Die Studie hatte das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) bei Wissenschaftlern der Universität Göttingen in Auftrag gegeben. Demnach hat im Untersuchungszeitraum 2013 bis 2023 jeder US-Dollar bilateraler deutscher Hilfe (ODA) die deutschen Warenausfuhren um 0,36 US-Dollar gesteigert. Die Ökonomen erklären das mit den als Folge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gestiegenen Einkommen in den Empfängerländern, die dort zum Wachstum von Importen aus Deutschland führen. „Dies lässt sich durch gute Geber-Empfänger-Beziehungen wie die Entstehung von Gewohnheiten und Wohlwollen in EZ-Empfängerländern erklären", heißt es in der Zusammenfassung der Studie.
Durchschnittlich habe deutsche EZ die Warenexporte von 2013 bis 2023 um 8,8 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhöht, so die Autoren. Zudem seien im Untersuchungszeitraum in Deutschland etwa 88.000 Arbeitsplätze der bilateralen ODA zu verdanken. Mehr als 33.000 davon entfielen demnach auf den Maschinenbau, über 16.000 auf Fahrzeugbau, 18.400 auf die Elektroindustrie sowie knapp 6000 auf die Metallerzeugung und knapp 12.000 auf Nahrungs- und Genussmittel. Zudem seien als Folge des Exportwachstums rund 50.000 Jobs im Dienstleistungssektor entstanden.
Die Wissenschaftler kommen zu diesen Ergebnissen, indem sie schätzen, welchen Einfluss die Entwicklungsgelder unabhängig von anderen Variablen, die herausgerechnet wurden, auf die Handelsbeziehungen haben, erläutert die Mitautorin Felicitas Nowak. Keinen Aufschluss gibt die Studie indes darüber, ob und wie stark die ODA die Exporte in einzelne Länder oder Regionen beflügelt. So bleibt die Frage unbeantwortet, ob sich Entwicklungszusammenarbeit mit Asien in dieser Hinsicht eher rentiert als etwa mit Afrika.
Eine frühere Studie kommt zu höheren Werten
Die Göttinger Studie ist nicht die erste ihrer Art. Schon 2016 hat das BMZ die Exporteffekte von Entwicklungszusammenarbeit ausrechnen lassen. Das Ergebnis lautete damals 0,83 US-Dollar Exportwachstum pro US-Dollar ODA. Dass der jüngste Wert mit 0,36 US-Dollar deutlich niedriger ist, erklären die Autoren mit der seither eingetrübten Welthandelslage. Zudem sei die Ausfuhr von Waren – nur die wird in beiden Studien gemessen – im Verhältnis zum Dienstleistungsexport deutlich gesunken.
Taugt das Argument eines jährlichen Exportbonus von 8,8 Milliarden US-Dollar, um Kritiker der Nord-Süd-Kooperation zu beeindrucken? Der Entwicklungsökonom Tobias Heidland vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel spricht sich klar dafür aus, über den wirtschaftlichen Nutzen von Entwicklungszusammenarbeit zu diskutieren. Das schaffe Klarheit über Ziele und Strategien und könne Kritikern ein Stück weit den Wind aus den Segeln nehmen. In Zeiten knapper Kassen sei es wichtig, dass politische Entscheidungsträger Entwicklungszusammenarbeit gut begründen können, „wenn es darum geht, sie auch Leuten zu verkaufen, die sich nicht für Menschen in fremden Ländern interessieren“.
Bodo Ellmers, Experte für Entwicklungsfinanzierung beim Global Policy Forum, äußert dagegen Zweifel am Sinn der Göttinger Rechnungen: „Mit solchen Versuchen, den Kritikern entgegenzukommen, kommt man nicht weit.“ Zugleich warnt er davor, den eigentlichen Sinn von Entwicklungszusammenarbeit in den Hintergrund zu drängen: die nachhaltige Entwicklung in Partnerländern. Entwicklungszusammenarbeit dürfe nicht an einem größtmöglichen Nutzen für die heimische Wirtschaft ausgerichtet werden. Das sei Aufgabe des Wirtschafts- oder Handelsministeriums, nicht des Entwicklungsministeriums.
Auch Ellmers sieht angesichts von Diskussionen über vermeintliche Geldverschwendung, etwa für Fahrradwege in Peru, einen Trend von Politikern, stärker zu erklären, wie Entwicklungszusammenarbeit deutschen Interessen entspricht. Es sei aber „unverständlich, warum die der Entwicklungszusammenarbeit wohl gesonnenen Parteien sich von solchen Fragestellungen vor sich her treiben lassen“. Das Feld der Wähler, die Anliegen wie Armutsbekämpfung, nachhaltige Entwicklung oder Friedenssicherung unterstützen, sei immer noch groß. Für eine überzeugendere Kommunikation über entwicklungspolitische Erfolge müsse jedoch mehr Geld in Evaluierung und Monitoring investiert werden.
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