Noch deutlich erinnere ich mich, wie unsere Partner in Kenia beim Gespräch vor Ort die erdrückenden Staatsschulden mit einem Würgegriff verglichen. Ein Schuldenerlass, das wurde dabei deutlich, könnte die Länder aus dieser Sackgasse befreien.
Wie viele weitere Länder im globalen Süden steckt das ostafrikanische Land in einem Teufelskreis aus wachsender Staatsverschuldung, drastischen Steuererhöhungen und steigenden Lebenshaltungskosten. Die Folgen der Schuldenlast sind vielerorts drückende Armut. Eine Steuerreform, die essenzielle Dinge des täglichen Lebens verteuert hätte, brachte im Sommer 2024 das Fass zum Überlaufen und trieb vor allem Jugendliche zu Massenprotesten auf die Straßen der Hauptstadt Nairobi. Unsere Analysen im gemeinsam von erlassjahr.de und Misereor herausgegebenen Schuldenreport zeigen, dass Kenia im vergangenen Jahr rund ein Viertel seiner öffentlichen Einnahmen für Zins- und Tilgungszahlungen an ausländische Gläubiger aufwenden musste. Die Zahlungen an Gläubiger sind rund fünfmal höher als das staatliche Budget für die Gesundheitsversorgung. Als Folge können sich viele Menschen ihr Leben kaum noch leisten.
Die Schuldenlast auf ein nachhaltiges Niveau senken
Ein Ausweg aus der Krise könnten umfassende Schuldenschnitte sein – das wurde für mich während meiner Reise in vielen Gesprächen mit zivilgesellschaftlichen Partnern deutlich. Hauptgläubiger wie die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, aber auch bilaterale Gläubiger wie China und Japan wären dann an den Krisenkosten beteiligt. Ziel eines solchen Schuldenerlasses ist, die Schuldenlast auf ein langfristig nachhaltiges Niveau zu senken und damit einen wirtschaftlichen Aufschwung zu ermöglichen.
Langfristig ist zudem ein multilateral vereinbartes, transparentes und unabhängiges Staateninsolvenzverfahren nötig, bei dem die Schulden des Staates nach verbindlichen Regeln und unter Mitwirkung aller Gläubiger umstrukturiert würden, so wie dies bei der Insolvenz von Unternehmen oder Privatpersonen der Fall ist. Das könnte Schuldenkrisen wie in Kenia und anderen Ländern künftig verhindern.
Ohne Spielräume keine Zukunftsfähigkeit
Hoch verschuldete Länder brauchen haushaltspolitischen Spielraum, um eine Transformation hin zu zukunftsfähigen Gesellschaften, etwa durch eine Wende hin zur Nutzung erneuerbarer Energie, einschlagen zu können. Wie dringend notwendig diese Spielräume sind, zeigt die ernüchternde Bilanz der UN-Nachhaltigkeitsziele: Staatliche Maßnahmen gegen die Klimakrise, mit denen zugleich Armut und Hunger bekämpft werden sollen, sowie Investitionen in Grunddienste wie Gesundheitsversorgung und Bildung können erst nach entlastenden Schuldenerleichterungen langfristig eingeleitet werden.
Ein Schuldenschnitt wäre also ein Befreiungsschlag, allein der Gedanke ließe aufatmen und mischte alles auf. Dabei geht es um Freiheit und Würde, und zwar aus der Sicht der Ärmsten.
Das Heilige Jahr 2025 soll auch die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ansprechen, jetzt Schulden zu erlassen. Die Frage der Auslandsverschuldung ist aus Sicht von Papst Franziskus „nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern eine, die ethische Grundprinzipien berührt und einen Platz im internationalen Recht haben sollte“.
Veränderungen beginnen mit der Vision des Unmöglichen
Das Jubeljahr war eine Tradition des jüdischen Volkes. Eine wiederkehrende Gelegenheit, Schulden zu erlassen und die Chance für einen Neubeginn zu eröffnen. Misereor möchte sich diesem prophetischen Appell anschließen, der heute dringender ist denn je. Große Veränderungen beginnen mit der Vision des Unmöglichen, mit dem prophetischen Mut einzelner Gruppen.
Lassen Sie uns gemeinsam die vielen kleinen, aber notwendigen Schritte hin zu einem menschenwürdigen Leben für alle gehen. Das Heilige Jahr bietet dazu Gelegenheit. Etwa durch die Unterstützung der weltweit von Caritas International und vielen katholischen Akteuren getragenen Erlassjahrkampagne. Sie steht unter dem Motto „Turn Debt into Hope“ und sendet einen Lichtstrahl der Hoffnung aus.
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