Schuldenkrise weiter ungelöst

SHAHID SAEED MIRZA/AFP via Getty Images
Pakistan wurde im vergangenen Jahr von schweren Überflutungen heimgesucht, hier im August 2023 in der Provinz Punjab. Das hoch verschuldete Land gibt deutlich mehr Geld für den Schuldendienst aus als für Investitionen in die Gesundheitsversorgung und andere Sozialdienste - die angesichts der Umweltkrise umso nötiger wären.
Berlin
Bei der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank diese Woche geht es erneut um die Verschuldung vieler Entwicklungsländer. Das Entschuldungsbündnis Erlassjahr fordert, die Bundesregierung solle sich stärker für grundlegende Reformen im Umgang mit Schuldenkrisen einsetzen.

Die Verschuldung von Staaten in Afrika, Lateinamerika und Teilen Asiens hat sich seit vergangenem Jahr noch einmal verschärft, erläutert der vom Entschuldungsbündnis Erlassjahr und dem Hilfswerk Misereor herausgegebene Schuldenreport 2024. In der Hälfte von 152 untersuchten Ländern – und in knapp zwei Dritteln der Länder in Subsahara-Afrika – sei die Schuldensituation kritisch oder sehr kritisch. „2024 müssen Regierungen des Globalen Südens schätzungsweise rund 487 Milliarden US-Dollar an Zins- und Tilgungszahlungen an das Ausland abführen. Das sind mehr als eine Milliarde US-Dollar pro Tag“, konstatiert der Bericht. Das seiso viel wie nie zuvor. Geringere Einnahmen und gestiegene Zinsen haben die Last dieser Staaten demnach seit 2022 noch einmal um zehn Prozent erhöht. 

Das durch verheerende Überschwemmungen angeschlagene und überschuldete Pakistan etwa gebe dreizehnmal mehr für den Schuldendienst aus als für Sozial-, Gesundheits- und Bildungssysteme zusammen, erläutert Klaus Schilder von Misereor. Ohne Schuldenerleichterungen bleibe überschuldeten Ländern kaum Spielraum für die Daseinsvorsorge oder für Ausgaben zum Klimaschutz. All diese Bereiche würden zurückgeschraubt – häufig zulasten von Frauen, die im Sorgebereich tätig seien.

Die untersuchten Länder stehen dabei zu 60 Prozent bei privaten Gläubigern wie Pensions- und Investmentfonds, die staatliche Anleihen gekauft haben, sowie bei Banken oder Rohstoffunternehmen in der Kreide. Diese Gläubiger beteiligten sich aber nicht an Refinanzierungen durch neue Darlehen, erläutert Kristina Rehbein von Erlassjahr. Ohne Erlass werden neue Kredite gebraucht, um alte Schulden zu begleichen – und die Rückzahlung zeitlich zu strecken. 

China ist wichtigster staatlicher Kreditgeber

Multilaterale Finanzinstitutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank halten laut Schuldenreport etwa 28 Prozent der Forderungen an Entwicklungsländer. China ist der wichtigste bilaterale staatliche Kreditgeber; insgesamt spielen Regierungen als Gläubiger eine vergleichsweise geringe Rolle. Doch sieht der Schuldenreport vor allem die westlichen Industrienationen in der Pflicht, ihren politischen Einfluss sowohl bei privaten als auch bei multilateralen Gläubigern für Umschuldungen geltend zu machen. „70 Prozent der Forderungen an den globalen Süden fallen in den direkten Verantwortungsbereich der G7-Staaten und der EU“, betont Rehbein. Das heißt, der größte Teil der Schulden entfällt vor allem auf private Gläubiger aus G7-Staaten und der EU sowie auf multilaterale Institutionen unter deren Einfluss.

Ohne Schuldenerleichterungen sowie neue verbilligte Kredite aus reichen Ländern kann aus Sicht von Erlassjahr und Misereor die Krise nicht gelöst werden. Bisherige Vereinbarungen des sogenannten G20-Rahmenwerks der Industrie- und Schwellenländer einschließlich China, Indien, Türkei und Saudi-Arabien (Common Framework) schaffen demnach nur kurze Atempausen und wurden seit 2020 mit nur vier Ländern – Tschad, Äthiopien, Ghana und Sambia – auf deren Antrag hin beschlossen. Die Streichungen vor allem bilateraler Schulden seien viel zu gering und dienten vorrangig dem Ziel, Verluste von Gläubigern zu begrenzen, während die Lasten in Form von Sozialabbau und höheren Lebenskosten die Bevölkerung tragen müsse. 

Das zeige sich auch in Sri Lanka, das außerhalb des G20-Rahmenwerks für Verhandlungen auf Gläubiger zugegangen ist. Selbst der IWF räume ein, sagt Schilder, dass eine Staatsverschuldung, die nach dem Ergebnis voraussichtlich immer noch 95 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen werde, nicht tragfähig sei. Das Beispiel zeige, dass die Gläubiger auf künftiges Wirtschaftswachstum wetten, das die Fähigkeit zum Schuldendienst wieder erhöhen soll, sagt Schilder. Man hofft, dass die Länder aus den Schulden herauswachsen.

Appell an die Bundesregierung

Die Autoren des Schuldenreports geben die Hoffnung nicht auf, dass die Ampelkoalition gemäß ihrer Koalitionsvereinbarung ein „kodifiziertes Staateninsolvenzverfahrens“ für gerechtere und transparentere Lastenverteilungen unterstützen wird. Zunächst geht es um eine Reform des G20-Rahmenwerks und der IWF-Analysen zur Schuldentragfähigkeit, die laut Erlassjahr durch unabhängigere Prüfungen ersetzt werden sollten. Statt sich hinter der Position zu verstecken, man wolle das G20-Rahmenwerk nicht schwächen, „sollte die Bundesregierung Führung zeigen und das multilaterale System stärken“, fordert Rehbein. Das Jahr 2024 biete neben der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF auch bei anderen Konferenzen wie zur Entwicklungsfinanzierung (FfD Forum 2024) oder dem UN-Zukunftsgipfel im Herbst in New York gute Chancen für Weichenstellungen. 

Schwierig bleibt unterdessen, private Gläubiger sowie China zu einer stärkeren Beteiligung an Schuldenerlassen zu bringen. Insbesondere China fordert, neben den bilateralen müssten auch die multilateralen Gläubiger Schulden erlassen, was der Westen ablehnt. Während auch Kathrin Berensmann vom entwicklungspolitischen IDOS-Institut in Bonn bei einer Anhörung im Fachausschuss des Bundestages dafür plädierte, bei einer Reform des G20-Rahmenwerks ausdrücklich auch multilaterale Gläubiger stärker in die Pflicht zu nehmen, sieht die Bundesregierung weiterhin einen Mangel an Kooperation bei Schuldenerleichterungen auf Seiten Chinas als zentrale Hürde. „Es gibt Trippelschritte, aber keinen Durchbruch“, sagte ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums bei der Anhörung.

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