Minderheiten unter Druck

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picture alliance / ZUMAPRESS.com/Faisal Bashir
Muslime beten in Srinagar im indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir.
Kirche und Ökumene
In Indien hat sich die Lage religiöser Minderheiten laut einem Bericht des US-Außenministeriums weiter verschlechtert. Nichtstaatliche Organisationen bestätigen den Befund.

2022 hat es laut dem Mitte Mai veröffentlichten Bericht in verschiedenen Bundesstaaten Übergriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten gegeben, darunter Tötungen, Angriffe und Einschüchterungen. So hätten im Bundesstaat Gujarat Polizisten in Zivil vier muslimische Männer ausgepeitscht, die angeblich Hindu-Gläubige während eines Festes verletzt hatten. In Madhya Pradesh seien auf behördliche Anordnung im April 2022 Häuser und Geschäfte von Muslimen zerstört worden. Und in Delhi habe die Polizei Christen, die der Zwangsbekehrung von Hindus beschuldigt wurden, verhaftet sowie Gruppen unterstützt, die christliche Gottesdienste gestört hatten. 

In lokalen Medien stellt die indische Regierung die Seriosität des Berichts aus den USA in Frage. Er beruhe auf bewussten Fehlinformationen und fehlerhaftem Verständnis für die Situation in Indien, heißt es in „The Sunday Guardian“. Gleichzeitig kündigt die indische Regierung aber an, weiterhin „offene Gespräche“ mit der US-Regierung über „besorgniserregende Themen“ führen zu wollen. Im Juni wird Indiens Premier Narendra Modi zu einem Staatsbesuch in den USA erwartet. 

Auf zunehmende Einschränkungen der Religionsfreiheit in Indien weist nicht nur die US-Regierung hin. Auch Human Rights Watch (HRW) kritisiert in seinem Jahresbericht, Indiens Regierung setze „ihre systematische Diskriminierung und Stigmatisierung religiöser und anderer Minderheiten, insbesondere der Muslime, fort“. So sei es im Juni 2022 in mehreren Teilen des Landes zu gewaltsamen Protesten und Brandstiftungen gekommen, nachdem sich zwei Sprecher der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP) im Fernsehen abwertend über den Propheten Mohammed geäußert hatten. 

Kritik an Anti-Konversionsgesetzen

Andere NGOs kritisieren die sogenannten Anti-Konversionsgesetze, die in den letzten Jahren in 13 der insgesamt 29 indischen Bundesstaaten erlassen wurden und Strafen bei Zwangskonversionen vorsehen. Das widerspreche der indischen Verfassung, die allen Bürgerinnen und Bürgern Religionsfreiheit garantiere und damit auch den Religionswechsel erlaube, argumentieren sie. Der Indian American Muslim Council (ein Verband indisch-stämmiger Muslime in den USA) schreibt in einem Bericht von 2021, dass Anschuldigungen der Zwangskonversion, auch wenn der Religionswechsel freiwillig geschehen ist oder gar keine Konversion stattgefunden hat, immer wieder dazu führten, dass Muslime und Christen von der Polizei angegriffen, festgenommen und inhaftiert würden.

Dass der Druck auf religiöse Minderheiten zunehme, bestätigt auch die katholische Kirche in Indien. 2014 seien bei 147 Vorfällen Christen die Zielscheibe gezielter Angriffe gewesen, 2022 schon bei 599 Vorfällen. 2023 seien bereits in den ersten 120 Tagen in 21 indischen Bundesstaaten insgesamt 233 gewaltsame Übergriffe gegen Christen verübt worden. 

Der hindunationalistische Kurs der Regierungspartei BJP wird auch innerhalb Indiens in Frage gestellt. So schrieben 108 ehemalige hochrangige Regierungsbeamte Ende April an Premierminister Narendra Modi, dass die Diskriminierung religiöser Minderheiten, „insbesondere von Muslimen, in Staaten wie Assam, Delhi, Gujarat, Haryana, Karnataka, Madhya Pradesh, Uttar Pradesh und Uttarakhand“ die Verfassung des Landes untergrabe. 

Vier von fünf Indern sind Hindus

Nach der letzten Volkszählung von 2011 sind 80 Prozent der 1,4 Milliarden Inderinnen und Inder Hindus. Muslime machen 14 Prozent aus, Christen gut zwei Prozent und Sikhs knapp zwei Prozent. Hinzu kommen kleinere Minderheiten von Buddhisten, Jains, Zoroastriern (Parsen), Juden und Bahais. Je nach Bundesstaat ist die Religionsverteilung sehr unterschiedlich. So bilden Muslime in Jammu und Kaschmir und in Lakshadweep, einer Gruppe kleiner Inseln nördlich der Malediven, eine Mehrheit 69 beziehungsweise 95 Prozent der Bevölkerung. Christen sind am stärksten sie in den nordöstlichen Bundesstaaten Nagaland (knapp 90 Prozent), Mizoram (87 Prozent) und Meghalaya (75 Prozent) sowie in den Kerala, Tamil Nadu und Goa vertreten.

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