Nahost-Kirchenrat: Ein halbes Jahrhundert Krise und Ökumene

Gruppenfoto kirchlicher Würdenträger vor dem Eingang zu einem Kloster.
MECC
Nirgendwo sonst trifft man so viele klerikale Würdenträger aller Ränge wie beim Nahost-Kirchenrat - hier nach dem Besuch eines koptischen Klosters im Libanon.
Kirche und Ökumene
Der Middle East Council of Churches (MECC) wird dieses Jahr 50 Jahre alt. Zum Feiern ist aber niemandem in Beirut zumute. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte des regionalen Kirchenverbandes herrscht Krieg direkt vor der Haustür.

Krieg und Krisen sind für den MECC nichts Neues. Nur ein Jahr, nachdem sich evangelische, byzantinisch-orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Kirchen aus dem ganzen Nahen Osten im Jahr 1974 zusammengetan hatten, brach im Libanon, wo der MECC seinen Sitz hat, der Bürgerkrieg aus. 15 Jahre lang kämpften verschiedene Gruppierungen in wechselnden Konstellationen gegeneinander und wurden dabei von Anrainerstaaten kräftig unterstützt. Dass damals auch christliche Milizen wie die Forces Libanaises mitmischten, war nicht hilfreich für die Entwicklung des MECC. 

1990, als der Krieg im Libanon endlich beendet war, wurde auch die katholische Kirchenfamilie Mitglied im MECC. Das machte den Kirchenverband zwar immer noch nicht zu einer starken Stimme, dafür aber zum konfessionell heterogensten Ökumene-Gremium weltweit. In allen anderen Weltregionen geht die katholische Kirche sonst eigene Wege und organisiert sich in Bischofskonferenzen, während andere Kirchen, die ökumenisch zusammenarbeiten wollen, dies in regionalen Kirchenräten tun. 

Ein Spiegel der Geschichte des Christentums

Heute sind im MECC 27 Mitgliedskirchen aus zwölf Ländern vertreten und damit 14 Millionen Christinnen und Christen vom Atlas bis zum Euphrat. Eindrücklich sind MECC-Vollversammlungen, wie zuletzt 2022 in Ägypten. Nirgendwo sonst kann man so viele klerikale Würdenträger aller Ränge treffen. Ein Papst, mehrere Patriarchen und viele Erzbischöfe, Bischöfe und Leitende Geistliche kommen da zusammen. Wie kein anderer regionaler Kirchenrat spiegelt der MECC die gesamte Geschichte des Christentums wider mit all seinen Schismen, Abspaltungen und Reformen. Lange Zeit erschöpfte sich das Engagement des MECC in Hilfsprogrammen für palästinensische Flüchtlinge und einige wenige diakonische Projekte. Kritische Stellungnahmen hingegen zu autoritären Machthabern in der Region wie einst Saddam Hussein im Irak, Vater und Sohn Assad in Syrien, Hosni Mubarak und Abdelfattah As-Sisi in Ägypten hat es von ihm nie gegeben. 

Das lässt sich vor allem mit der Situation als Minderheit erklären. Der christliche Bevölkerungsanteil wird in allen Ländern seit Jahrzehnten kleiner, sei es als Folge von Abwanderung aufgrund von Verfolgung und Perspektivlosigkeit, sei es als Folge einer niedrigen Geburtenrate. So ist im Irak zum Beispiel der Anteil der Christen in den vergangenen 30 Jahren von knapp zehn Prozent auf weniger als ein Prozent gesunken, während sich die Gesamtbevölkerung fast verdreifacht hat. In Syrien und Jordanien sieht es ähnlich aus. Gleichzeitig haben die fundamentalistischen Stimmen im Islam zugenommen. Je lauter sie werden, desto leiser werden die Christen. Da will man es sich nicht auch noch mit den politischen Machthabern verscherzen. 

Die Christen werden weniger

Doch auch interne Entwicklungen haben es dem MECC im Lauf seiner Geschichte manchmal schwer gemacht. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends zogen sich die Geldgeber aus dem Westen aus der Finanzierung zurück. Sie hatten bisher die Kosten für Personal und Büroausstattung des MECC getragen. Nun sollten dies die lokalen Kirchen mit ihren Beiträgen übernehmen und zeigen, dass sie an einer ökumenischen Zusammenarbeit ehrlich interessiert waren. Viele Beobachter sahen das Ende des MECC gekommen. 

Doch dann übernahmen überzeugte Ökumeniker die Chefposten in drei der größten Nahostkirchen. 2011 wurde Bechara Ra’i Oberhaupt der maronitischen Kirche im Libanon, 2012 trat Papst Tawadros II. an die Spitze der koptisch-orthodoxen Kirche in Ägypten, und 2013 wurde Louis Sako Patriarch der chaldäischen Kirche im Irak. Alle drei sehen die Zukunft ihrer Kirche nicht in der Abgrenzung, sondern in der Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, selbst wenn sie von diesen – wie von den Protestanten – theologisch weit entfernt sind. 

Funktionierender Dachverband

Mittlerweile funktioniert der MECC als ökumenischer Dachverband, arbeitet in politischen Fragen eng mit dem Vatikan und dem Ökumenischen Rat der Kirchen zusammen, informiert regelmäßig über die allgemeine Situation in den Krisengebieten des Nahen Ostens aus der Perspektive der christlichen Gemeinschaften vor Ort und setzt ökumenische Nothilfeprogramme auf. Dass er im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eher die Position der letzteren vertritt und mehr auf das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung verweist, darf nicht verwundern: Israelische Kirchen gibt es nicht, auch wenn rund 180.000 Christinnen und Christen in Israel leben. Sie fühlen sich aber dem palästinensischen Volk zugehörig und sind Mitglieder der griechisch-orthodoxen, der katholischen oder der anglikanischen Kirche, die ihre Sitze in Ost-Jerusalem haben. 

Die Zukunft des MECC sieht angesichts der Eskalation im Nahen Osten nicht rosig aus. Bisher hat mit jeder Krise und jedem Krieg die Zahl der Christinnen und Christen weiter abgenommen. Denn je kleiner die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden und eine stabile Wirtschaftslage ist, desto gewichtiger werden die Gründe, sich woanders eine Zukunft aufzubauen. 

 

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