Kaum ein öffentlicher Bediensteter im Jemen hat seit 2016 regulär Lohn bezogen – auch die Lehrer nicht. Der anhaltende Krieg und die Wirtschaftskrise machen das unmöglich. Deshalb haben viele Lehrer den Schuldienst aufgegeben und versuchen, ihre Familien mit anderen Jobs über Wasser zu halten. Die Folge ist, dass es einer ganzen Generation an Bildung mangelt.
Ehrenamtliche Lehrerinnen wie Ismahan in der Provinz Taiz, die ihren vollen Namen nicht nennen möchte, geben sich alle Mühe, die Lücke zu füllen. „Ich selbst habe einen Bachelorabschluss in Mathematik, und ich bin entsetzt, dass unsere Kinder inzwischen nach ein, zwei Stunden von der Schule nach Hause kommen, weil es an Lehrern fehlt.“
Aus diesem Grund haben sie und ihre Freundinnen beschlossen, ehrenamtlich zu unterrichten. Sie tun das mittlerweile seit vier Jahren, und sie stehen mit ihrem Engagement nicht allein. Viele Frauen und Männer unterrichten ohne Gehalt an staatlichen Schulen.
Ohne Bildung kein Frieden
Ismahan ist überzeugt, dass Bildung der Schlüssel auch zum Ende des Kriegs im Jemen ist – eines Bürgerkriegs mit internationaler Beteiligung. „Wenn Kinder und Jugendliche nicht zur Schule gehen können, werden sie als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, schließen sich Kämpfern an oder gehen betteln.“ Ohne Bildung würden die Perspektiven immer düsterer: „Wer eine Ausbildung und Perspektiven für sein zukünftiges Leben hat, setzt auch auf Verhandlungen und Frieden.“
Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef besuchen im Jemen derzeit über zwei Millionen Mädchen und Jungen als Folge von Krieg und Armut keine Schule, obwohl sie im Schulalter sind. Das sind doppelt so viele wie 2015, als der Krieg begann. Zwei Drittel der Lehrkräfte – rund 170.000 Lehrerinnen und Lehrer – haben seitdem laut Unicef kein reguläres Gehalt mehr bekommen.
Der Mangel an Bildung wirkt sich auf die Kinder im Jemen katastrophal aus. Mädchen, die nicht zur Schule gehen, werden oftmals in frühe Ehen gezwungen; Mädchen und Jungen werden häufiger zu ausbeuterischer Kinderarbeit oder auch als Kindersoldaten zur Teilnahme an Kämpfen gezwungen. Über 3600 Kinder wurden laut Unicef innerhalb der ersten sechs Kriegsjahre als Kämpfer rekrutiert.
Ismahan ist ledig und ihr Vater sorgt für sie, so dass es ihr möglich ist, ohne Bezahlung zu unterrichten. Aber ihr ist klar, dass Lehrerinnen und Lehrer, die eine Familie haben, für die sie sorgen müssen, das nicht können. „Diejenigen, die heute noch unterrichten, leisten unter schwierigsten Verhältnissen eine unglaubliche Arbeit“, sagt sie.
Einige humanitäre Organisationen, allen voran Unicef, haben damit begonnen, ehrenamtliche Lehrkräfte mit finanziellen Zuschüssen zu unterstützen und an die Schülerinnen und Schülern Materialien, manchmal auch Essen zu verteilen. An der Schule, an der Ismahan unterrichtet, ist das zwar noch nicht vorgekommen. Aber sie hat von anderen Schulen gehört, die so unterstützt werden und sie ist sich sicher: „Diese Entwicklung wird sich auf die Bildungssituation im Jemen positiv auswirken.“ Auf alle Fälle leiste das Engagement der ehrenamtlichen Lehrerinnen und Lehrer einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die junge Generation im Jemen zumindest ansatzweise Zugang zu Schulbildung bekommt.
Aus dem Englischen von Barbara Erbe.
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