Ob humorvolle und kreative Spitzen gegen Korruption in der Polizei oder Kritik an prominenten Pastoren, die Wunder vortäuschen und ihre Kirchen als Wirtschaftsunternehmen betreiben – in den sozialen Medien in Nigeria ist immer etwas los. Allerdings zahlen die Menschen einen Preis dafür, dass sie auf Medien wie Facebook und Instagram ihre Meinung äußern.
Ein Fall, der viel Aufmerksamkeit erregt hat, ist der von Chioma Okoli. Die 39-Jährige hatte auf Facebook geschrieben, dass ein von ihr gekauftes Tomatenmark wie reiner Zucker schmecke. Der Besitzer des Unternehmens, dem diese Bemerkung nicht gefiel, meldete die Angelegenheit der Polizei. Okoli wurde verhaftet und vor Gericht wegen Cybermobbings angeklagt. Seitdem war sie immer wieder im Gefängnis. Ihre Familie sagt, der Stress und das Trauma des Falles hätten zu einer Fehlgeburt geführt.
Bis zu sieben Jahre Gefängnis für „Onlineverbrechen“
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Der Influencer Nnamdi Chude wiederum berichtet, er sei aus einem Polizeifahrzeug geworfen und zusammengeschlagen worden. Er war festgenommen worden, weil ein Ölmagnat, den er auf Twitter kritisiert hatte, den Tweet als beleidigend angezeigt hatte. Auch der Blogger Saint Mienpamo Onitsha wurde mit vorgehaltener Waffe von der Polizei festgenommen. Die Aktion folgte auf einen Facebook-Post, den die Regierung als beleidigend empfand. Bei all diesen Fällen stützt sich die Polizei hauptsächlich auf Abschnitt 24 des Gesetzes gegen Onlinekriminalität, das bis zu sieben Jahre Gefängnis für „Onlineverbrechen“ vorsieht.
Im konservativen muslimischen Norden des Landes, wo strenge islamische Gesetze gelten, nutzen junge Menschen die sozialen Medien, um diese konservative Ordnung herauszufordern – beispielsweise die TikTokerin Murja Ibrahim Kunya in Kano. Die Religionspolizei und muslimische Geistliche finden ihre Onlinevideos aufrührerisch und unmoralisch, deshalb war die junge Frau bereits mehrmals im Gefängnis. Im Augenblick ist es ihr per Gerichtsbeschluss untersagt, Inhalte zu verbreiten, die gegen Religion und Tradition verstoßen. Das scheint ihre Popularität aber nur gesteigert zu haben, vor allem unter Jugendlichen.
Ebenfalls in Kano wurde der Sufi-Musiker Yahaya Sharif-Aminu nach einem Lied, das er in den sozialen Medien verbreitet hatte, zum Tode verurteilt. Die Behörden erklärten, das Lied sei blasphemisch. Das Todesurteil wurde inzwischen allerdings von einem Berufungsgericht aufgehoben, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens anordnete. Kola Alapinni, der Anwalt des Musikers, sagt, dass viele Jugendliche trotz der harten Strafen, die die Gerichte in Kano verhängen, in den sozialen Medien aktiv bleiben: „Sie nutzen die sozialen Medien, um auf Probleme wie Korruption und Armut hinzuweisen.“
Laut dem Marketingfachmann Kevin Udoh aus der Wirtschaftsmetropole Lagos sind die Risiken für Menschen wie ihn, die in anderen Teilen Nigerias politische Kommentare in den sozialen Medien abgeben, ähnlich groß wie in Kano. In einem Land mit einer Geschichte von Auftragsmorden sponserten einige Leute, die über Inhalte in den sozialen Medien verärgert sind, Angriffe auf die Urheber dieser Inhalte. Er selbst sei sich der Gefahren bewusst, werde sich aber weiterhin gegen gesellschaftliche Missstände aussprechen.
Aus dem Englischen von Barbara Erbe.
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