Österreich belegt in den Ranglisten zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals; SDGs) verlässlich einen guten Platz. Im aktuellen Bericht des Sustainable Development Solutions Network (SDSN) liegt Österreich nach Deutschland an fünfter Stelle unter 166 Staaten.
„Österreich schneidet in den Bereichen Armutsbekämpfung und saubere Energie vergleichsweise gut ab“, sagt Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, einem Mitglied der Steuerungsgruppe von SDG Watch Austria. Dennoch dürfe man nicht darüber hinwegsehen, dass hierzulande aktuell mehr als 1,5 Millionen Menschen von Armut oder Ausgrenzung gefährdet seien.
Gute Ergebnisse verzeichnet Österreich auch beim achten Ziel der siebzehn Nachhaltigkeitsziele zu menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum. Dem Bericht der österreichischen Statistikbehörde über die SDG-Indikatoren aus dem Jahr 2021 zufolge wuchs das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2021, nach einem starken Rückgang im COVID-19 Krisenjahr 2020, wieder um real 4,2 Prozent. Der Gender Pay Gap, der angibt, wie viel weniger Frauen insgesamt im Vergleich zu Männern verdienen, sank von 24 Prozent im Jahr 2010 auf rund 19 Prozent 2020, liegt aber im Vergleich mit dem EU-Durchschnitt von 13 Prozent immer noch auf hohem Niveau.
Gute Ausgangsbasis
Die Umweltökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien weist im Gespräch mit „welt-sichten“ darauf hin, dass Länder wie Österreich bereits eine gute Ausgangsbasis bei den SDGs hatten, etwa einen funktionierenden Sozialstaat oder einen hohen Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung. Letzterer ist in Österreich von 2010 bis 2021 von 31 Prozent auf rund 36 Prozent gestiegen und liegt damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von 22 Prozent.
Dennoch habe Österreich vor allem im Bereich Umwelt- und Klimaschutz Aufholbedarf, sagt Stagl. Ein drängendes Problem ist die starke Bodennutzung. Bereits 2002 stand im damaligen Regierungsprogramm, dass nicht mehr als 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 versiegelt werden dürften. Vergangenes Jahr waren es aber immer noch 11 Hektar am Tag, also weit mehr als das selbstgesetzte Ziel. Der Großteil der Flächen wird für Bauvorhaben versiegelt und kann später kaum mehr renaturiert werden. Eine neue Bodenschutzstrategie sollte 2023 beschlossen werden, doch die Regierungsparteien ÖVP und die Grünen konnten sich nicht einigen.
Auch ein neues Klimaschutzgesetz fehlt bis heute. Das alte Gesetz galt bis Ende 2020, seither ringt die Bundesregierung um eine Neufassung. Strittig ist unter anderem die Frage, welcher Sektor wie viele Emissionen einsparen muss. Ob sich die Koalition bis zu den Nationalratswahlen im Herbst 2024 einigen kann, bleibt fraglich. Europas Spitzenreiter ist Österreich weiterhin beim Anteil der Biofläche in der Landwirtschaft: Mehr als ein Viertel der landwirtschaftlichen Flächen werden biologisch bewirtschaftet, der europäische Durchschnitt liegt bei rund zehn Prozent.
Schlechtes Zeugnis für "Spillover-Effekte"
Einen Platz im weltweit hinteren Drittel verzeichnet Österreich hingegen im sogenannten Spillover-Index, der den SGD-Index des Sustainable Development Solutions Networks ergänzt. Er berücksichtigt schädliche sozial- und umweltpolitische Effekte der nationalen Politik auf andere Länder. Denn durch ihre Handelspolitik und Konsumgewohnheiten beeinträchtigen reiche Länder die Bemühungen anderer Länder, die SDGs zu erreichen. Hier schneidet Österreich – wie die meisten anderen Länder des globalen Nordens – schlecht ab und liegt auf Platz 152.
Es sei gut, dass die Bundesregierung auf diesen Befund nun reagiere und in ihrem zweiten freiwilligen Nationalen Umsetzungsbericht an die Vereinten Nationen kommenden Juli darauf eingehen wolle, sagt Lukas Wank von SDG Watch Austria. Helfen würde auch ein strenges nationales Lieferkettengesetz. Umweltökonomin Sigrid Stagl betont, für Österreich sei wichtig, „nicht auf erreichten Ergebnissen und einer guten Ausgangslage zu verharren“.
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