Das klingt nicht gerade friedlich: „Angriff ist die beste Verteidigung“ steht auf dem Plakat, mit dem Mädchen und junge Frauen in Liberia zu einem Sommercamp eingeladen werden. Dort lernen sie, wie sie sich gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen können, Erste-Hilfe-Techniken – und klassischen indischen Tanz. Angeboten werden die Kurse im Rahmen der Friedensmission der Vereinten Nationen für Liberia (UNMIL), genauer gesagt: von der ersten rein weiblichen Polizeitruppe, die an einer solchen Mission nach einem Bürgerkrieg mitwirkt. Die rund 130 Polizistinnen kommen aus Indien.
Ihr Einsatz, der 2007 begonnen hat, gilt als Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung der Resolution 1325, die der UN-Sicherheitsrat im Oktober vor zehn Jahren einstimmig verabschiedet hat. Neben der Verfolgung von Kriegsverbrechen an Frauen und ihrem besonderen Schutz in Kriegsgebieten wird darin gefordert, mehr Frauen bei friedensschaffenden Missionen einzusetzen und sie an der Prävention und Lösung von Konflikten sowie am Wiederaufbau zu beteiligen. Die für alle UN-Mitglieder verbindliche Resolution erkennt Frauen eine wichtige Rolle für die internationale Sicherheit zu.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich, vor allem auf Betreiben von Frauenorganisationen aus aller Welt, einiges getan. Die meisten Kommissionen, Organisationen und Programme der UN haben Initiativen gestartet, um die Resolution auf ihren jeweiligen Arbeitsgebieten umzusetzen. Doch es fehlt eine übergreifende Strategie, die diese Anstrengungen bündelt und wirkungsvoller macht. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat im vergangenen August eine auf fünf Jahre angelegte Kampagne ausgerufen, mit der der Anteil der Polizistinnen in UN-Friedensmissionen auf 20 Prozent und der Frauenanteil in den militärischen Kontingenten auf zehn Prozent gesteigert werden soll.
Um die Dringlichkeit seines Aufrufs zu unterstreichen, hat er ihn gerade Anfang Juni wiederholt. Denn bislang sind lediglich 2,3 Prozent der knapp 89.000 UN-Soldaten in 17 Missionen weiblich, bei den rund 13.000 Polizisten sind es immerhin schon 8,2 Prozent. Ziel der Initiative ist es unter anderem, den Schutz von Mädchen und Frauen vor sexuellen Übergriffen in Ländern nach einem Bürgerkrieg zu verbessern. Der Einsatz der indischen Polizistinnen in Liberia zeigt, dass diese Hoffnungen berechtigt sind. Frauen, die während der Kämpfe vergewaltigt wurden, bringen ihnen Vertrauen entgegen und wenden sich lieber an sie als an ihre männlichen Kollegen.
Außerdem dienen die Inderinnen als Vorbilder: Der Frauenanteil bei der liberianischen Polizei steigt, eine Abkehr vom traditionellen Rollenverständnis deutet sich an. Ermutigt von diesem Erfolg überlegen die UN zurzeit, eine Einheit von Polizistinnen aus Bangladesch nach Haiti zu senden, wo die Zahl der Vergewaltigungen in den Lagern, in denen Erdbebenopfer eine Zuflucht gefunden haben, enorm hoch ist.
Angesichts des noch immer geringen Anteil von Frauen an UN-Friedensmissionen sollte jedoch zugleich mehr Wert darauf gelegt werden, ihre männlichen Kollegen für den Schutz und die Not von Frauen in Kriegs- und Nachkriegssituationen zu sensibilisieren. Denn gerade sie haben in den vergangenen Jahren ihre Position oft schamlos ausgenutzt, um Frauen zu nötigen und zu missbrauchen. Auch auf der Ebene der UN-Mitgliedstaaten bleibt noch viel zu tun. Erst 17 von ihnen, darunter mit Chile, der Elfenbeinküste, Liberia, Uganda und Sierra Leone lediglich fünf aus dem Süden, haben einen nationalen Aktionsplan formuliert, um die Resolution 1325 mit Leben zu füllen. Auch besteht im Rahmen des UN-Systems keine Pflicht, über Fortschritte oder Defizite Rechenschaft abzulegen. Damit entfällt ein wesentliches Kontrollinstrument.
Auf lokaler Ebene engagieren sich zahlreiche Frauen für Menschenrechte, Frieden und Versöhnung. Sie treten kriminellen Banden, Drogenkartellen und Paramilitärs entgegen – oft mit Erfolg, aber auch unter Gefahr für Leib und Leben. Auf der internationalen Bühne hingegen sitzen sie nur selten mit am Verhandlungstisch. Auch das muss sich ändern, damit die Resolution 1325 Wirkung entfalten kann. Der zehnjährige „Geburtstag“ des Dokumentes bietet wenig Anlass zu feiern. Aber er ist eine Gelegenheit, die bisherigen Versäumnisse klar zu benennen und die Verpflichtungen der Vereinten Nationen und ihrer Mitglieder erneut einzufordern, die sie mit ihrer Unterschrift unter das Dokument eingegangen sind.