Den Haag sitzt. Die Präsidentschaftswahlen 2028, in denen wohl Sara Duterte gegen den Amtsinhaber antreten soll, werden dann der Showdown zwischen den Dynastien Duterte und Marcos sein.

Marcos benutzt nun offenbar den IStGH, um die Dutertes zu schwächen und seine Macht auszubauen – nicht etwa, um im Sinne des Rechts dem Missbrauch staatlicher Macht entgegenzuwirken. Dafür tut er wenigDie Menschenrechtslage hat sich seit 2022 etwas verbessert, aber Marcos hat weder Verantwortliche für die Morde unter Duterte zur Rechenschaft ziehen lassen noch die Polizei reformiert. Der „Drogenkrieg“ geht in verringertem Umfang weiter, Verteidiger von Menschenrechten und Gewerkschafter werden schikaniert und immer wieder Umwelt- und Landrechtsaktivisten umgebracht.

Der IStGH hängt von politischhen Spielchen ab

Ist ein Prozess gegen Duterte trotz allem ein Fortschritt für den IStGH und das Völkerstrafrecht? Das ist zweifelhaft. Der IStGH kommt damit seinem Ziel nicht näher, die Straflosigkeit auch für Staatschefs zu beenden. Aus seinem Wirken können Staatsverbrecher bisher zwei Lehren ziehen: Erstens, so lange ihr im Amt bleibt, seid ihr sicher – dass angeklagte amtierende Staatschefs wie Wladimir Putin und Benjamin Netanyahu sich tatsächlich in Den Haag verantworten müssen, ist heute kaum vorstellbar. Und zweitens, wenn ihr das Amt verloren habt, hängt es von der Gunst eurer Nachfolger und ihren Machtkämpfen ab, ob eure Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestraft werden. So war das schon im Fall des Sudanesen Omar al-Bashir 2020 und der Fall Duterte bestätigt es jetzt. 

Es ist richtig, Duterte den Prozess zu machen getreu dem juristischen Grundsatz, dass es keine Gleichheit im Unrecht gibt: Ein Verbrecher darf nicht nur deshalb davonkommen, weil man andere nicht erwischt. Aber dieser Prozess demonstriert nicht die Stärke des IStGH, sondern seine Schwäche: Wer sich in Den Haag verantworten muss, hängt von politischen Spielchen von Politikern wie Ferdinand Marcos ab.

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