Sorghum ist nach Mais die wichtigste Getreideart in Afrika. Seit Tausenden von Jahren wird die Hirsesorte auf dem Kontinent angebaut, heute vor allem in kleinbäuerlichen Betrieben in Ost-, West- und Zentralafrika. Sie ist nahrhaft und robust und kommt gut mit Hitze und Trockenheit zurecht. Die Afrikaner verarbeiten sie zu einer Vielzahl von Speisen wie Brot oder Porridge und auch zu Getränken mit und ohne Alkohol. Das Problem: Auf dem gesamten Kontinent werden die Anbauflächen immer wieder von Striga heimgesucht, einem parasitären Gewächs, das an die Hirsewurzeln andockt und der Wirtspflanze Wasser und Nährstoffe raubt. Ist ein Feld einmal befallen, kann Striga große Teile der Sorghumernte zerstören.
Der Parasit lässt sich nur schwer bekämpfen, aber Steven Runo glaubt, mit Hilfe von Gentechnik eine Lösung gefunden zu haben. Der Molekularbiologe von der Kenyatta University in Nairobi forscht an einer gentechnisch veränderten Sorghumsorte, die Striga aus eigener Kraft abwehren kann. Einige Wildsorten sind dazu von Natur aus in der Lage und Runo und sein Team haben in Kultursaatgut die entsprechende Mutation mit dem gentechnischen Verfahren CRISPR-Cas9 imitiert. Derzeit wird in Kenia auf dem Feld getestet, ob der Eingriff gelungen ist und die modifizierte Pflanze so wie ihre wilden Verwandten dem Parasiten widersteht.
So wie Runo arbeiten noch andere afrikanische Forscherinnen und Forscher an gentechnisch veränderten Pflanzen, von denen sie hoffen, dass sie vor allem den Millionen Kleinbauern auf dem Kontinent Vorteile bringen. Am Ethiopian Institute of Agricultural Research wird an einer verkleinerten Variante der in Äthiopien weit verbreiteten Getreidesorte Teff geforscht, die nicht so leicht umknicken würde wie bisher angebaute Pflanzen. An der University of Cape Coast in Ghana wird an einer mit Vitamin A angereicherten Süßkartoffel gearbeitet, und Kollegen von Runo an der Kenyatta University wollen eine Maissorte entwickeln, die Trockenheit besser verträgt.
Bei CRISPR wird kein artfremdes Erbgut in die Pflanze eingebaut
Gemeinsam ist diesen Vorhaben, dass sie neue gentechnische Verfahren wie CRISPR anwenden, auch Gen-Schere genannt. Dabei wird gezielt das Erbgut einer Pflanze geändert, um bestimmte Eigenschaften zu verstärken oder auszuschalten. Anders als bei der „alten“ Gentechnik, mit der im vergangenen Vierteljahrhundert etwa Mais-, Baumwoll- oder Sojasorten geschaffen wurden, die resistent gegen natürliche Schädlinge oder gegen Herbizide sind, wird bei CRISPR kein artfremdes Erbgut in die Pflanze eingebaut. Letztlich macht die Gen-Schere etwa in Runos Sorghum nur das, was auch durch natürliche Mutation geschieht oder in der Züchtung bisher durch chemische Behandlung oder Bestrahlung erreicht wurde – nur viel schneller und zielgerichteter. Und da die Technik vergleichsweise einfach und kostengünstig ist, sind Forscher wie Runo überzeugt, dass sie – anders als die alte Gentechnik – auch für die Agrarforschung in Afrika und für kleinere Saatgutbetriebe auf dem Kontinent interessant ist und Pflanzen hervorbringen wird, von denen afrikanische Kleinbauern profitieren.
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Das würde sie von der alten Gentechnik unterscheiden: Deren Produkte spielen in Afrika praktisch keine Rolle, nur wenige Länder wie Südafrika, Kenia, Äthiopien oder Nigeria bauen Mais und Baumwolle aus dem Gentech-Labor auf kleinen Flächen kommerziell an. Großflächig kultiviert werden gentechnisch veränderte Pflanzen – neben Mais und Baumwolle vor allem Soja und Raps – hauptsächlich auf großen Monokulturen in Nord- und Südamerika. Neben den Großgrundbesitzern dort profitieren davon vornehmlich Konzerne wie der Marktführer Monsanto, der seit dem Jahr 2018 zur Bayer AG gehört.
