Bleibt es diesmal friedlich?

Philimon Bulawayo/REUTERS
Anhänger von Präsident Emmerson Mnangagwa von der Regierungspartei ZANU-PF feiern im August 2018 deren Wahlsieg. Schon dieser Urnengang galt als unfair.
Wahlen in Simbabwe
In Simbabwe laufen Wahlen selten ohne Gewalt ab. Auch vor dem Urnengang im August erhöht die Regierungspartei den Druck auf Kritiker und die Opposition. Die Kirchen und Menschenrechtsgruppen versuchen, das Klima durch friedensstiftende Initiativen zu entschärfen.

Am 23. August wird in Simbabwe ein neuer Präsident gewählt, dazu 210 Parlamentssitze und die Gemeinderäte. Erhält kein Präsidentschaftskandidat die absolute Mehrheit, gibt es am 2. Oktober eine Stichwahl. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2018 traten 23 Kandidaten an, 2023 sind es elf. Unter ihnen hat laut Umfragen der amtierende Präsident Emmerson Mnangagwa (80) von der Afrikanischen Nationalunion von Simbabwe – Patriotische Front (ZANU-PF) gute Chancen. Sie ist seit der Unabhängigkeit Simbabwes die dominierende politische Kraft des Landes, hat ihre Basis in der Landbevölkerung und stützt sich weitgehend auf Gewalt und Einschüchterung. 

Emmerson Mnangagwa von der ZANU-PF will Staatschef bleiben.

Der andere Spitzenkandidat ist Nelson Chamisa (45), der 2018 mit 44 Prozent der Stimmen den zweiten Platz belegte. Im Jahr 2020 wurde Chamisa per Gerichtsbeschluss die Führung der damals größten Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) entzogen, so dass er teilweise die Verfügung über das Parteivermögen und staatliche Finanzierungsquellen verlor. Im Jahr 2022 gründete er die Citizens Coalition for Change (CCC), die vor allem in den Städten Anklang findet und zur derzeit wichtigsten Stimme der Opposition geworden ist. Die übrigen neun Kandidaten haben keinerlei Chance auf einen Wahlsieg. In der Nationalversammlung vertreten 210 Abgeordnete die 210 Wahlkreise, hinzu kommen 60 Sitze, die für weibliche Abgeordnete reserviert sind. 

Nelson Chamisa von der Citizens Coalition for Change (CCC) (oben) will den amtierenden Präsidenten Mnangagwa bei den Wahlen im August schlagen und beerben.

Im Jahr 2017 wurde Robert Mugabe, der als Präsident das Land viele Jahre diktatorisch regiert hatte, von seiner Partei ZANU-PF abgesetzt. An den staatlichen Übergriffen gegen Oppositionelle hat sich allerdings seitdem nichts geändert. Die ZANU-PF nutzt als langjährige Regierungspartei nicht nur die Schalthebel der Macht und die staatlichen Ressourcen, sie hat auch die Medien fest im Griff. Tagtäglich setzt sie Armee, Polizei und Geheimdienste ein, um den Oppositionsparteien ihre Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Bewegungsfreiheit zu beschneiden. Gleichzeitig bestreitet sie vehement, schmutzige Tricks und Schikanen gegen ihre politischen Gegner anzuwenden.

Zum umfangreichen Instrumentarium der Wahlmanipulation gehört auch ein chaotisch geführtes Wählerverzeichnis. Es listet nicht nur Verstorbene und frei erfundene Wähler auf, sondern macht auch falsche Angaben zu tatsächlich Wahlberechtigten.

Freilassung von Strafgefangenen als populistischer Schachzug

Die politisch motivierte Gewalt im heutigen Simbabwe wird dadurch verschärft, dass im Mai dieses Jahres 4270 verurteilte Straftäter – ein Viertel aller Gefängnisinsassen – frei gelassen wurden. Begründet wurde die Begnadigung von Strafgefangenen, die drei Viertel ihrer Haftzeit verbüßt hatten, mit einer Entlastung der überfüllten Gefängnisse. In Wahrheit war sie aber ein populistischer Schachzug, der dem Präsidenten Wählerstimmen sichern soll. 

Vor allem aber geht die Gewalt im Umfeld von Wahlen auf das Konto von Politikern, die ihre persönlichen Interessen über die Belange der Öffentlichkeit stellen und sich auf Kosten des Gemeinwohls bereichern. Die Kandidaten versuchen mit allen Mitteln zu gewinnen – und Gewalt zur Einschüchterung ihrer politischen Konkurrenten, deren Familien und Anhänger steht dabei an erster Stelle.

Autor

Vimbai Chaumba Kwashirai

ist Ökonom und Umweltwissenschaftler und hat an mehreren Universitäten in Afrika und Europa gelehrt. Sein jüngstes Buch ist „Election Violence in Zimbabwe. Human Rights, Politics and Power“ (Cambridge University Press 2023).

