Nairobi (epd). Wenn Hala Al-Karib Bilder von den Protesten im Sudan sieht, kommen ihr die Tränen. Das Video zeigt die Aktivistin und Feministin bei einem Marsch, gemeinsam mit hunderten Frauen. „Wir hatten Hoffnung“, sagt Al-Karib. Die Straßen, auf denen sie im Mai 2019 in der sudanesischen Hauptstadt Khartum demonstrierten, sind jetzt zerstört. Seit Mitte April kämpfen die paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) mit der Armee um die Macht in dem nordostafrikanischen Land.
Es sei vor allem eine Kampagne der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, sagt Al-Karib. „Und die Gewalt richtet sich in großen Teilen gegen Frauen.“ Die RSF-Milizen seien in Häuser und die Schlafzimmer von Frauen eingedrungen. Hunderte Frauen und Mädchen seien vergewaltigt worden, sagt die Leiterin der „Strategischen Initiative von Frauen am Horn von Afrika“ (SIHA), einem Netzwerk von rund 100 Frauenorganisationen.
Die gebürtige Sudanesin hat in Kanada und Kenia gelebt, inzwischen wohnt sie in Uganda. 2019 hatte sie mit Tausenden anderen Aktivistinnen und Aktivisten für das Ende des Regimes von Langzeitherrschers Omar al-Baschir gekämpft. Die Armee sorgte für die Absetzung al-Baschirs, bildete gemeinsam mit Vertretern der RSF-Miliz und der Zivilgesellschaft eine Übergangsregierung. Später wandten sich Armee und RSF gegen die Demokratiebewegung. Inzwischen bekämpfen sie sich gegenseitig. Rund sieben Millionen Menschen wurden laut den UN in die Flucht geschlagen.
"Für die meisten Verbrechen sind die RSF-Milizen verantwortlich"
In Kenias Hauptstadt Nairobi hat Al-Karib sich vergangene Woche mit anderen Aktivistinnen getroffen, um die Stimme der Frauen aus dem Sudan weiterzutragen, die innerhalb der Demokratiebewegung eine wichtige Rolle spielen und sich für Frauenrechte im Sudan einsetzen.
„Mehr als alles andere fordern wir ein Ende der Gewalt“, sagt Al-Karib. Für die meisten Verbrechen seien die RSF-Milizen verantwortlich. Die sudanesische Armee tue wenig, um Zivilisten zu schützen. Besonders in der Region Darfur, im Westen des Landes, ist die Armee kaum noch präsent. Immer wieder dringen Berichte über ethnisch motivierte Gräueltaten der RSF und mit ihr verbündeter arabischer Milizen nach außen.
Zur Konferenz angereist war auch Suleima Elkhalifa. Sie arbeitet für die sudanesische Behörde gegen Gewalt gegen Frauen. Als eine Bombe in ihrer Nachbarschaft in Khartum einschlug, floh sie mit den Kindern und ihrer Mutter in den Südosten des Landes. Um nach Nairobi zu kommen, musste sie 40 Stunden bis nach Port Sudan reisen, wo sich der einzige funktionierende Flughafen des Sudan befindet.
Es sei wichtig, über sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe zu sprechen, weil diese oft ein „stilles Verbrechen“ sei, sagt Elkhalifa. Die Überlebenden müssten mit Scham und Stigma kämpfen. Elkalifa und ihr Team dokumentieren die Gewalt, die Frauen vor allem in Darfur angetan wird. „Wir machen uns bereit, vor dem Internationalen Strafgerichtshof auszusagen“, sagt sie. Die Vergewaltigungen seien „ein System, eine Kriegswaffe, ein Kriegsverbrechen“.
Wer Überlebenden helfen will, bringt sich selbst in Gefahr
Dabei gibt es kaum noch Krankenhäuser, in denen Frauen nach einer Vergewaltigung Hilfe und Notfallmedikamente bekommen. Wer Überlebende helfe, bringe sich selbst in Gefahr, berichtet Elkhalifa. Das Land wollen sie und ihre Mitstreiterinnen dennoch nicht verlassen. „Ich fühle mich verantwortlich“, sagt sie. Vor allem in Darfur und Khartum sind nur noch wenige Helferinnen und Unterstützer vor Ort.
Trotz der Gefahren sind es der Aktivistin Al-Karib zufolge vor allem Frauen, die im Sudan an vorderster Front Verbrechen dokumentieren und Hilfe leisten. „Diese Rolle muss anerkannt werden“, fordert sie - auch in den Verhandlungen über die politische Zukunft des Sudan.
Für eine bessere Zukunft ihrer Heimat engagiert sich auch Sawsan Jumaa. Sie stammt aus den Nuba-Bergen und lebte vor ihrer Flucht in der Hauptstadt Khartum. Seit einem Monat hat die Aktivistin in Ugandas Hauptstadt Kampala eine vorübergehende Bleibe gefunden. „Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen und auch junge Menschen in künftigen Verhandlungen eine zentrale Rolle spielen“, sagt Jumaa. „Wir träumen von einem friedlichen Sudan, in dem Raum für Entwicklung ist.“
Diesen Traum nicht aufzugeben, das ist das Ziel der kommenden Wochen und Monate. „Wir sind immer noch hier, gemeinsam“, sagte Al-Karib zu den rund 150 Aktivistinnen beim Treffen in Nairobi. „Lasst uns zusammen stark sein und unseren Kampf weiter kämpfen.“
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