Demokratie interessiert die Generäle nicht

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Eine Straßenszene aus Sudans Hauptstadt Khartoum am 18. April. Viele Sudanesen versuchen inzwischen aus der Stadt zu flüchten.
Kämpfe im Sudan
Im Sudan ist der Weg zum demokratischen Übergang vorerst gescheitert. Stattdessen bekämpfen sich die Armee und die Rapid Support Forces mitten in der Hauptstadt Khartum. Die Bevölkerung leidet, humanitäre Hilfe wurde ausgesetzt. Experten warnen vor einem Bürgerkrieg und fordern die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf.

Seit dem 15. April kämpfen in Khartum und anderen Städten des Landes die Armee (SAF) unter Führung von General Abdul Fattah Al-Burhan und die „Rapid Support Forces“ (RSF) unter Mohamed Hamdan Dagalo, genannt „Hemeti“, gegeneinander. Als Auslöser der Kämpfe gilt der schon lange schwelende Machtkampf zwischen dem Armeegeneral und dem RSF-Chef. Denn die RSF sollte in die Armee integriert werden. Dies galt als Voraussetzung für einen neuen Schritt in Richtung Demokratie. 

Im Oktober 2021 hatten die beiden Generäle von Armee und RSF noch gemeinsam eine aus Zivilisten und Militärs zusammengesetzte Übergangregierung aus dem Amt geputscht. Seitdem wurde das Land von dem sogenannten Übergangsrat kontrolliert, an dessen Spitze der Kommandeur der regulären Streitkräfte, General Al-Burhan, steht. Sein Stellvertreter - und nun auch Widersacher - ist der Oberbefehlshaber der RSF-Paramilitärs, Mohamed Dagalo. Im Dezember 2022 unterschrieben dann Al-Burhan und Vertreter des zivilen Bündnisses „Kräfte für Freiheit und Wandel“ eine Vereinbarung, die unter anderem Wahlen in 2024, eine neue Verfassung und eben die Umstrukturierung des Sicherheitsapparates vorsah. Doch bis zuletzt stritten die beiden Generäle Al-Burhan und „Hemeti“ über die konkreten Bedingungen und den Zeitplan für Eingliederung der RSF in die Armee. Offensichtlich wollte keiner der Generäle seine Macht abgeben. Anfang April verstrich dann die Frist zur Einigung.  Marina Peter, Vorsitzende des Sudan- und Südsudan-Forums, kritisiert im Interview mit der „Deutschen Welle“, dass diese Eskalation vorhersehbar gewesen sei, die internationale Gemeinschaft aber nichts dagegen getan habe.  

Humanitäre Hilfe eingestellt

Nun steht vor allem die Bevölkerung zwischen den Fronten. Anwohner berichten, dass sie sich aus Angst vor Angriffen in ihren Wohnungen verstecken und ihnen Trinkwasser und Essensvorräte ausgehen. Es gibt diverse Berichte darüber, dass Zivilisten auf der Straße angeschossen  wurden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit Beginn der Gefechte am 15. April 413 Menschen getötet. Mehr als 3551 Personen wurden verletzt, wie die WHO unter Berufung auf das sudanesische Gesundheitsministerium mitteilte. 20 Krankenhäuser seien wegen der Kämpfe nicht in Betrieb. Das Welternährungsprogramm hat seine Hilfe eingestellt, nachdem drei Mitarbeiter der Organisation getötet wurden.  Auch andere Hilfsorganisationen wie das International Rescue Committee haben vorübergehend ihre Arbeit gestoppt.  