Auf staatlicher Ebene entfesselt die ZANU-PF immer dann teils verdeckt, teils offen systematische Gewalt und Einschüchterung, wenn sie Gefahr läuft, die Macht an einen Konkurrenten zu verlieren. Das geschah zum Beispiel im Jahr 2008, und wahrscheinlich hätte die ZANU-PF ohne solche Methoden die Macht schon 1990 an die Zimbabwe Unity Movement verloren, ganz sicher aber im Jahr 2000 an die MDC. 

Mit Gewalt verhindert die ZANU-PF zudem, dass sich demokratische Verhältnisse überhaupt entfalten können. Ein Verbot nahezu aller Versammlungen und Kundgebungen sorgt für ein Klima der Angst unter Oppositionellen. Die Regierungspartei missbraucht das Strafrechtssystem für ihre Zwecke und missachtet die Verfassung, die jedem ein Recht auf ein faires Verfahren gibt. Regelmäßig landen Oppositionsführer im Gefängnis, während Mitglieder der ZANU-PF nie belangt werden. Die selektive Anwendung der Gesetze frustriert die Anhänger der Opposition, führt aber auch dazu, dass manche ebenfalls zu brutalen Mitteln greifen. Zwar gibt es auch Gewalt unter den Parteien, insbesondere zwischen MDC und CCC, bei denen es hauptsächlich um das Parteivermögen geht. Doch die ZANU-PF ist und bleibt der Hauptakteur, der die staatlichen Institutionen – das Parlament, die Justiz, den Sicherheitsapparat und die Menschenrechtskommission (die weder Gewaltvorfälle untersucht noch verurteilt) – für ihre Zwecke einspannt.

Frauen wurden T-Shirts mit Aufdrucken der Opposition vom Leib gerissen

Die mit der ZANU-PF verbundenen Eliten sehen dabei keinerlei Grund zur Zurückhaltung oder zum Dialog. Polizei und Armee sorgen seit 1980 mit Gewalt und Einschüchterung dafür, dass die ZANU-PF an der Macht bleibt. Sie erhalten damit den Status quo und ihre eigenen Arbeitsplätze. Die Wählerinnen und Wähler, die seit Jahrzehnten erleben, wie die Milizen der ZANU-PF politische Gegner schikanieren, schlagen, foltern, verstümmeln und töten, leben in ständiger Angst. Bei Nachwahlen im März 2022 wurden Berichten zufolge zwei Anhänger der Opposition ungestraft von Anhängern der ZANU-PF ermordet.

Ebenfalls im vergangenen Jahr kursierte ein Video, in dem zu sehen war, wie Frauen T-Shirts mit Aufdrucken der Opposition vom Leib gerissen wurden. Die politische Gewalt hat auch eine geschlechtsspezifische Dimension – Frauen, die oft schweigend leiden, sind unverhältnismäßig stark betroffen. 

Scharen arbeitsloser Jugendlicher, häufig Schulabbrecher, stehen den Politikern dabei als politische Handlanger zur Verfügung. Für geringe Summen, etwas Bier oder Jobangebote lassen sich diese jungen Männer, seltener auch junge Frauen, zu Pöbeleien, tätlichen Angriffen und Sachbeschädigungen anstiften. Es sind hauptsächlich Frustration und fehlende ökonomische Perspektiven, die sie dazu treiben; sie besitzen kein Land, haben keine Arbeit und kein Auskommen. 

Misshandlungen, Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren, Mord

Ein Video, das im Januar 2023 kursierte, zeigt, wie Anhänger der ZANU-PF im Wahlkreis Murehwa North im Nordosten des Landes ältere Menschen mit Stöcken und Tritten misshandeln, weil sie an einer CCC-Parteiversammlung teilgenommen hatten. Politische Gewalt ist vor allem in ländlichen Regionen, die in den sozialen Medien wenig Beachtung finden, an der Tagesordnung. Die ZANU-PF verbündet sich hier oft mit den traditionellen Dorfvorstehern und Häuptlingen, um die Dorfbewohner einzuschüchtern. Sie droht ihnen mit Vertreibung, Ächtung oder dem Verlust staatlicher Zuteilungen von Lebensmitteln oder landwirtschaftlichen Gütern. Dies hat zur Folge, dass sich in manchen Wahlkreisen kaum jemand traut, für die CCC zu kandidieren. 
Menschenrechtsgruppen werten Bestechung durch Hilfsgüter im Wahlkampf als verdeckte Gewalt. So entsteht eine Mischung aus Intoleranz und Unsicherheit, die jeden freien Wahlkampf und die Thematisierung von Missständen verhindert. Angst, Günstlingswirtschaft und Voreingenommenheit beherrschen das Klima. 

