Aufbruchstimmung im christlich-muslimischen Dialog

Der Weltkirchenrat (ÖRK) und der Vatikan sehen Fortschritte in den christlich-islamischen Beziehungen. Beide hatten in den vergangenen Wochen zu Gesprächen eingeladen, nachdem sich im Herbst 2007 Islamgelehrte aus aller Welt mit einem Brief über Fragen der Gemeinsamkeiten an die christlichen Kirchen gewandt hatten (siehe welt-Sichten 5/08). Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) spricht nach einem Spitzentreffen mit Vertretern muslimischer Verbände von einer erweiterten „Reichweite und Qualität“ des Dialogs.

Auf einem Treffen Mitte Oktober bei Genf haben sich rund 50 Kirchenführer und Experten aus allen Konfessionen über den Stand der interreligiösen Gespräche und Initiativen ausgetauscht. Als Themen, die im Zentrum weiterer Gespräche stehen sollten, nannten sie die Menschenrechte, Fragen des Pluralismus und des Säkularismus sowie den Streit um Konversion und die Rolle religiöser Symbole in ideologischen Auseinandersetzungen. Der Abschlussbericht der Konsultation soll Ende des Jahres im Internet zugänglich sein. Zu dem Treffen eingeladen hatten der ÖRK, die Römisch-Katholische Kirche und die Weltweite Evangelische Allianz.

Anfang November folgte im Vatikan das erste Treffen des „Katholisch-Islamischen Forums“. Die jeweils dreißig Vertreter beider Religionen formulierten ein 15-Punkte-Papier über zentrale Ergebnisse der Konferenz. Darin verurteilen sie religiös motivierte Gewalt und rufen zur Respektierung religiöser Symbole, zum Schutz religiöser Minderheiten und zur Achtung der Würde von Mann und Frau auf. Zudem will das Forum eine Kommission einrichten, die bei Konflikten mit religiöser Dimension vermitteln soll. In etwa zwei Jahren wollen die Mitglieder erneut zusammenkommen, dann aber in einem muslimisch geprägten Land. Beim Treffen im Vatikan waren Vertreter der zwei großen islamischen Glaubensrichtungen aus zahlreichen Ländern vertreten, allerdings nicht aus Saudi-Arabien. Zum Streitpunkt Konversion wird in der Erklärung auf eine Stellungnahme verzichtet.

In Berlin kamen Mitte Oktober Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und verschiedener muslimischer Verbände zu ihrem vierten Spitzen­treffen seit 2005 zusammen. Der Dialog nehme „an Reichweite und auch an Qualität zu“, erklärte der EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte im Anschluss. Die muslimischen Vertreter erklärten, für sie gebe es nach wie vor einigen „Klärungsbedarf“ hinsichtlich der EKD-Handreichung „Klarheit und Gute Nachbarschaft“ vom November 2006, die den Kirchengemeinden als Hilfe im interreligiösen Dialog dienen soll. Religionswissenschaftler, islamische Theologen und Verbände werfen der EKD vor, sie zeichne darin ein einseitig kritisches Bild des Islam. Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber hatte sich seinerzeit „überrascht“ gezeigt, dass die Verbände aus Verärgerung sogar den gemeinsamen Dialog kurzfristig aussetzten, um eine „Denkpause“ anzuregen.

Inzwischen, so eine Presseerklärung der EKD, sei seit dem ersten Treffen vor drei Jahren „eine gewisse Ruhe“ in die Gespräche eingekehrt. Axel Ayyub Köhler, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, regte an, die Auseinandersetzung um die Handreichung in einer Neuauflage mittels eines Anhangs oder eines Kommentars aufzugreifen.

Bettina Stang

erschienen in Ausgabe 12 / 2008: Wirkung der Entwicklungshilfe

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