Auf den Europäischen Entwicklungstagen Mitte November in Straßburg hat die Europäische Kommission ihre neue Charta zur Unterstützung der Entwicklungszusammenarbeit von Kommunen und Regionen vorgestellt. Netzwerke von Städten und nichtstaatlichen Organisationen aus ganz Europa haben an der Charta mitgearbeitet. Wie die Kooperation von Städten aus verschiedenen EU-Ländern mit einem gemeinsamen Partner im Süden aussehen kann, zeigt das Beispiel der Stadt Kaya in Burkina Faso. Sie ist mit einer deutschen und einer französischen Kommune verbunden.
Mahama Belemviré ist seit 2006 Bürgermeister von Kaya, einer Stadt im Norden von Burkina Faso. Der Sahel-Staat gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Seit 1972 besteht eine Partnerschaft mit Herzogenaurach, eine der ältesten deutsch-afrikanischen Städtepartnerschaften überhaupt. Seit 1976 ist Kaya auch mit dem Ort Châtelleraut in der Region Poitou-Charentes im Westen Frankreichs verbunden. Beide Partnerschaften sind durch persönliche Kontakte zustande gekommen und haben sich mit der Zeit in ihrem Charakter gewandelt. Auf die Idee einer Dreieckskooperation sind die Städte im Laufe ihrer Zusammenarbeit gekommen.
Belemviré gehört zu einer Delegation von Bürgermeistern aus burkinischen Gemeinden mit Partnerstädten in Deutschland und Frankreich, die sich auf Einladung der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt im November in Deutschland aufgehalten haben. „Die Partner im Norden helfen uns bei der Verbesserung der Lebensbedingungen in Kaya“, beschreibt er die Zusammenarbeit. Zu den gemeinsamen Projekten gehört der Bau von Schulen und Rückhaltebecken für Regenwasser, die Sicherung der Trinkwasserversorgung und die Anlage von Schulgärten.
„Ich bin seit 30 Jahren in der Partnerschaft aktiv“, erläutert der Bürgermeister. „Über die materielle Hilfe hinaus sind Freundschaften entstanden. Aber noch wichtiger ist: Wir hatten vorher aus Büchern und Filmen eine andere Vorstellung von Europäern und sie eine andere Idee von uns Afrikanern.“ Bei den ersten Besuchen in Europa waren die Burkiner noch skeptisch gegenüber den Weißen. Doch habe man schnell gelernt, dass die Hautfarbe nichts über den Charakter eines Menschen aussagt. „Aufgrund der Sprachbarriere sind die Beziehungen zu Herzogenaurach aber nicht so eng wie die zu Châtelleraut“, betont er. Persönliche Begegnungen mit Bürgern aus Herzogenaurach finden nur alle fünf bis sechs Jahre statt. Mit Châtelleraut ist der persönliche Austausch häufiger, da französische Kommunen über feste Budgets für internationale Zusammenarbeit verfügen.
Auch für Maryse Lavrard, der zweiten Bürgermeisterin von Châtelleraut, hat sich die Wahrnehmung des Anderen verändert. „Aber wir haben im Norden noch viel Arbeit zu leisten“, betont sie. „Die Menschen hier sind einfach noch zu wenig sensibilisiert, um eine echte Partnerschaft zu leben.“ Deshalb hält sie den kulturellen Austausch für besonders wichtig. Die Partnerstädte planen eine gemeinsame Aufführung von christlichen und muslimischen Chören aus Kaya und Châtelleraut.
Die Franzosen unterstützen Kaya zudem beim Aufbau einer Abfallversorgung und bei der Schulung von städtischen Mitarbeitern. „Die Stadtverwaltung von Châtelleraut profitiert enorm von diesen Projekten“, sagt Jacques Raynaud, Referent für Internationale Beziehungen der französischen Kommune. „Für unsere Mitarbeiter ist ein Projekt in Kaya ein besonders gutes Lernfeld.“
In Herzogenaurach ist trotz der Sprachbarriere die Partnerschaft mit Kaya nach mehr als 30 Jahren in der Bevölkerung gut verankert. „Wir haben uns von der Patenschaft zur Partnerschaft entwickelt“, erläutert die zuständige Referentin Rosa Abel. Zu den festen Aktivitäten gehört der jährliche „Lauf für Kaya“, an dem sich die großen Sportunternehmen Puma und Adidas als Sponsoren beteiligen.
Die Zusammenarbeit von Herzogenaurach und Châtellerault begann mit gemeinsamen Jugendcamps in Kaya Anfang der 1990er Jahre – lange bevor Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und die französische Außenministerin Brigitte Girardin 2006 beschlossen, deutsche und französische Kommunen mit Partnerschaften im frankophonen Afrika zusammenzubringen. Seitdem sind einige gemeinsame Projekte entstanden, zum Beispiel ein Beratungszentrum für Aidskranke: Herzogenaurach hat den Bau und Châtelleraut die Inneneinrichtung finanziert. Ein Internetcafé in Kaya soll die Betriebskosten erwirtschaften.
Angesichts angespannter öffentlicher Haushalte ist es wichtig, dass deutsche und französische Kommunen mit Partnerstädten in Burkina Faso ihre Kräfte bündeln. Bei einem Treffen im November in Ettlingen haben acht burkinische Kommunen und ihre deutschen und französischen Partner ein neues gemeinsames Projekt beschlossen. Eine Machbarkeitsstudie soll zeigen, wie die Wasserver- und -entsorgung in den burkinischen Gemeinden verbessert werden kann. Anschließend wollen die Kommunen europäische Fördergelder beantragen, um die Ergebnisse der Studie zu verwirklichen. Diese aufwändige Prozedur ist nur im Verbund mit mehreren Kommunen zu leisten. Die Europäische Union will mit ihrer neuen Charta über die kommunale Entwicklungszusammenarbeit Städte dazu ermutigen, mehr Nord-Süd-Partnerschaften einzugehen – allerdings unter der Voraussetzung, dass die Städtevertreter demokratisch gewählt sind. Auch mehr kommunale Süd-Süd-Partnerschaften seien wünschenswert.
Claudia Mende