Gleich zwei vermeintlich gute Nachrichten hat das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum, WEF) am 27. Juni verkündet: Große Unternehmen wollen gemeinsam Flughäfen in Zentren für saubere Energie verwandeln, lautete die erste. Und die zweite: Sie treiben das Ergrünen der Lieferketten für Rinderprodukte, Papier, Soja und Palmöl voran, das in China verbraucht wird, einem der weltgrößten Nachfrager dafür. Beide Initiativen sind aus dem Jahrestreffen der „New Champions“ hervorgegangen, welches das WEF veranstaltet, dieses Jahr Ende Juni in der chinesischen Hafenstadt Tianjin. Dort, so das WEF ganz unbescheiden, treffen sich „World Leaders“: Vertreter der Wirtschaft und von Regierungen, „Innovatoren“ und, ja, auch Menschen aus der Zivilgesellschaft – wer immer als solche in China auftreten darf.
Beide Initiativen sind entlarvend. Die erste wird getragen von bedeutenden Flughäfen, Herstellern von Flughafenausrüstung oder Flugtreibstoffen sowie von Ingenieurfirmen. Mit anderen Worten: von Großunternehmen, die am unbeschränkten Flugbetrieb verdienen. Da dieser langsam als klimaschädlicher Luxus in Verruf gerät, wollen sie ihn nachhaltig machen. Das heißt sie wollen ermitteln, welche Infrastruktur nötig ist, um Fliegen auf „grüne“ Treibstoffe umzustellen, und aufzeigen, wo die nötigen 300 Großanlagen zur Herstellung solcher Treibstoffe entstehen sollen. Und sie wollen das Kapital für die Umstellung mobilisieren – unter anderem mit „kreativen“ staatlichen Regeln und Politikinstrumenten. Dass sie eigenes Geld einsetzen, sagen sie nicht.
Im WEF entsteht eine neue globale Lobby für Flugverkehr
Hier bildet sich im WEF eine neue globale Lobby. Sie will, dass Regierungen die Vorstellung der Firmen für den Umbau des Flugbetriebs übernehmen und die Mobilisierung der Milliarden dafür unterstützen. Ohne Zweifel heißt das auch: großzügige Subventionen und keine hinderlichen Umweltauflagen bitte. Das wäre Irrsinn. Ein solcher Umbau des Flugbetriebs würde Kapital binden und erst einmal enorm viele Treibhausgase freisetzen – den Unternehmen schwebt ja kaum eine Infrastruktur aus Holz vor. Am Ende würde der Flugbetrieb synthetische und biogene Kraftstoffe sowie Wasserstoff verschlingen, die knapp sind und für den Klimaschutz dringend anderswo gebraucht werden. Hier zeigt sich eine Managerkaste blind für den einzigen und offensichtlichen Weg, Emissionen des Flugverkehrs verlässlich und sofort zu vermindern: weniger fliegen. Stattdessen versprechen sie, mit neuer Technik auf null Emissionen zu kommen, vorausgesetzt, dass die Steuerzahler es mit bezahlen und den Fortbestand ihres Geschäftsmodells sichern.
Die zweite Initiative überzeugt genauso wenig. Beteiligt sind zwei Handelskonzerne für Agrarrohstoffe – Bunge und Cargill –, der Kosmetikkonzern L’Oréal, der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Nestlé und ein chinesisches Milchprodukte-Unternehmen. Sie wollen darauf hinwirken, dass in China verkauftes Rindfleisch, Milchprodukte, Palmöl, Soja und Papier beziehungsweise die Rohstoffe dafür nachhaltig und insbesondere ohne Entwaldung erzeugt werden. China ist einer der größten Abnehmer dieser Güter.
Die Firmen schieben die Verantwortung ab
Und was wollen die Firmen tun? Sie wollen Informationen über Lieferketten austauschen, bei Regierungen ein „günstiges politisches Umfeld“ erwirken und „Partnerschaften“ mit Rohstoffländern „ermutigen“. Und sie wollen Verbraucherinnen und Verbraucher zu „nachhaltigen Konsumentscheidungen“ befähigen. Keine Rede ist davon, dass die Konzerne aufhören könnten, bekannt problematische Rohstoffe zu vertreiben oder zu verarbeiten. Nicht einmal verpflichtende Produktkennzeichnungen erwähnen sie. Im Grunde schieben sie die Verantwortung für von ihrem Geschäftsmodell erzeugte Probleme den Staaten und den Verbraucherinnen zu, in diesem Fall den chinesischen.
In beiden Fällen ist das ökologische Bewusstsein offenbar dem Interesse untergeordnet, das eigene Geschäftsmodell fortzuführen – trotz der zerstörerischen Folgen. Dieses Interesse mag in Grenzen nachvollziehbar sein. Das WEF und eine Reihe Großkonzerne treten jedoch mit dem Anspruch auf, als „global leader“ Lösungen für die großen globalen Probleme zu finden und auf den Weg zu bringen – für das Allgemeinwohl also. Die zwei pompös verkündeten Initiativen entlarven das als überhebliche Pose. Schlimmer noch: Sie zeigen, dass große Teile der globalen Wirtschaftselite das Wesen und die Dringlichkeit der ökologischen Krise noch immer nicht begreifen. Vielleicht liegt das schlicht außerhalb ihres ökonomischen Denkhorizonts. Auf ihre Mitarbeit an einer grünen Transformation zu vertrauen, ist jedenfalls keine gute Idee.
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