Kontra: Es braucht eine eigenständige Entwicklungspolitik

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Außen- und Entwicklungspolitik fusionieren?
Außen- und Entwicklungspolitik fusionieren?
Neuwahlen stehen vor der Tür – und damit möglicherweise auch eine Neuauflage der Diskussion, ob Deutschland ein Entwicklungsministerium braucht. Befürworter versprechen sich von einer Zusammenlegung mit dem Auswärtigen Amt mehr außenpolitische Schlagkraft. Kritiker fürchten, dass die Entwicklungspolitik unter die Räder kommt.

Dagmar Pruin ist Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe

Die Debatte ist nicht neu. Schon 2009 hat die FDP gefordert, das Entwicklungs- in das Außenministerium einzugliedern. Der Vorschlag folgt in Zeiten multipler Krisen und knapper Budgets einer scheinbar naheliegenden Überlegung: Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollen nur noch solche Initiativen gefördert werden, die Deutschland unmittelbar nützen. Ausdruck dessen ist die Idee, das Entwicklungsministerium (BMZ) im Auswärtigen Amt (AA) aufgehen zu lassen – einem Ministerium, das qua Auftrag Deutschlands Interessen im Ausland vertritt. 

Das Entwicklungsministerium wurde 1962 eingerichtet. Dessen erster Minister hieß Walter Scheel, bekanntlich Politiker der FDP. Er betonte stets, dass in erster Linie ethisch-moralische Gründe für die – wie es damals hieß – Entwicklungshilfe leitend sein sollten; er dachte vor allem an die Überwindung von extremer Armut und Hunger. 

Scheels Haltung ist auch sechs Jahrzehnte später noch richtig. Aus gutem Grund sprechen sich nahezu alle nichtstaatlichen Organisationen und beide großen Kirchen in Deutschland gegen die Abschaffung des Entwicklungsministeriums aus. Die meisten Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker von Union, SPD und Grünen sehen das auch so. Entwicklungspolitik ist kein Anhängsel zur Außenpolitik. Ihre auf universellen Menschenrechten basierenden Werte sollten an erster Stelle stehen und Grund genug für eine starke Entwicklungspolitik sein. Man lässt keinen Menschen verhungern! 

Diese Haltung ist folgerichtig für ein Land mit unserer Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Gräueln der Schoah hat man auch die Deutschen nicht verhungern lassen, sondern unseren Staat beim Aufbau unterstützt. Heute sind wir ein Land, dessen Regierung zu Recht betont, mehr Verantwortung in der Welt übernehmen zu wollen. Entwicklungspolitik, davon bin ich überzeugt, ist ein zentraler Baustein, diese Verantwortung konkret auszugestalten.

Doch auch aus deutschem Eigeninteresse wäre die Abschaffung des BMZ keine gute Idee. In einer globalisierten Welt brauchen wir nicht weniger Kooperation, sondern mehr. Beispiel Klimapolitik: Jede Tonne CO2, die irgendwo auf der Welt eingespart wird, ist gut für das Klima auf der ganzen Welt. Beispiel Ernährungspolitik: Statt unsere subventionierten Überschüsse billig in Länder des globalen Südens zu verkaufen, sollten wir deren Fähigkeit stärken, ihre Bevölkerung ohne Importe und damit krisenfester zu ernähren. Beispiel Sicherheit: Gute Entwicklungszusammenarbeit beugt Konflikten vor und hilft, Frieden zu sichern.

Befürworter der Eingliederung des BMZ ins AA verweisen gern auf andere Länder, die diesen Schritt gegangen sind. Doch in vielen davon ging es danach mit der Entwicklungszusammenarbeit bergab. Ein Beispiel ist Großbritannien, das nach der Abschaffung des Ressorts 2020 seine Entwicklungszusammenarbeit stark gekürzt hat. Von seiner einst führenden Rolle in der globalen Entwicklungspolitik ist nicht viel übrig. Und der Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt haben diese Entscheidungen anderer Länder geschadet.

„Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt.“ Dieser Satz von Gustav Heinemann gilt für mich nicht nur innerhalb der Grenzen unseres Landes. Er gilt auch mit Blick auf das globale Ganze. Die Menschen in ärmeren Ländern haben keine Lobby. Umso wichtiger ist, dass ihre Interessen und Perspektiven gleichberechtigt am Kabinettstisch sitzen. Sonst geraten unsere humanistischen – ich könnte auch sagen christlichen – Werte unter die Räder.

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