Christen zwischen den Fronten

Abdulmonam Eassa/Getty Images
Seit Beginn des Krieges im Sudan wird die christliche Minderheit im Land verstärkt diskriminiert und angegriffen. Auch Gotteshäuser werden gezielt attackiert. Auf dem Foto, das im August 2021 entstanden ist, berühren drei Frauen ein Kreuz, als sie eine katholischen Kirche im Flüchtlingslager Shagarab im Sudan verlassen.
Sudan
Nach dem Sturz des Langzeit-Machthabers Omar al-Bashir war der Sudan auf einem guten Weg Richtung Minderheitenschutz. Doch seit Beginn des Kriegs im April 2023 kommt es wieder vermehrt zu Übergriffen auf die kleine christliche Minderheit.

Anfang Oktober haben Offiziere der Sudanesischen Streitkräfte (SAF), also der Armee, in Shendi im Bundesstaat River Nile mehr als 70 Christen unter dem Verdacht festgenommen, mit den rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) zusammenzuarbeiten. Darauf macht die sudanesische Menschrechtsorganisation Justice Africa Sudan aufmerksam. Die Christen stammen ursprünglich aus den Nuba-Bergen in Süd-Kordofan und hatten ihre Heimat kurz vorher aufgrund der Kämpfe zwischen SAF und RSF verlassen. Frauen und Minderjährige wurden zwar schnell wieder freigelassen, 16 Männer, darunter ein Priester, seien aber seither in Haft, würden verhört und misshandelt, berichtet die Organisation. 

Auch zu Zwangskonversionen soll es im Sudan immer wieder kommen. So berichtete Mitte Oktober das britische Hilfswerk Christian Solidarity Worldwide (CSW), dass die RSF im Bundesstaat Gezira Christen zum Übertritt zum Islam zwinge.

Mit der Entmachtung von Omar al-Bashir 2019, der dem Land über viele Jahre einen strengen Islamisierungskurs aufgedrückt hatte, standen die Zeichen auf Minderheitenschutz zunächst gut. Die Übergangsregierung unter General al-Burhan lockerte 2020 mehrere drastische Gesetze. Auch das Apostasie-Gesetz wurde abgeschafft, wonach die Abkehr vom muslimischen Glauben mit der Todesstrafe geahndet werden konnte. Zudem wurde verboten, andere des Unglaubens zu bezichtigen – eine Praxis, mit der extremistische Muslime jahrelang Angriffe auf liberale und moderate Muslime sowie auf Christen gerechtfertigt hatten. Den Kirchen wurde in Aussicht gestellt, dass sie gestohlenes Eigentum zurückbekommen und der Bau oder die Renovierung von Kirchen schneller genehmigt werden sollten. 

Angriff auf Anglikanische Kathedrale in Khartum

Doch seit April 2023 herrscht Krieg im Sudan. Die SAF unter General Abdel Fattah al-Burhan und die RSF unter Mohammed Hamdan Daglo liefern sich einen Machtkampf, der zur größten Flüchtlingskrise der Gegenwart geführt hat. Mehr als zehn Millionen Sudanesen, das ist jeder fünfte Einwohner, sind auf der Flucht vor den Kämpfen, 20.000 Menschen wurden getötet und 33.000 verletzt. Die Ernährungssicherheit von 25 Millionen Einwohnern, also der Hälfte der Gesamtbevölkerung, ist bedroht. Fünf Millionen stehen am Rande einer Hungersnot. 

Gleich in den ersten Tagen nach Ausbruch des Krieges wurden kirchliche Gebäude bombardiert, obwohl sie strategisch und militärisch keine Bedeutung hatten. Eines der ersten Ziele der RSF war die Anglikanische Kathedrale in Khartum, in der Menschen Zuflucht vor den Kämpfen gesucht hatten. Die RSF zwangen die Geflüchteten, die Kirche zu verlassen, und beanspruchten das Gebäude für sich. Ähnlich gingen sie gegen eine koptische Kirche in der Nähe von Omdurman vor,  wo sie vier Männer, darunter den Priester der Gemeinde, niederschossen und die Kirchgänger als Ungläubige beleidigten. Doch auch die SAF, die bereits zu Zeiten von al-Bashir wiederholt Kirchen und Christen angegriffen hatten, zerstören oder übernehmen christliches Eigentum, ohne auf die Menschen vor Ort Rücksicht zu nehmen. 

Christen werden mit Waffen aufgefordert, ihre Religion aufzugeben

Minderheiten wie die Christen im Sudan (etwa fünf Prozent der Bevölkerung) stellen in Zeiten von Machtkämpfen besonders leichte Ziele dar. Im Zweifelsfall gibt es niemanden, der sie verteidigen und ihr Eigentum schützen würde. Wie alle anderen leiden sie unter der Gesetzlosigkeit und den Menschenrechtsverletzungen wie Vergewaltigungen, außergerichtlichen Tötungen und Plünderungen. Bei Zwangskonversionen werden aber religiöse Minderheiten gezielt ins Visier genommen. Davon berichtete Justice Africa Sudan bereits im Sommer letzten Jahres. Christen seien mit vorgehaltener Waffe aufgefordert worden, ihre Religion aufzugeben und zum Islam überzutreten.

Offenbar sind noch alte Muster der Diskriminierung von religiösen Minderheiten, wie sie unter Omar al-Bashir üblich waren, sowohl in den Reihen der sudanesischen Streitkräfte als auch bei den RSF präsent. Eine Kriegsstrategie gegen Christen sieht Justice Africa Sudan hingegen nicht. „Wir haben keine Beweise dafür, dass dies eine bewusste Politik der Armeeführung oder der RSF ist“, erklärt Hafiz Ismail, der Direktor der Organisation. Es handele sich vielmehr um „Einzelaktionen, die aus der Stigmatisierung von Christen resultieren“. Die dokumentierten Fälle seien aber alles Verstöße gegen die Genfer Konvention, die religiöse Überzeugungen und Praktiken schützt, und erinnerten an Aktionen in den 1990er Jahren, bei denen sudanesische Christen zum Übertritt gezwungen wurden.  

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