Dispute um Mission und Entwicklung

Eine Öffentlichkeitskampagne unter Federführung des Evangelischen Missionswerkes (EMW) in Hamburg soll in den Gemeinden für ein modernes Verständnis von Mission werben. Das überkommene Bild, das die Missionstätigkeit vor allem im kolonialen Kontext ansiedelt, müsse überwunden werden, heißt es in Texten der Kampagne. Zudem gehören nach Ansicht der Missionswerke Verkündung und Entwicklungszusammenarbeit zusammen. In den kirchlichen Entwicklungswerken stößt diese Verbindung allerdings auf einigen Argwohn.

Die nordelbische Bischöfin Maria Jepsen, der EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte und der EMW-Direktor Christoph Anders haben die Kampagne in Hannover Ende Oktober eröffnet. Flyer, Info-Heftchen und Plakate sollen in den Gemeinden und bei Multiplikatoren über die Kampagne informieren. Auch zwei Materialbände liegen vor – einer enthält Aufsätze und Reportagen zum Thema Mission, der andere Anregungen für Gottesdienste und Bibelarbeiten. Das Motto der auf drei Jahre angelegten Aktion lautet: „Mission. Um Gottes willen – der Welt zuliebe“. Zu den 24 Trägerorganisationen zählen die landeskirchlichen Missionswerke, viele Freikirchen, missionarische Verbände und nicht zuletzt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) selbst.

Der „in den letzten Jahrzehnten gewachsene Prozess der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Kirchen weltweit“ werde im Mittelpunkt der Kampagne stehen, heißt es aus dem beim EMW in Hamburg angesiedelten Projektbüro. Tatsächlich engagieren sich die landeskirchlichen Missionswerke immer stärker auch im entwicklungspolitischen Bereich: Sie beteiligen sich an Kampagnen und stellen eigene Bildungsmaterialien bereit. Für die Projektarbeit vor Ort wurden neue Ziele wie die Bewahrung der Schöpfung und der Schutz der Menschenrechte definiert. In einem Text zur Eröffnung der Kampagne heißt es selbstbewusst: „Die beteiligten Organisationen wollen deutlich machen, dass Entwicklungszusammenarbeit und Verkündigung in der kirchlichen Arbeit zusammengehören.“

Allerdings sehen andere Akteure der kirchlichen Entwicklungsarbeit eine solche Verbindung mit Skepsis. So schließt der Verbund der protestantischen Werke weltweit, ACT Development, Missionswerke von einer Mitgliedschaft ausdrücklich aus. Die Mitglieder von ACT Development seien vielmehr davon überzeugt, dass Entwicklungsarbeit „nicht zur Förderung religiöser Ziele“ eingesetzt werden soll, heißt es auf der Internet-Seite des Dachverbandes.

Die EKD scheint die Arbeit der Missionswerke als Teil der Gemeinschaftsaufgabe „Kirchlicher Entwicklungsdienst“ (KED) zu verstehen. So hat die EKD-Synode auf ihrer jüngsten Sitzung einen historischen Schritt getan: Zum einen hat sie erstmals eine für die Landeskirchen verbindliche Umlage in Höhe von 1,5 Prozent der Kirchensteuermittel für den Kirchlichen Entwicklungsdienst (KED) festgelegt. Zum anderen hat sie es den Kirchen gleichzeitig freigestellt, in diese Umlage auch Ausgaben für die Arbeit der Missionswerke einzurechnen – und zwar in einer Höhe von bis zu 50 Prozent ihrer Leistungen für die Missionswerke.

In den Hilfswerken werden sowohl dieser Beschluss als auch die Unterstützung der Kampagne „mission.de“ durch das Kirchenamt mit einigem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen. Viele Mitarbeitende fragen sich, warum die EKD die Missionswerke darin bestärkt, immer mehr entwicklungspolitische Aufgaben zu übernehmen. Dadurch werde die etablierte Arbeitsteilung von Missions- und Entwicklungswerken verwischt. Außerdem wirke das neue entwicklungspolitische Auftreten der Missionswerke dem einheitlichen Profil entgegen, das der Kirchliche Entwicklungsdienst nicht zuletzt durch die Fusion von Brot für die Welt – als Teil des Diakonischen Werks – und Evangelischem Entwicklungsdienst (EED) in einigen Jahren gewinnen soll.

EMW-Direktor Christoph Anders hat wenig Verständnis für die Aufregung hinter den Kulissen. Der Vorwurf, die Missionswerke strebten eine „Mandatsausweitung“ an, sei nicht zutreffend. Schließlich habe die tätige Nächstenliebe in Verbindung mit der Verkündigung schon immer zum Selbstverständnis missionarischen Handelns gehört. Anders sieht eine große Chance, dass die Kampagne der Missionswerke mit ihrem Werben für die weltweite Missionsarbeit ökumenisches Lernen in die Kirchengemeinden und in die Öffentlichkeit trägt.

Bettina Stang

Link zur Kampagne: www.mission.de

erschienen in Ausgabe 12 / 2008: Wirkung der Entwicklungshilfe

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