Viele deutsche Kommunen treibt die Frage um, wie sie mit Partnerstädten in autoritär regierten Staaten umgehen sollen. Das betrifft etwa die Zusammenarbeit mit Städten in China, wo 80 deutsche Städte kommunale Partner haben. Die meisten dieser Partnerschaften sind wirtschaftlich motiviert, das gilt auch für die zwischen Bremen und Dalian, einer Metropole mit über fünf Millionen Einwohnern im Nordosten Chinas. Die beiden Städte sind seit 1985 verbunden. „Die Wirtschaft braucht einen Fuß in der Tür“, so begründet Annette Lang von der Stadt Bremen die Zusammenarbeit. Institutionen aus Kultur und Gesellschaft seien so gut wie gar nicht in die Partnerschaft eingebunden, lediglich die Universität sei auf dem Papier involviert.
Man wisse um die Problematik in dem autoritär geführten Land, aber „die meisten Vertreter deutscher Partnerstädte sind sich darin einig, dass man Menschenrechtsfragen besser außen vor lässt“, sagt Lang. Durch die Kooperation könne man wenigstens ansatzweise mitbekommen, was die Partnerkommune bewegt, und an ihrer Entwicklung teilhaben. „Wir gewinnen nichts, wenn wir alle Beziehungen abbrechen.“
Gesprächskanäle nutzen
Auch Johanna Pulheim von der Stadt Köln sagt: „China ist ein so wichtiger Player, dass wir hier Gesprächskanäle nutzen und offenhalten wollen.“ Die Metropole am Rhein ist seit 1987 mit Peking verbunden und kooperiert auf der Verwaltungsebene, es gibt zum Beispiel einen Fachaustausch der Ordnungsämter. In Köln weiß man genau, dass die chinesische Hauptstadt nicht liberaler sein kann als die nationale Führung. Trotzdem steht Köln zu der Verbindung.
In anderen autoritär geführten Ländern haben Kommunen mehr Spielraum, in Nicaragua etwa. Köln hat dort gleich zwei Partnerstädte, Corinto und El Realejo, beides Verbindungen, die noch zur Zeit von Diktator Somoza 1988 geknüpft wurden. Nach dessen Sturz wollte man die neue Regierung des zentralamerikanischen Landes beim Aufbau unterstützen. Doch die sandinistische Führung ist in den letzten Jahren immer autokratischer geworden. Während aber in El Realejo Menschenrechtsverletzungen der lokalen Polizei bekannt wurden und Köln seitdem keine Projekte mehr mit der Kommune macht, klappt die Kooperation mit Corinto weiterhin gut. So wurde dort ein Trinkwasserprojekt durchgeführt, gefördert vom Bundesentwicklungsministerium.
Im Einzelfall entscheiden
Man müsse im Einzelfall entscheiden, ob eine Kooperation sinnvoll sei oder nicht, sagt Johanna Pulheim. In Köln stelle man sich Fragen wie: Schade ich mehr oder überwiegt der Nutzen für die Bevölkerung vor Ort? Wie stark kann die Regierung ein Projekt für sich vereinnahmen?
Oft wollen Kommunen bewusst eigene politische Akzente setzen. „Viele unserer Partnerstädte gerade in autoritären Staaten werden liberal regiert“, sagt Annette Lang aus Bremen. Die Hansestadt kooperiert etwa mit Danzig in Polen, das sich während der autoritär-populistischen PIS-Herrschaft in den vergangenen Jahren als liberaler Gegenpol positioniert hat. Ein anderer Partner Bremens ist Izmir in der Türkei, eine Hochburg der Partei CHP, die in Opposition zur Regierung von Präsident Erdogan steht. „Wir haben Izmir in seiner nach Europa offenen Haltung stets unterstützt“, sagt Lang. Gleiches gelte für Haifa in Israel, das als multikulturelle Stadt ein gutes Zusammenleben von Juden und Arabern fördert und den nationalreligiösen Hardliner-Kurs der Regierung Netanyahu nicht unterstützt.
"Wer Türen zuschlägt, kann nichts mehr verändern"
Doch die Rahmenbedingungen können sich auch ändern und Aufbrüche gestoppt werden. Tunesien war nach dem arabischen Frühling in den Jahren 2011 bis 2019 in Richtung Demokratie unterwegs, erlebt aber unter Präsident Kais Saied seitdem eine erneute autoritäre Wende. Das betrifft direkt viele Kommunen: Die zuvor frei gewählten Bürgermeister wurden 2023 in den meisten Kommunen durch eigene Leute ersetzt. „Es war ein Schock für uns, als der Bürgermeister unserer Partnerstadt Menzel Bourguiba abgesetzt wurde“, sagt Frederic Stephan von der Stadt Stuttgart. Gerade hatte man ein Klimapartnerschaftsprojekt mit der Planung von Grünflächen gestartet, danach war man sich in Stuttgart unsicher, wie es weitergehen kann. Doch die neu eingesetzte Verwaltungsspitze des tunesischen Partners will die Zusammenarbeit fortsetzen. Also macht Stuttgart weiter, auch der Jugendaustausch wird fortgeführt. „Es ist eine Gratwanderung“, sagt Stephan. „Aber wenn man die Türen zuschlägt, kann man nichts mehr verändern.“
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