Seit Januar 2023 sind hundert Oppositionelle und Regierungskritiker ohne Gerichtsverfahren inhaftiert worden. Die Anschuldigungen reichten von Gewaltakten bis hin zur ungenehmigten Organisation von Versammlungen und Demonstrationen, die in der Regel durch Tränengas der Polizei aufgelöst wurden. Im Juni wurde der zerstückelte Leichnam von Moreblessing Ali entdeckt, einer CCC-Aktivistin, die zwei Wochen zuvor entführt worden war. Pius Mukandi Jamba, ein bekannter Anhänger der Regierungspartei, hat inzwischen den Mord gestanden und befindet sich in Haft. Bei Alis Beisetzung kam es zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der CCC und der ZANU-PF. 

Am 9. Juli 2022 verhaftete die Polizei 36 Personen, darunter Parere Kunyenzura, den Vorsitzenden der neu gegründeten Zimbabwe Transformative Party, bei einer Gebetsversammlung in Harare. Der Vorwurf lautete, dass er keine polizeiliche Erlaubnis für die Veranstaltung eingeholt habe. Die Mehrheit der Verhafteten wurde nach über drei Monaten Haft wieder freigelassen, doch der Parteichef verbrachte fast 200 Tage ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. Auch Job Sikhala, stellvertretender Vorsitzender der CCC und Parlamentsabgeordneter, befindet sich schon lange unter dem Vorwurf, zur Gewalt aufgestachelt zu haben, im Gefängnis. 

„Lasst uns dafür sorgen, dass es diesmal anders wird“

Unterdessen bemühen sich religiöse Vereinigungen und Menschenrechtsgruppen, das Klima durch friedensstiftende Maßnahmen zu entschärfen. Das Zimbabwe Peace Project, ein breiter Zusammenschluss verschiedener nichtstaatlicher Organisationen und religiöser Gruppierungen, hat Programme aufgelegt, die einen halbwegs friedlichen Verlauf der Wahlen 2023 sicherstellen sollen. Auch die Katholische Bischofskonferenz von Simbabwe fordert nach den Vorfällen im Wahlkreis Murehwa North friedliche Wahlen. „Unsere Nation hat in der Vergangenheit schon so viele schlimme Dinge bei Wahlen erlebt; lasst uns dafür sorgen, dass es diesmal anders wird“, so ihre Botschaft. 

Der Rat der Kirchen von Simbabwe schließt sich dem Friedensappell der Bischofskonferenz an und wendet sich mit einer Friedensbotschaft an alle Parteien. Er ruft die Beteiligten, die Nationale Friedens- und Versöhnungskommission, die Menschenrechtskommission Simbabwes und die Wahlkommission auf, sich für politische Toleranz einzusetzen, politische Gewaltakte zu untersuchen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. 

Die Crisis Coalition of Zimbabwe kritisiert den Machtmissbrauch der ZANU-PF, die zunehmend zusammen mit den staatlichen Sicherheitsorganen die Zivilgesellschaft und die Opposition einschüchtert. Auch die Research Advocacy Unit in Harare registriert einen Anstieg der Menschenrechtsverletzungen, versucht, die Täter aus dem Dunkel zu holen und die Opfer zu schützen. Sie bezweifelt, dass die Wahlen 2023 wirklich fair und frei ablaufen werden und fordert lokale und internationale Beobachter. Selbst Präsident Mnangagwa sah sich mittlerweile veranlasst, gemeinsam mit Religionsvertretern und zivilgesellschaftlichen Organisationen zu einem friedlichen Wahlkampf und zur Respektierung des Wahlergebnisses aufzufordern, auch wenn das eher als taktisches Manöver zu werten ist.

Friedensfördernde Projekte

Das Zimbabwe Peace Project veranstaltet in verschiedenen Regionen des Landes friedensfördernde Projekte, die Konfliktlösungsstrategien propagieren. Vermittler sollen den Einsatz von Gewalt verhindern und friedensstiftend wirken. Auch eine App zur Meldung von Gewaltvorfällen steht bereit. Die Hoffnung ist, damit zumindest etwas die Neigung von Kandidaten zu dämpfen, mit unlauteren Mitteln um öffentliche Ämter zu kämpfen. 

Bisher hat sich die ZANU-PF ihre diktatorische Macht in Simbabwe noch immer durch Gewalt gesichert. Versuche, dies zu ändern, hatten stets nur sehr begrenzten Erfolg, insbesondere auf dem Land. Doch die Menschen in Simbabwe lassen sich nicht entmutigen und hoffen weiterhin auf eine bessere Zukunft mit friedlichen Wahlen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter und mühsamer Weg, der voller Gefahren steckt.

Aus dem Englischen von Thomas Wollermann.

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