Geingob sagte vor dem Parlament in Windhoek am 19. Mai, das von der EU mit dem südlichen Afrika verhandelte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) würde „schwere wirtschaftliche und politische Folgen“ für sein Land haben und könnte zudem das Ende der südafrikanischen Zollunion SACU bedeuten. An der ablehnenden Haltung seiner Regierung könnten auch das „Mobbing“ und „die altkoloniale Arroganz“ Brüssels nichts ändern, der sich Namibia seit dem vorigen Jahr ausgesetzt sehe, als man schon ein „Interim- EPA“ nicht unterzeichnet habe.
Im März 2009 schienen einige der Bedenken Namibias – wie auch anderer Länder der SACU sowie der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) – ausgeräumt, als beide Seiten in Swakopmund zusätzliche Texte aushandelten, die in das vorläufige EPA aufgenommen werden sollten. Von den fünf SACU-Ländern unterzeichneten daraufhin drei – Botswana, Lesotho und Swasiland – das Abkommen, gefolgt vom SADC-Mitglied Mosambik, während Namibia die Unterschrift weiter verweigerte. Der Grund: Windhoek war sauer, weil die EU-Kommission das Abkommen ohne die in Swakopmund vereinbarten Ergänzungen zur Annahme in die EU-Instanzen eingebracht hatte.
Drei unterschiedliche Zolltarife für eine Region
In der Folge entstanden erhebliche Spannungen zwischen den SACU-Ländern, denn nach einer Anmeldung (Notifizierung) des Interim-EPA bei der Welthandelsorganisation (WTO) wären innerhalb der SACU drei unterschiedliche Zolltarife sowie Regelungen des Außenhandels mit der EU zur Anwendung gekommen: erstens die für die drei Unterzeichner des Interim-EPA, zweitens die für das vor zehn Jahren geschlossene, separate Handels- und Entwicklungsabkommen der EU mit Südafrika und drittens die Regeln für Namibia nach dem Cotonou-Vertrag zwischen der EU und den Ländern Afrikas, der Karibik und der Pazifik-Region. Die sind zwar seit 2008 abgelaufen, bleiben aber solange in Kraft, wie kein anderer WTO-Mitgliedstaat dagegen klagt.
In Swakopmund hatte die EU zugesagt, über eine Angleichung der Zollsätze und Übergangszeiten des Freihandelsvertrags mit Südafrika und eines vollgültigen EPA mit der gesamten Region zu verhandeln. Doch das ist in Brüssel ein Tabu: Das Abkommen senkt Südafrikas Zölle derart stark, dass die EU mittlerweile deutlich mehr Waren in die Kaprepublik ausführt, als sie von dort importiert. Von Südafrika gelangen die EU-Waren jedoch über die Zollunion auch in die anderen SACU-Länder. Namibias Handelsminister Geingob beschuldigte die EU denn auch des „Trittbrettfahrens“, da Namibia mit europäischen Waren überschwemmt werde, „gerade auch mit kräftig subventionierten wie haltbarer Milch, Butter, Schokolade, Reis, Weizen, Wein, Bier und anderen verarbeiteten Agrarprodukte – und das zu Bedingungen, zu denen wir nie etwas zu sagen hatten“.
Nach einer Reihe von SACU-Treffen im Januar und Februar beschlossen die drei Unterzeichnerländer des Interim-EPA deshalb, die formellen Schritte zur Umsetzung des Abkommens vorerst auszusetzen. Von der EU forderten die fünf SACU-Länder im März gemeinsam neue Gespräche über den legalen Status der Swakopmund-Punkte, doch der neue EU-Handelskommissar Karel De Gucht bürstete sie dermaßen ab, dass Geingob dies in seiner Rede im namibischen Parlament als „schlichtweg herablassend“ bezeichnete.
Kritik kommt neuerdings auch aus Südafrika
Auch Südafrikas Präsident Jacob Zuma ist – anders als sein Vorgänger Thabo Mbeki – inzwischen der Ansicht, dass mit dem geplanten EPA die SACU „unzweifelhaft in Frage gestellt“ würde. Bei der Feier zum 100. Jahrestag der Zollunion am 22.April forderte er ein gemeinsames Vorgehen aller Mitglieder, einschließlich der Forderung nach einer Neuverhandlung des EU-Südafrika-Vertrags.
Zuma plädierte außerdem dafür, die in der Kolonialzeit begründete Orientierung der SACU nach Europa zu überdenken: Schon heute habe der Handel zwischen Entwicklungsländern einen Anteil von 37 Prozent am Welthandel. Zuma selbst hatte einen Tag vor dem SACU-Jubiläum ein Abkommen der Zollunion mit dem südamerikanischen MERCOSUR über Zollpräferenzen besiegelt. Die EU hingegen scheitert seit Jahren daran, mit dem größten Wirtschaftsverbund Südamerikas ein Freihandelsvertrag zu schließen.