In vielen Weltregionen ist die Bevölkerung von Landminen bedroht. Noch liegen in 60 Ländern Antipersonenminen, wie das IKRK anlässlich des internationalen Tages zur Minenaufklärung über Twitter mitgeteilt hat, drei Viertel der Opfer seien Zivilisten, die Hälfte davon Kinder. Besonders in der Ukraine hat sich die Situation drastisch verschlechtert. Die Organisation Action on Armed Violence AOAV hat im vergangenen Jahr berichtet, die Ukraine sei als Folge des russischen Angriffskrieges das weltweit am stärksten von Minen und Blindgängern betroffene Land der Welt; das verminte Gebiet entspreche mehr als 40 Prozent der Landesfläche. Auch Myanmar, Afghanistan und Syrien stehen oben auf der Liste.
Vor diesem Hintergrund hat die Schweiz Anfang April ihren Aktionsplan zur humanitären Minenräumung 2023-2026 verabschiedet. Darin skizzieren das Departement für auswärtige Angelegenheiten und das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, wie die Schweiz ihr seit über 30 Jahren bestehendes Engagement für die Minenbekämpfung fortsetzen will. Im Vorwort heißt es, die Schweiz entsende „weiterhin spezialisierte Armeeangehörige zur Unterstützung von UNO-Missionen und fördert Projekte in den betroffenen Staaten. Zudem setzt sie sich auf diplomatischer, rechtlicher und praktischer Ebene dafür ein, dass die relevanten Übereinkommen universell umgesetzt werden“.
Die Schweiz unterstützt die humanitäre Minenräumung mit rund 18 Millionen Euro jährlich und gehört damit nach eigenen Angaben zu den fünfzehn größten Geberländern in der Minenräumung weltweit. Etwa die Hälfte dieser Mittel geht an das Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung Genf, das 1998 von der Schweiz gegründet wurde und als führendes Fach- und Wissenszentrum für Minenräumung weltweit gilt. Es unterstützt jährlich 40 betroffene Länder, etwa indem es Behörden in der Gesetzgebung oder der Praxis der Minenräumung berät, Expertise zur Verfügung stellt oder eine Software installiert, die das Zentrum eigens entwickelte und heute weltweit im Einsatz ist. Dabei handelt es sich um ein hochspezialisiertes Computerprogramm, das unter anderem die am stärksten verminten Gebiete erfassen kann. Außerdem beteiligt sich das Zentrum im Rahmen der Nato-Partnerschaft für den Frieden zusammen mit der Schweizer Armee an Ausbildungskursen in der Minenräumung, seit letztem Jahr speziell für ukrainische Fachleute.
Keine Unterstützung für die Stiftung zur Minenräumung
Nicht unterstützt wurde bisher hingegen die Stiftung zur Minenräumung mit Sitz in Genf (Foundation Suisse de Déminage, FSD) – obwohl sie die einzige Organisation in der Schweiz ist, die tatsächlich im großen Stil in den betroffenen Gebieten Minen räumt. Während das UN-Welternährungsprogramm, die USA und auch Deutschland die Arbeit der Stiftung unterstützen, habe die Schweizer Regierung entsprechende Anträge seit der FSD-Gründung vor 25 Jahren immer wieder abgelehnt, sagt Direktor Hansjörg Eberle. „Die Behörden haben sich bisher nicht für unsere Finanzierung zuständig gefühlt.“
Doch das ändert sich gerade, da die Schweiz zunehmend unter Druck gerät, mehr für die Ukraine zu tun. Aus Gründen der Neutralität beharrt sie darauf, keine Waffen zu liefern. Auch wird sie von den G7-Staaten kritisiert, bisher zu wenig Oligarchengelder gesperrt zu haben. Umso mehr will sie sich nun für den Wiederaufbau in der Ukraine einsetzen – und dafür müssen vorher Minen geräumt werden. Die sozialdemokratische SP hat jüngst in einer Motion gefordert, die Schweiz solle über mehrere Jahre verpflichtet werden, insgesamt bis zu 100 Millionen Franken in ein internationales Programm zur Minenräumung in der Ukraine zu investieren. Im neuen Aktionsplan heißt es denn auch, die Schweiz wolle in den nächsten Jahren die humanitäre Minenräumung in der Ukraine ausbauen. Der Umfang hänge von der „Ressourcenlage“ ab.
Von diesem Ausbau profitiert schließlich auch die FSD. „Letztes Jahr hat uns der Bund erstmals Unterstützung angeboten“, sagt Hansjörg Eberle. Die Stiftung ist bereits seit 2015 in der Ukraine aktiv, seit dem Krieg habe sie ihr Personal erheblich aufgestockt und die Einsatzgebiete erweitert, um die Risiken für die Bevölkerung zu vermindern und landwirtschaftliche Flächen von Minen zu befreien. Derzeit verhandelt die Stiftung mit dem Bund über ein Minenräumprojekt in Höhe von 2,5 Millionen Franken im Oblast Charkiw. „Das ist immerhin ein Anfang“, sagt Eberle.
Neue Technologien fördern
Laut Aktionsplan will die Schweiz zudem den Einsatz neuer Technologien fördern, etwa um Kampfmittel effizienter und sicherer zu orten. Eberle begrüßt das: „Bisher sind noch immer Menschen mit Metallsuchgeräten, Hunde oder Maschinen großflächig im Einsatz.“ Künftig könnten etwa Drohnen eine Perspektive bieten, auch die FSD werde dieses Jahr erstmals Drohnen mit Bodensensor testen.
In dem Aktionsplan wird betont, dass sich das Engagement der Schweiz ausschließlich auf die humanitäre Minenräumung beschränke. Damit grenzt sie sich von der militärischen Minenräumung ab, die auf den Schutz der Truppen ausgerichtet wäre. Dieses Engagement ist mit der Schweizer Neutralität vereinbar.
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