Den Krieg gegen die Frauen stoppen

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Iran
Vor anderthalb Jahren hat die Weltöffentlichkeit auf die Frauenproteste im Iran geblickt, dann sind sie schnell in Vergessenheit geraten. Nun schaut der Westen wegen des Krieges im Gaza-Streifen auf den Iran - und jetzt zudem noch wegen des toten Präsidenten Raisi. Doch auch mit einem neuen Präsidenten wird der Iran nicht offener und liberaler werden, kommentiert Melanie Kräuter.

Melanie Kräuter ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Der Iran hat in der Nacht zum 14. April 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert, am Tag vorher hat das Regime in Teheran die Regeln für das Tragen des Kopftuchs, des Hijabs, noch einmal verschärft. So zynisch es klingt: Das haben die Mullahs geschickt eingefädelt. Denn natürlich interessierte sich die internationale Gemeinschaft nach dem Luftangriff kein bisschen für das härtere Vorgehen der Sittenpolizei gegen Frauen, die kein Kopftuch tragen, sondern nur dafür, wie Israel auf die Attacke reagieren würde. 

Tatsächlich blickt die Weltöffentlichkeit seit Beginn des Krieges im Gaza-Streifen wieder verstärkt auf den Iran, allerdings nur aus sicherheitspolitischer Perspektive. Jetzt stellt sich zudem noch die Frage, wer nach dem Tod des Präsidenten Ebrahim Raisi an die Macht kommt. Vor anderthalb Jahren waren schon einmal alle Augen auf die islamische Republik gerichtet – und zwar auf die landesweiten Proteste von Frauen, die im September 2022 vom gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini ausgelöst worden waren. Als das Regime auf Anordnung von Raisi diese Proteste brutal niederschlug, verurteilte der Westen das zwar und verhängte einige Sanktionen, doch dann verschwand die Angelegenheit schnell von der Tagesordnung.

Die Frauen im Iran werden vom Westen vergessen

Heute zeigt sich der Widerstand nicht mehr so stark und in anderen Formen, dennoch geht das Regime, weitgehend ignoriert von der Weltöffentlichkeit, immer härter gegen Frauen vor, die ohne Kopftuch auf die Straße gehen. Es fürchtet wohl, mit der Kontrolle über den Hijab auch die Kontrolle über die Frauen selbst zu verlieren. Deswegen versucht es, mit aller Gewalt die Proteste zu unterdrücken: Menschenrechtler und Journalisten berichten in jüngster Zeit von Frauen, die mit Kameras und Drohnen überwacht und bei angeblichen Regelverstößen von der Sittenpolizei in Minibusse gezerrt werden, deren Autos konfisziert oder Geschäfte geschlossen werden. Tausende sitzen im Gefängnis. Eine iranische Menschenrechtsorganisation untersucht die Morde an mehr als 500 Menschen, die während der ersten Proteste vor anderthalb Jahren umgebracht wurden. Auch eine Fact-Finding-Mission des UN-Menschenrechtsrats hat für diese Zeit zahllose „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ dokumentiert. Die inhaftierte iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi spricht von einem „Krieg gegen Frauen“. Doch während die Frauen im Iran ebenso wie sie unterstützende Männer sowie ethnische und sexuelle Minderheiten für ihre Rechte und ihre Freiheit kämpfen, die sie vor der Islamischen Revolution von 1979 schon einmal hatten, werden sie vom Westen vergessen und im Stich gelassen. Das verstößt nicht nur gegen die Werte, auf die sich westliche Demokratien so gerne berufen, sondern ist auch politisch falsch. 

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Iran als Testfall für die feministische Außenpolitik

Doch was kann der Westen tun? Die Unterstützung der Frauenproteste im Iran könnte ein Testfall für die feministische Außen- und Entwicklungspolitik sein, deren Leitlinien Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze vergangenes Jahr verkündet haben. Viel ist seitdem aber nicht passiert. Das liegt auch daran, dass die schönen Ideen und Werte der feministischen Außenpolitik besonders hart mit der politischen Realität im Iran kollidieren: Wie soll in einem über Jahrzehnte aufgebauten autoritären und zutiefst patriarchalem System Gleichberechtigung gefördert und durchgesetzt werden? Andere Sorgen wie die vor einer iranischen Atombombe und einem regionalen Krieg mit Israel verdrängen die Anliegen der iranischen Frauen. Zudem verfügt der Westen kaum über wirksame Druckmittel: Die Wirtschaftssanktionen treffen die Bevölkerung härter als die herrschenden Mullahs. Und auch wenn viele Oppositionelle den Tod von Raisi gefeiert haben, deutet wenig darauf hin, dass unter einem neuen Präsidenten der Iran offener und liberaler wird.

Auch deshalb sind viele Ansätze der feministischen Außenpolitik – etwa die Gesellschaft und marginalisierte Gruppen stärker als den Staat ins Zentrum des politischen Handelns zu rücken – richtig, nicht nur im Fall Iran. Es ist schwierig, sie in die Tat umzusetzen, dennoch muss es das langfristige Ziel sein, die iranische Zivilgesellschaft, die Frauen und die Opposition zu stärken. Diaspora-Gruppen könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, weil sie gut vernetzt und informiert sind und als Vermittler fungieren können. Auch diplomatische Kanäle müssen offen bleiben. Denn schließt man die Botschaften, kappt man jeden noch so dünnen Gesprächsfaden und erschwert zudem gefährdeten Menschen im Iran die Ausreise. 

Eines ist sicher: Eine Gesellschaft, in der Gleichberechtigung herrscht, ist tendenziell friedlicher und stabiler als eine, in der Frauen unterdrückt werden. Stärkt man also die Frauen im Iran, sorgt das hoffentlich auf lange Sicht für Wandel und Stabilität in der ganzen Region. So schwierig es ist: Feministische Außenpolitik muss über hehre Worte hinausgehen.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2024: Wer hat, dem wird gegeben
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