Damit das mit Gen-Schere-Pflanzen anders wird, müssen einige Fehler vermieden werden, sagt Runo. „Bei der alten Gentechnik sind die Firmen mit fertigem Saatgut gekommen und haben den Bauern gesagt: ,Hier, probiert das mal aus.‘ Das hat nicht funktioniert, und das müssen wir dieses Mal anders machen.“ Runo und sein Team wollen Bauern in die derzeit laufenden Feldversuche zu der neuen Sorghumsorte einbeziehen und mit ihnen gemeinsam die Ergebnisse evaluieren. Außerdem müssen politische Entscheidungsträger, die Medien und die Öffentlichkeit gründlich informiert werden, sagt der Forscher. „Die Bauern sind skeptisch gegenüber Gentechnik, das müssen wir korrigieren, und deshalb muss alles transparent sein.“
Die Anwendung der neuen Gentechnik stößt auf Hürden
Das Argument von Kritikern der grünen Gentechnik, Afrikas Bauern hätten drängendere Probleme, die sich mit Gentechnik nicht lösen ließen – unsichere Landtitel, veraltete oder gar keine Agrarmaschinen, das Fehlen von Bewässerung –, weist Runo zurück. „Ja, all das muss angegangen werden, natürlich. Aber wir Forscher müssen trotzdem weiterarbeiten und nicht erst anfangen, wenn alle anderen Probleme gelöst sind.“ Und für Runo ist klar: Die Forschung muss möglichst in Afrika stattfinden.
Werden CRISPR und ähnliche Techniken der afrikanischen Landwirtschaft also in absehbarer Zeit einen Schub geben und die Ernährungssituation auf dem Kontinent deutlich verbessern? Fans frohlocken, die Gen-Schere könnte maßgeblich dazu beitragen, den Hunger in Afrika und anderswo zu bekämpfen. Allerdings wurde das auch schon vor 25 Jahren versprochen, als die ersten Pflanzen der alten Gentechnik zugelassen und kommerziell angebaut wurden. Es spricht einiges dagegen, dass mit der neuen Gentechnik jetzt alles anders wird.
Für Steven Runo ist die größte Barriere die Regulierung. Nur in sechs afrikanischen Staaten gibt es Gesetze für die Zulassung von mit der Gen-Schere bearbeitetem Saatgut: In Burkina Faso, Ghana, Kenia, Malawi und Nigeria wird es wie jedes konventionell gezüchtete Saatgut behandelt, so dass keine gesonderte Prüfung erforderlich ist. In Südafrika hingegen muss es – so wie in der Europäischen Union – das gleiche strenge Prüf- und Zulassungsverfahren durchlaufen wie das alte Gentechnik-Saatgut, bevor es auf den Acker darf. „Unser Sorghum in Südafrika einzuführen, wäre momentan sehr schwierig“, sagt Runo. „Die unterschiedliche Regulierung in Afrika sorgt für Konfusion und behindert die Verbreitung von neuem Saatgut auf dem Kontinent.“
Für Joeva Sean Rock von der University of Cambridge geht das Problem tiefer. Die Ethnologin forscht seit Jahren zu Landwirtschaftspolitik in Afrika und hat ein Buch zur bislang erfolglosen Einführung von Gentechnik-Saatgut in Ghana geschrieben. Rock ist nicht prinzipiell gegen Gentechnik, sie ist aber skeptisch, dass sie den Bauern in Afrika Vorteile bringt. Die größte Hürde für sie ist Geldmangel. „Die öffentliche Agrarforschung in Afrika ist seit vielen Jahren unterfinanziert“, sagt sie. „Statt nationale Institute dort unterstützen die Geber lieber das Netzwerk internationaler Agrarforschungszentren CGIAR.“
Die Folge: Fast alle Gen-Schere-Projekte für Afrika finden in Partnerschaften zwischen afrikanischen und ausländischen Forschern sowie Geldgebern statt – und in vielen Fällen haben letztere die Federführung. So ist für die Forschung an trockenheitstolerantem Mais in Kenia ein Institut für Pflanzenbiologie in Belgien verantwortlich, und die Arbeit an einer verbesserten Teff-Sorte für Äthiopien wird vom US-amerikanischen Donald Danforth Plant Science Centre bezahlt und geleitet, das selbst von etlichen Agrarkonzernen und Gentechnik-Förderern wie der Gates-Stiftung unterstützt wird.
