Ja: Ein Schatz, den es zu heben gilt
Afrika leidet doppelt unter dem Klimawandel: sowohl unter Klimafolgen wie Wetterextremen als auch unter einem Mangel an Infrastruktur, die für Entwicklung und für Anpassung an den Klimawandel nötig ist. Davon sind mit Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei fast drei Viertel der Erwerbsbevölkerung Afrikas stark betroffen. Doch Afrika steht auch für die Hoffnung auf den Abbau von Mineralien, die für die Energiewende entscheidend sind, und auf die Speicherung von Kohlenstoff.
In der Region stehen sich zwei gegensätzliche Visionen gegenüber. Laut Umweltaktivisten liegt die Verantwortung für den Klimawandel bei den reichen Ländern, und Kohlenstoffsenken finanziell in Wert zu setzen, werde die Lage Afrikas nur weiter verschlechtern. Dagegen plädieren Wirtschaftsakteure und politische Führer für einen solchen freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Der kenianische Präsident hat betont, dass es sich um eine „beispiellose wirtschaftliche Goldmine“ handele.
Afrikas Stärke auf dem Kohlenstoffmarkt liegt in seinen Wäldern und seiner Biodiversität, dem Kern zahlreicher Ökosysteme. Sie stellen außergewöhnliche Kohlenstoffsenken dar, die einen noch größeren Teil der jährlichen CO2-Emissionen absorbieren als das Amazonasgebiet. Der Wald im Kongobecken, der zweitgrößte tropische Regenwald der Welt, erstreckt sich über sechs Länder und eine Fläche von 180 Millionen Hektar, das ist fast die Hälfte der Fläche der Europäischen Union – und in seiner Vegetation ist die Entsprechung von zehn Jahren der weltweiten Kohlenstoffemissionen gebunden. Diese Leistung kann mittels Wiederaufforstung, Wiederherstellung von Mangrovenwäldern und mit einer nachhaltigen Landwirtschaft noch gesteigert werden.
Dies ist ein Schatz, wenn man bedenkt, dass 70 Prozent der afrikanischen Bevölkerung noch immer im Dunkeln sitzen. Und die Infrastruktur, die für die Elektrifizierung erforderlich ist, kann mit Einnahmen aus dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt finanziert werden. Von diesen profitiert der afrikanische Kontinent bisher nur sehr wenig: Für das vergangene Jahrzehnt wird sein Anteil an den international verkauften CO2-Gutschriften auf nur 13 Prozent geschätzt. Andere bezeichnende Zahlen: Auf nur drei afrikanische Länder – Kenia, Sambia und Malawi – entfällt die Hälfte der in Afrika geschaffenen CO2-Gutschriften, während 18 Länder noch nie eine ausgegeben haben. Dabei könnten naturbasierte Klima-Lösungen laut Climate Action Platform Africa (CAPA) mit Einnahmen in Höhe von 22 Milliarden US-Dollar pro Jahr das BIP-Wachstum ankurbeln und 66 Millionen Arbeitsplätze über die gesamte Wertschöpfungskette schaffen.
Damit Afrika diese Chancen voll nutzen kann, ist es jedoch zwingend nötig, den freiwilligen Kohlenstoffmarkt fair und transparent zu gestalten. Derzeit sorgen manche Praktiken wegen der Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung für Kontroversen, etwa weil diese oft ohne Entschädigungen zwangsumgesiedelt wird. Es gab mehrere Skandale in Kenia und Tansania, wo die Massai-Bevölkerung im Rahmen von Projekten, die der Ausgabe von Emissionsgutschriften dienten, von ihrem Land vertrieben wurde.
Es muss daher sichergestellt sein, dass die einheimische Bevölkerung von Initiativen zum CO2-Ausgleich profitiert. Diese müssen so gestaltet sein, dass sie den Gemeinden greifbare Vorteile bringen. In Kenia beispielsweise hat das Mikoko-Pamoja-Projekt, dessen Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsgutschriften stammen, den Bau von Schulen, Krankenhäusern und die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ermöglicht. In Burkina Faso hat der Verkauf von UN-zertifizierten Gutschriften ermöglicht, Biogas für saubere Kochmethoden herzustellen und Arbeitsplätzen zu schaffen.
Dieser Ansatz verbessert nicht nur die Lebensbedingungen der Einheimischen, sondern sichert auch die langfristige Nachhaltigkeit von Projekten zur Speicherung oder Vermeidung von CO2. Mit einem ethischen Vorgehen und unter Einbeziehung sozialer und ökologischer Parameter kann der Kontinent eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen und sich gleichzeitig entwickeln.
