Striktes Einbürgerungsrecht verschärft Demokratiedefizit

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Polizisten bei der Kontrolle am Grenzübergang zwischen Österreich und Deutschland an der Autobahn A8 nahe Salzburg.
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Nur in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Saudi Arabien ist es schwerer, sich einbürgern zu lassen, als in Österreich. Polizisten bei der Kontrolle am Grenzübergang zwischen Österreich und Deutschland an der Autobahn A8 nahe Salzburg.
Österreich
In Österreich sind immer mehr Menschen von Wahlen ausgeschlossen, weil sie die Staatsbürgerschaft nicht haben. Die Einbürgerungsrate ist eine der niedrigsten weltweit. Eine Expertin rät, die Hürden zu senken.

Bei den Nationalratswahlen am 29. September werden rund 19 Prozent der Menschen in Österreich nicht mitstimmen dürfen. In absoluten Zahlen sind das mehr als 1,5 Millionen Menschen im wahlfähigen Alter ab 16 Jahren. Diese teilen sich etwa hälftig in EU-Bürgerinnen und EU-Bürger (9,90 Prozent) und Drittstaatsangehörige (9,58 Prozent) auf, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.

Laut der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat sich die Zahl der ausgeschlossenen Menschen im wahlfähigen Alter seit 1980 fast versiebenfacht. Besonders viele sind in der Bundeshauptstadt Wien ausgeschlossen: ein Drittel der Wohnbevölkerung. Die Politikwissenschafterin Tamara Ehs sieht darin ein großes Problem. „Es rüttelt an der Grundidee von Demokratie, wenn diejenigen, die von den gesellschaftlichen Normen in Form von Gesetzen betroffen sind, nicht mitbestimmen dürfen“, sagt sie. Das schwäche die Legitimation von der Bevölkerung gewählter Politikerinnen und Politiker sowie Parteien. Während Bürgerinnen und Bürger aus EU-Staaten zumindest auf kommunaler Ebene die Bezirksvertretung wählen können, sind Drittstaatsangehörige von Wahlen, Volksabstimmungen und Volksbegehren ganz ausgeschlossen. 

Restriktive Bestimmungen

Für das Wahlrecht braucht es die österreichische Staatsbürgerschaft, die von den Eltern übertragen wird. Die Staatsbürgerschaft kann außerdem beantragen, wer zehn Jahre in Österreich gelebt hat, nicht straffällig geworden ist, einen Deutsch- und Staatsbürgerschaftstest besteht sowie ein ausreichendes Einkommen vorweisen kann. Dieses beläuft sich aktuell für Alleinstehende auf 1217,96 Euro monatlich nach Abzug von Mietkosten, Kreditraten, Versicherungen und Unterhaltsleistungen. Für Familien in einem gemeinsamen Haushalt beträgt die Summe 1921,46 Euro und pro Kind weitere 187,93 Euro netto. In Wien verfehlen derzeit rund 13 Prozent der Drittstaatsangehörigen, die schon länger als zehn Jahre in der Bundeshauptstadt leben, diese Schwellenwerte, so dass für sie die Einbürgerung nicht in Frage kommt.

Österreich zählt in Sachen Staatsbürgerschaft zu den weltweit restriktivsten Ländern, was sich an der Einbürgerungsrate ablesen lässt. Diese betrug vergangenes Jahr 0,7 Prozent aller in Österreich lebenden Personen ohne Staatsbürgerschaft, der EU-Schnitt liegt bei rund 2,6 Prozent. Dem Migrant Integration Policy Index (MIPEX) zufolge ist es unter 56 untersuchten Staaten nur in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Saudi Arabien schwerer, sich einbürgern zu lassen, als in Österreich.

Vor allem jüngere und Menschen mit geringem Einkommen werden Politikwissenschaftlerin Tamara Ehs zufolge ausgeschlossen, etwa junge Menschen in Ausbildung, Arbeiter sowie Frauen, die Teilzeit arbeiten, und Alleinerziehende. Vor allem durch die Zuwanderung von vorwiegend jüngeren Menschen in den letzten Jahren gehe zudem die Schere zwischen dem Durchschnittsalter der Bevölkerung (43 Jahre) und dem Alter der wahlberechtigten Bevölkerung weiter auseinander. „Wahlen werden in Österreich mittlerweile von den Wählerinnen und Wählern über 55 Jahren entschieden“, sagt Ehs. Es stelle sich die Frage, ob in der Politik die Interessen von jungen Menschen oder Menschen mit niedrigem Einkommen ausreichend vertreten seien.

Vor etwas mehr als zwanzig Jahren gab es bereits Vorstöße, das Wahlrecht von der Staatsbürgerschaft zu entkoppeln. 2002 versuchten die Sozialdemokraten (SPÖ) und die Grünen in Wien, neben EU-Bürgern auch Drittstaatsangehörigen das Wahlrecht bei Bezirksvertretungswahlen zu geben, wenn sie seit fünf Jahren durchgehend im entsprechenden Bezirk gemeldet waren. Der Verfassungsgerichtshof stoppte das Vorhaben aber nach einer Beschwerde von ÖVP und FPÖ. Er entschied, eine solche Wahlrechtsänderung sei nur auf Bundesebene durch eine Verfassungsänderung möglich. Die beiden Parteien lehnen eine Entkoppelung von Wahlrecht und Staatsbürgerschaft bis heute ab. Für realistischer hält Politologin Ehs es deshalb, die Hürden für die Einbürgerung zu senken, vor allem die Einkommensvorgaben, und die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft zu erleichtern, die es in Österreich derzeit nur in Ausnahmefällen gibt.

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