Ein Armutszeugnis für die Entwicklungspolitik

Sicherheitsstrategie
In ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie degradiert die Bundesregierung die Entwicklungspolitik auf ein Instrument der Geopolitik und die zuständige Ministerin schaut dabei zu, kritisiert Tillmann Elliesen.

Tillmann Elliesen ist Redakteur bei "welt-sichten".

Man kann der Bundesregierung nicht vorwerfen, sie ignoriere in ihrer jüngst vorgestellten Nationalen Sicherheitsstrategie nichtmilitärische Faktoren, die Krisen und Kriege befeuern oder gar verursachen können. So nennt das 76-seitige Papier den Klimawandel mehrmals als eine „fundamentale Herausforderung dieses Jahrhunderts“. An anderer Stelle heißt es, Ungleichheit sei „ein zentraler Konflikttreiber“. Immerhin neun Seiten der Strategie befassen sich mit der Notwendigkeit, auf globaler Ebene eine Politik der nachhaltigen Entwicklung voranzutreiben, einschließlich Hungerbekämpfung, Schutz der biologischen Vielfalt und Pandemieprävention. Kurz: Die Bundesregierung räumt Risikofaktoren, die nach einer starken Entwicklungspolitik verlangen, unerwartet und erfreulich viel Raum ein.

Aber zieht sie daraus die richtigen Schlüsse? Nein. Dabei ist das größte Problem noch nicht einmal, dass sie sich nicht erneut dazu bekennt, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im gleichen Maß wie die Verteidigungsausgaben anzuheben. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel das noch zugesagt, und die Nationale Sicherheitsstrategie wäre eine gute Gelegenheit gewesen, diesen Vorsatz zu bekräftigen. Aber derart festlegen will sich die Regierung wohl nicht mehr – nicht zuletzt würde sie damit ihrer eigenen Haushaltsplanung widersprechen: Demnach soll das Budget für Entwicklungszusammenarbeit in den kommenden Jahren sinken, während für die Bundeswehr ein üppiges Sondervermögen eingeplant ist.

Die Entwicklungspolitik wird an strategischen Zielen ausgerichtet

Viel gravierender ist aber, dass die Bundesregierung die Entwicklungspolitik unverblümt für die Geopolitik instrumentalisiert. Ausgangspunkt und roter Faden der Strategie ist die sich verschärfende Systemkonkurrenz zwischen dem Westen und autoritären Staaten, allen voran China und Russland. Das war zu erwarten und dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Allerdings liest sich das Papier über weite Strecken so, als sei an dieser Zeitenwende zum Schlechteren wenig zu ändern und als bleibe dem bedrängten Westen nichts anderes übrig, als sich mit allen Mitteln dagegen zu wappnen. 

Das betrifft auch die Entwicklungspolitik. So wird Deutschland laut der Strategie die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit solchen Staaten vertiefen, „die eine freie internationale Ordnung auf Grundlage der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts unterstützen“. Das ist genau die Sprachregelung, mit der der Westen seit gut einem Jahr Verbündete in Asien, Afrika und Lateinamerika gegen Russlands Angriff auf die Ukraine sucht. Klipp und klar heißt es in dem Papier: „Die Bundesregierung wird ihre Entwicklungspolitik noch stärker an ihren strategischen Zielen ausrichten.“ Dazu gehört dann auch, dass sie mit Blick auf wichtige Rohstoffe einen „Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland“ leisten soll. 

Die Regierung scheint die Idee von kluger EZ aufgegeben zu haben

Eine solche Instrumentalisierung widerspricht einer Entwicklungspolitik, die an erster Stelle Armut bekämpfen und zu einer wirtschaftlich und politisch gerechteren internationalen Ordnung beitragen will. Die Bundesregierung scheint die Idee aufgegeben zu haben – wenn sie sie jemals hatte –, dass eine gut ausgestattete und kluge Entwicklungszusammenarbeit einschließlich ziviler Krisenprävention Werkzeuge sein können, um an einer anderen, friedlicheren Welt zu arbeiten.

Aus dem Entwicklungsministerium heißt es auf Anfrage, man habe sich „intensiv in alle Abstimmungsprozesse zur Nationalen Sicherheitsstrategie eingebracht und die Strategie so maßgeblich mitgestaltet“. Entweder hat Ministerin Svenja Schulze (SPD) nicht mitbekommen, wie die Entwicklungspolitik darin degradiert wird, oder sie trägt es mit. Beides wäre ein Armutszeugnis. 

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