Die CDU-CSU-Bundestagsfraktion hat ihre Grundsätze zur Afrikapolitik in einem 30-Seiten-Papier vorgelegt. Im Zeichen der vom Bundeskanzler ausgerufenen Zeitenwende gehöre auch das Verhältnis zum Nachbarkontinent neu ausgerichtet, sagte Stefan Rouenhoff, Leiter des Arbeitskreises Afrika der Unionsfraktion und Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestags, bei der Vorstellung des Papiers. Entgegen dem vorherrschenden Zerrbild von einer Region der Krisen habe man es in Afrika mit vielen aufstrebenden Ländern im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbruch zu tun. Das gelte es, für zu "attraktive Angebote in beiderseitigem Interesse" zu nutzen. Zu lange und zu stark seien die Beziehungen "einseitig" vom entwicklungspolitischen Diskurs geprägt gewesen; künftig müsse eine wirtschaftliche Betrachtung dominieren.
Damit knüpft die Union an die Legislaturperioden an, in denen Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) die Kooperation mit der Wirtschaft deutlich aufgewertet hatte. Heute falle die Ampelkoalition "in alte Denkmuster der Entwicklungshilfe zurück" und weise der Stärkung des privatwirtschaftlichen Engagements nur noch eine untergeordnete Rolle zu, kritisiert das Papier. Währenddessen gewinne Afrika geoökonomisch an Bedeutung. Daher sei dies "ein Schritt in die falsche Richtung".
Zusammenarbeit zum eigenen Nutzen
Nach der neuen Afrikastrategie von Entwicklungsministerin Svenja Schulze vom Frühjahr 2023 und vor der 2024 zu erwartenden Aktualisierung der Afrikapolitischen Leitlinien aus dem Außenministerium ist die Initiative der CDU/CSU-Fraktion ein Versuch, ihr Profil im Verhältnis zum Nachbarkontinent zu schärfen. Dabei setzt sie zwar auch außen- und sicherheitspolitische Akzente, doch zieht sich das Anliegen der engeren Wirtschaftskooperation wie ein roter Faden durch das Papier. Ganz klar sollen hier frühere Impulse wie der Marshallplan mit Afrika oder die Compact with Africa-Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel fortgeschrieben werden.
Eine stärkere Hinwendung zu Afrika sieht die Union nicht nur wegen des Systemwettbewerbs zwischen Europa und China und der sicherheitspolitischen Zündelei Russlands für geboten, sie sei auch zum eigenen Nutzen. So könne Afrika viel stärker zur europäischen Rohstoffversorgung beitragen und im Gegenzug Ansätze für den Aufbau eigener lokaler Wertschöpfung identifizieren, sagte Rouenhoff. Für Rohstoffprojekte sollten auch Mittel der Global Gateway-Initiative der EU eingesetzt werden. Gemeint sind metallische Rohstoffen, darunter Kobalt, die in wachsenden Mengen für Elektromobilität und die Energiewende nötig sind.
Auch die deutsche Importabhängigkeit bei grünem Wasserstoff will die Union in Afrika lindern, wo die Voraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energien gut seien. Der Kontinent gewinne damit neue Markt- und Exportchancen. Dafür sollten auch die Außenwirtschaftsförderung und Risikoabsicherung für die Gesamtdauer von Projekten deutscher Unternehmen ausgebaut und die Wirtschaftskompetenz in den deutschen Botschaften in Afrika gestärkt werden.
Mehr Entwicklungsgeld für private Vorhaben
Laut dem früheren entwicklungspolitischen Sprecher der Union im Bundestag, Volkmar Klein, geht es im Sahel darum, der Bevölkerung mehr Sicherheit und Perspektiven auf Wohlstand zu verschaffen, damit Alternativen dazu entstehen, sich bewaffneten Banden anzuschließen. Zugleich müssten Gesundheit, Bildung sowie der Ausbau von Rechtstaatlichkeit und wirtschaftlicher Infrastruktur Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bleiben. Auch eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft solle weiter gefördert werden.
Doch fragt die Union auch, ob die EZ so zielführend gewesen sei wie erhofft. Begrenzte Mittel sollten konzentrierter eingesetzt und bei der Armutsbekämpfung „der Privatwirtschaft eine noch viel größere Aufmerksamkeit“ geschenkt werden. So sollten Kredite der KfW-Bankengruppe künftig auch zur Finanzierung von Exportgeschäften dienen und deutsche Unternehmen mehr von Aufträgen in Zusammenhang mit Entwicklungskrediten profitieren, wie dies in anderen Industrieländern der Fall sei.
Ankerstaaten und Regionalorganisationen unterstützen
Sicherheitspolitisch will die Union das Rad nicht zurückdrehen und etwa für erneut mehr Präsenz der Bundeswehr im Sahel plädieren. Stattdessen will sie militärisches Verbindungspersonal aufstocken. Angesichts des "Bogens der Instabilität" von Westafrikas Putschstaaten bis zu Äthiopien sollen "Ankerstaaten" stärker unterstützt werden, die bereit seien, Sicherheitsverantwortung zu übernehmen. Auch die Kooperation mit Regionalbündnissen wie ECOWAS soll intensiviert werden. In dem Zuge, wie Frankreich sein Engagement in Westafrika reduziere, müsse Deutschland die Leerstelle füllen, betonte die CDU-Abgeordnete Katja Leikert vor Journalisten.
Zum heiklen Thema Migrationspolitik äußert sich die Union noch nicht detailliert. Wohl will man gezielte Migration von Fachkräften fördern und afrikanischen Regierungen Rücknahmeverpflichtungen von irregulär nach Europa eingewanderten Staatsangehörigen abringen. Weiter geht hier der Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn: Er plädiert dafür, Flüchtlinge, "die irregulär die EU erreichen", binnen 48 Stunden in sichere Drittstaaten zu verbringen wie Ghana, Ruanda oder osteuropäische Länder außerhalb der EU.
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