Nein: Wider die Kommerzialisierung der Klimakrise
Afrika steht an vorderster Front in der Klimakrise, viele afrikanische Gemeinschaften sind besonders schlimm von den Auswirkungen betroffen. Sie haben am wenigsten zur Krise beigetragen, tragen aber die größte Last. Es ist wichtig, dass die Welt sich mit diesen Gemeinschaften solidarisiert. Um ihnen zu helfen, müssen die Verschmutzer ihre Kohlenstoffemissionen deutlich reduzieren. Und die Staats- und Regierungschefs der Welt müssen sicherstellen, dass diejenigen, die am meisten zum Klimawandel beigetragen haben, die dringend benötigte Unterstützung für die am stärksten betroffenen Gemeinschaften bereitstellen.
Absurd ist hingegen, wenn afrikanische Länder im Rahmen freiwilliger Kohlenstoffmärkte ihre territoriale Souveränität über große Landstriche an ausländische Konzerne abgeben, um Emissionszertifikate zu verkaufen. Der derzeitige Ansturm auf die Kohlenstoffmärkte in Afrika bedeutet eine Kommerzialisierung der Klimakrise und der Natur, die es reichen Ländern und Unternehmen ermöglicht, sich ihrer Pflicht zur Reduzierung von Emissionen zu entziehen. Stattdessen wird die Verantwortung von den Verursachern auf die Leidtragenden der Verschmutzung verlagert.
Die afrikanischen Länder brauchen Unterstützung in Form von Technologie und Geld, um kohlenstoffintensive Entwicklungspfade zu vermeiden und widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise zu werden. Gefährliche Ablenkungsmanöver wie Emissionsgutschriften werden Afrika nicht dabei helfen, Klimaresilienz und Entwicklung voranzutreiben. Zwar preisen Befürworter Emissionszertifikate als Geldquelle für die Anpassung an den Klimawandel und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. Doch tatsächlich gehen die meisten Einnahmen aus Kohlenstoffgutschriften nicht etwa an die Bevölkerung, sondern an Projektentwickler, Beratungsunternehmen, die Projekte unterstützen und überprüfen, Finanzunternehmen, die mit Kohlenstoff handeln, und an große Industrien, die dank der Zertifikate weiterhin die Umwelt verschmutzen dürfen.
Diese Kommerzialisierung der Natur und des Klimas steht nicht im Einklang mit den Interessen indigener und lokaler Gemeinschaften oder den Entwicklungsbestrebungen der afrikanischen Länder. Sie schafft falsche Anreize mit nachteiligen sozialen und ökologischen Folgen. Projekte für Kohlenstoffmärkte sind auf möglichst große Mengen von gebundenem CO2 ausgerichtet und nicht auf die Produktion von Nahrungsmitteln oder die Erfüllung anderer Entwicklungsbedürfnisse. Zudem drängt der Hype um die Kohlenstoffmärkte in Afrika wirksamere Lösungen in den Hintergrund, etwa die Regulierung von Industrien, um Emissionen zu reduzieren, und eine rasche Umstellung auf neue Technologien.
Die afrikanischen Staats- und Regierungschefs müssen sich deshalb für echte Lösungen einsetzen, die den Gemeinschaften in ihren Ländern helfen, sich an die Klimakrise anzupassen und Entwicklungsfortschritte zu machen. Sie müssen die Energiearmut auf dem Kontinent bekämpfen, indem sie in erneuerbare Energien investieren, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen und nicht den Kohlenstoffmärkten. Afrika braucht außerdem Investitionen in seine Landwirtschaft, um Ernährungssouveränität zu erlangen. Angesichts des vernachlässigbaren Beitrags Afrikas zur Klimakrise sollte der Kontinent von den Ländern und Unternehmen, die die Krise verursacht haben, Finanzhilfen erhalten – und zwar in Form von Zuschüssen, nicht Krediten, um eine noch höhere Verschuldung zu vermeiden, die bereits durch ein ungerechtes internationales Finanzsystem entstanden ist.
Die reichen Länder können nicht weiter von Emissionskompensationen halluzinieren in einer Welt, die ein noch tragfähiges Niveau der Klimaverschmutzung bereits weit überschritten hat. In Afrika müssen die Regierungen einen neuen Finanzierungsmechanismus nach dem Verursacherprinzip einführen, um für die einheimische Industrie Anreize für eine sauberere Produktion zu schaffen und sie in die Lage zu versetzen, einen Beitrag zu den von Afrika definierten Klimaschutzmaßnahmen zu leisten.
Aus dem Englischen von Tillmann Elliesen.
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