Sudan-Kenner und internationale Organisationen warnen nun vor einem Bürgerkrieg in dem Land am Horn von Afrika. „Die SAF und die RSF wetteifern um die Vorherrschaft in einer neuen sudanesischen politischen Ordnung. Niemand sollte sich einbilden, dass eine der beiden Parteien an Demokratie interessiert ist; beide versuchen, ihre eigene Macht zu erhalten und auszubauen“, heißt es in einem Statement von Suliman Baldo, Direktor des Instituts „Sudan Transparency and Policy Tracker“ (STPT). Die jüngste öffentliche Unterstützung des RSF-Führers Hemeti für die Wiederherstellung eines demokratischen Übergangs und einer zivilen Regierung sei nur ein Lippenbekenntnis gewesen. „Obwohl die Mehrheit der Sudanesen an der Förderung der Demokratie interessiert ist, besteht die reale Gefahr, dass der Kampf zwischen den bewaffneten Gruppen weit verbreitete Zusammenstöße zwischen den Volksgruppen in verschiedenen Regionen auslöst“, warnt Baldo weiter. Vor allem aber geht es um Macht und Geld. Laut sudanesischen Medien kontrolliert Burhans Armee rund 250 wichtige Unternehmen der sudanesischen Wirtschaft. Hemetis Reichtum stammt aus den Goldminen des Landes, und es wird vermutet, dass er von Russland unterstützt wird. 

Während die internationale Gemeinschaft – von US-Außenminister Antony Blinken bis hin zu den Vereinten Nationen – ein Ende der Gewalt fordert, sollte laut STPT auch eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen werden, bei der vor allem der Schutz der Zivilbevölkerung im Mittelpunkt stehen sollte. 

Delegation der Nachbarländer will vermitteln

Die Afrikanische Union verurteilte in ihrem Statement vom 16. April die Kämpfe ebenfalls und forderte eine sofortige Waffenruhe. SAF und RSF sollten umgehend zu einer friedlichen Lösung zurückkehren. Die AU lehnte aber auch jegliche Einmischung von außen ab, die die Lage verkomplizieren könnte. Die Zwischenstaatliche Entwicklungsbehörde (Intergovernmental Authority on Development), ein regionaler Block von acht Nationen, dem auch der Sudan angehört, kündigte an, die Präsidenten von Kenia, Dschibuti und Südsudan zur Vermittlung zu entsenden und Gespräche mit dem sudanesischen De-facto-Führer General Al-Burhan und seinem Rivalen, dem RSF-Führer Dagalo zu führen. 

Dass die Vereinbarung über die Integration der RSF in die Armee geplatzt ist, und sich beide Seiten nun bekämpfen, sehen viele Analysten auch als Folge von Fehlern der internationalen Vermittler. Nach Ansicht der prodemokratischen Gruppen im Sudan hätten die Vermittler aus den USA und der Vereinten Nationen die Herrschaft der Armee legitimiert und es „Männern mit Waffen“ erlaubt, über die demokratische Zukunft des Landes zu verhandeln. „In einem Nachkriegsszenario haben diese beiden Personen keinen Platz in der politischen oder militärischen Zukunft des Sudan“, sagte der sudanesische Anwalt Ahmed T. el-Gaili der Zeitschrift „Foreign Policy“.  

Wichtige arabische Staaten müssen eingebunden werden

Die meisten sudanesischen Analysten sind sich zudem einig, dass die Vereinigten Staaten mit gleichgesinnten Verbündeten sowie mit den Golfmächten zusammenarbeiten müssten. Vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien hätten mehr Einfluss. Hemeti gilt als Verbündeter von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, während Burhan als Verbündeter Ägyptens angesehen wird. Jetzt, wo Situation eskaliert, könnte hochrangige Diplomatie unter Einbeziehung wichtiger arabischer Staaten der einzige Ausweg sein, zitiert Nosmot Gbadamosi in „Foreign Policy “ sudanesische Analysten. 

Auch das STPT fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Schwächen ihres bisherigen Engagements zu beheben. „Die Hauptakteure sollten daraus lernen.“ Sie müssten sicherstellen, dass „Schlüsselfragen wie der Bekämpfung der Korruption und der kleptokratischen Netzwerke, die diese Kämpfe begünstigen, ebenso mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird wie der Umsetzung einer umfassenderen Reform des Sicherheitssektors, um beide Kräfte unter zivile Kontrolle zu bringen.“

Epd/mek/FP

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