Agrarkonzerne als Partner und Geldgeber
Besonders kritisch findet Rock, dass Agrarunternehmen oft direkt als Partner und Geldgeber beteiligt sind. Ein Beispiel ist der US-amerikanische Saatguthersteller Corteva Agriscience, der aus der Fusion der Konzerne DuPont Pioneer und Dow Agrosiences hervorgegangen ist und in einigen Gen-Schere-Projekten in Afrika mitmischt. In solchen öffentlich-privaten Partnerschaften wird oft auf der Grundlage von geistigem Eigentum der Unternehmen geforscht, die das für die Dauer des Projekts freigeben, so dass öffentliche Einrichtungen kostenlos damit arbeiten können. Der Schweizer Saatgut- und Pflanzenschutzmittelhersteller Syngenta bietet genau das in seinem Programm Shoots an. „Das klingt großzügig, aber wenn dabei etwas herauskommt, das sich vermarkten lässt, muss verhandelt werden, unter welchen Bedingungen“, sagt Rock. „Und für solche Verhandlungen sind die öffentlichen Institute in Afrika meistens schlechter gerüstet als die Konzerne.“
Steven Runo bestätigt, dass afrikanische Regierungen mehr in die Agrarforschung investieren müssen. Ein beträchtlicher Teil seiner Arbeit an Sorghum wird von ausländischen Forschungsinstitutionen finanziert; privates Kapital ist nicht dabei. „Konzerne unterstützen Projekte für Afrika nicht aus kommerziellen Gründen. Das lohnt sich nicht, der Markt ist viel zu klein“, sagt er. Mit Sorghum etwa lasse sich nicht viel Geld verdienen. Das eigne sich gar nicht für die kommerzielle Landwirtschaft.
Tatsächlich verzichten laut einer Untersuchung die privaten Geldgeber in vielen öffentlich-privaten Forschungsprojekten in Ländern des globalen Südens auf die Patentierung möglicher Produkte, die sich vermarkten lassen. Aber patentiert werden nicht nur fertige Pflanzen, sondern bereits bestimmte Eigenschaften sowie die gentechnischen Methoden und Werkzeuge, mit denen sie hergestellt werden. Der Einfluss der Konzerne und der von ihnen geförderten finanzstarken Forschungsinstitute in Europa und Nordamerika reicht also auch bei der neuen Gentechnik schon sehr weit.
Mehr öffentliche Entwicklungshilfe für CRISPR-Projekte?
CRISPR und andere neue Verfahren stehen in Afrika letztlich vor den gleichen strukturellen Problemen wie andere Biotechnologien vor ihnen, sagt Joeva Sean Rock. Und bislang sieht es nicht so aus, als würde im Rahmen laufender Projekte versucht, diese Probleme anzupacken. Der Fokus auf die neuen Technologien könnte sie im Gegenteil sogar verschärfen, etwa das Ungleichgewicht zwischen der mageren Finanzierung staatlicher Agrarforschungsinstitute in Afrika einerseits und der großzügigeren für internationale CGIAR-Zentren andererseits.
Dabei könnte die Arbeit von Forschern wie Steven Runo als Hebel genutzt werden, eine am Gemeinwohl und nicht an Konzernprofiten orientierte Agrarforschung in Afrika zu stärken, sagen Fachleute. Sollten die Geberländer also mehr öffentliche Entwicklungshilfe für solche Projekte geben, um diese potenziell strukturverändernde Wirkung zu unterstützen? Ja, sagt Steven Runo und plädiert dafür, dass sich Forscher wie er eng mit öffentlichen Agenturen wie USAID oder Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) austauschen.
Joeva Sean Rock ist vorsichtiger. „Es geht nicht um Ja oder Nein“, sagt sie. „Hungerbekämpfung und Ernährungssicherung sind komplexe Aufgaben. Die Frage ist deshalb: In welche Gesamtpolitik ist die Finanzierung von Gentechnik-Forschung eingebettet? Wer entscheidet darüber? Nicht immer dürfte Biotechnologie die richtige Wahl sein: In vielen Fällen könnte mehr Geld für konventionelle Züchtung besser sein.“
Angesichts schrumpfender Budgets für Entwicklungszusammenarbeit in vielen Geberländern ist es angebracht, genau hinzuschauen, was mit dem Geld geschieht, statt vorschnell auf den Gentechnik-Zug aufzuspringen. Zumal die Geschichte der Forschung an Striga-resistenten Sorghumvarianten zeigt, dass es keine einfachen Lösungen gibt: Seit den 1950er Jahren wird in Afrika an Saatgut gearbeitet, das dem Parasiten widersteht, ganz ohne Gentechnik. Etliche Sorten sind im Handel. Für die Bauern ist das ein Fortschritt, aber aus der Welt geschafft haben sie das Problem nicht. Das ist deshalb auch nicht von Steven Runos CRISPR-Hirse zu erwarten.
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