Zwar war immer klar, dass sich daraus keinerlei Verpflichtungen für die EU-Mitglieder ergeben, doch Ungarn bestand darauf, dass die EU-Kommission das noch einmal schriftlich bestätigt. Von Anfang an ging es Ungarn vermutlich gar nicht um das Abkommen selbst, sondern darum, ein Druckmittel für andere Streitigkeiten mit der EU, etwa um gesperrte Fördergelder, zu haben.
Jetzt werden die EU und die AKP-Staaten das sogenannte Post-Cotonou-Abkommen also voraussichtlich im Juni feierlich verabschieden. Aber das interessiert vermutlich ohnehin nur noch eingefleischte Entwicklungspolitiker und Fachleute, die kurz vor der Rente stehen. Denn für die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien – vor allem für die zwischen der EU und den Staaten in Afrika – ist es weitgehend irrelevant. Beide Staatengruppen sind seit Jahrzehnten vertraglich miteinander verbunden.
Grundsätzlich nicht mehr zeitgemäß
Die Ursprünge des Post-Cotonou-Abkommens reichen in die frühen 1970er Jahre zurück. Damals ging es darum, vor allem die Handels- und die Entwicklungspolitik zwischen Europa und seinen früheren Kolonien neu zu regeln. Seitdem wurden die Verträge zwischen der EU der AKP-Gruppe mehrfach erneuert, doch bereits seit einigen Jahren ist das Modell grundsätzlich nicht mehr zeitgemäß: Zum einen ist die AKP-Staatengruppe wirtschaftlich längst nicht mehr so homogen wie vor 50 Jahren; die Beziehungen der EU zu den drei Untergruppen Afrika, Karibik und Pazifik sind viel stärker als früher von unterschiedlichen Interessen geprägt.
Zum anderen wurden die zwei zentralen Bereiche der EU-AKP-Partnerschaft, die Handels- und die Entwicklungspolitik, aus dem gemeinsamen Vertrag ausgeklinkt und werden nun anderswo geregelt: Für die Handelsbeziehungen drängt Brüssel seit Jahren auf sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit einzelnen AKP-Unterregionen; einige sind bereits beschlossen. Der Europäische Entwicklungsfonds wiederum wurde in den regulären Haushalt der EU eingegliedert und hat seinen Status als exklusiver Finanztopf für die AKP-Staaten verloren.
Südafrika tritt aus, Macron äußert Zweifel
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass während der von Ungarn verursachten Hängepartie an hochrangiger Stelle Zweifel an der Zukunft dieses Partnerschaftsformats laut wurden. Südafrika ist Ende des letzten Jahres aus der AKP-Gruppe ausgetreten; andere Foren seien wichtiger für die Beziehungen zu Europa, erklärte die südafrikanische Regierung. Und im Februar antwortete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf die Frage eines Journalisten, ob man Post-Cotonou nicht vergessen könne: Er sehe das auch so, manche Formate seien aus heutiger Sicht „etwas abgegriffen“, so dass man über sie hinausdenken müsse.
Ist das Ende der ungarischen Blockade also völlig irrelevant? Nein, nicht ganz. Denn das Post-Cotonou-Abkommen ist die Rechtsgrundlage für das Engagement der Europäischen Investitionsbank (EIB) in den AKP-Staaten. Und die EIB spielt mit ihrer Förderung von Privatinvestitionen eine wichtige Rolle in der Global-Gateway-Initiative, dem neuen Flaggschiff der Entwicklungspolitik der EU. Mit Global Gateway will Europa dem Vordringen Chinas vor allem in Afrika und Südostasien Paroli bieten. Insofern ist Post-Cotonou dann doch nicht nur Relikt einer überkommenen Vergangenheit, sondern verweist zugleich in die geopolitisch angetriebene Entwicklungspolitik der Zukunft.
Anmerkung der Redaktion, 4. Mai 2023: Das Online-Magazin "Politico" berichtet, dass jetzt Polen die Verabschiedung des Post-Cotonou-Vertrags blockiert. Laut dem Bericht will Polen dem Vertrag erst zustimmen, wenn die EU beschließt, dass Getreideüberschüsse in Europa aufgrund der Importe aus der Ukraine als Lebensmittelhilfen nach Afrika verschifft werden.
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