Nachhaltigkeit kommt zu kurz

Gas- und Kohlekraftwerk von RWE in den Niederlanden.
picture alliance / Jochen Tack
Gas- und Kohlekraftwerk von RWE in den Niederlanden. Das Land Nordrhein-Westfalen ist an dem Energiekonzern beteiligt und müsste darauf achten, dass bei seinen Geschäften im Ausland auf Menschenrechte und Umweltschutz geachtet wird.
Außenwirtschaftsförderung
Die Bundesländer fördern genauso wie die Bundesregierung die Auslandsgeschäfte von Unternehmen. Soziale und ökologische Standards spielen dabei bislang kaum eine Rolle – und kritische Fragen werden dazu selten gestellt.

Nicht nur der Bund, auch die Bundesländer fördern die Geschäfte von Unternehmen im Ausland. Multinationale Konzerne, aber auch viele kleine und mittelständische Unternehmen sind heute global aufgestellt und suchen in der ganzen Welt nach neuen Märkten und Zulieferern. Dabei unterstützen Landesregierungen sie mit Förderprogrammen. Außerdem sind Bundesländer und Kommunen an Unternehmen beteiligt, etwa an Energieversorgern wie RWE und EnBW, die auch außerhalb Deutschlands und Europas tätig sind. Aber wie steht es um Sozialstandards und Menschenrechte bei der Förderung von Geschäften jenseits der Grenzen?

Im Unterschied zur Außenwirtschaftsförderung des Bundes steht die der Bundesländer bisher noch nicht im Fokus des Interesses der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft. Das mag auch daran liegen, dass die föderalen Strukturen teilweise unübersichtlich sind.
Klar ist, dass auch für die Bundesländer die Empfehlungen der UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte gelten. Sie sollen sicherstellen, dass Unternehmen, die mit staatlichen Geldern gefördert werden oder sich in Landesbesitz befinden, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten erfüllen.

Die UN-Leitprinzipien gelten auch für die Bundesländer

Der UN-Menschenrechtsrat hat die UN-Leitprinzipien 2011 einstimmig angenommen. Sie nennen die Außenwirtschaftsförderung ausdrücklich als einen Bereich, in dem der Staat sich darum kümmern muss, seiner Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen. Diese Forderung hat die Bundesregierung Ende 2016 in den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte übernommen und sie gilt für alle staatlichen Ebenen in Deutschland. 

Der Bund vergibt allein rund 23 Milliarden Euro jährlich für sogenannte Hermesbürgschaften. Hier tritt der Staat als Garant auf, um Investitionen im Ausland abzusichern, etwa wenn ein Kunde nicht zahlt. Das Geld wird nur im Schadensfall ausgegeben. Bei den Ausgaben der Bundesländer zur Wirtschaftsförderung im Ausland handelt es sich dagegen um Zuschüsse. Die Beträge sind deutlich kleiner und variieren stark je nach Bundesland, auch die Art der Programme ist unterschiedlich. 

Berlin zum Beispiel gibt jedes Jahr rund fünf Millionen Euro für Messebesuche und Markterschließung im Ausland aus. In Nordrhein-Westfalen waren es bereits 2013 schon mehr als 40 Millionen Euro. Bayern unterhält 33 Auslandsbüros von Äthiopien bis China, die die bayerische Wirtschaft beim Export und der Produktion im Ausland unterstützen sollen. Gefördert werden auch Vorhaben in Ländern mit einer problematischen Menschenrechtslage. Die Förderlandschaft ist zersplittert; kaum jemand in der Zivilgesellschaft hat einen umfassenden Einblick.

Es geht um Wachstum und Arbeitsplätze

„Wir erwarten auch von den Bundesländern, dass sie die Vergabe von Geldern an die Einhaltung von menschenrechtlichen und ökologischen Kriterien binden,“ sagt Tina Haupt, Promotorin für faires und zukunftsfähiges Wirtschaften bei der Organisation WEED in Berlin. Im Land Berlin interessiere sich die Senatsverwaltung zwar für das Thema, aber es gebe keine konkreten Pläne, wie sich Standards verbindlich durchsetzen lassen.
Bemühungen in diese Richtung stehen noch am Anfang. Auf den Webseiten der Bundesländer zur Außenwirtschaftsförderung geht es in erster Linie darum, Wachstumsmärkte zu erschließen, um Wettbewerbsfähigkeit und um Arbeitsplätze; die Nachhaltigkeit kommt allenfalls am Rande vor. Die UN-Entwicklungsziele (SDGs) sucht man hier vergeblich als Rahmen oder Maßstab.

Einige Bundesländer, Schleswig-Holstein etwa, wollen jetzt immerhin sogenannte Helpdesks für Wirtschaft und Menschenrechte einrichten, die insbesondere kleine und junge Unternehmen bei der Entwicklung eines Corporate-Responsibility-Konzepts unterstützen sollen. Baden-Württemberg informiert in seinem Projekt „global verantwortlich BW – Lieferketten nachhaltig gestalten“ mittelständische Unternehmen, „die ein nachhaltiges Wertschöpfungs- und Lieferkettenmanagement“ anstreben. Andere wie Nordrhein-Westfalen unterstützen Firmen mit Zentren für Corporate Social Responsibility. Nur Bremen stellt in seinen Empfehlungen zur nachhaltigen Unternehmensführung einen ausdrücklichen Bezug zu den SDGs  her. Bei all diesen Bemühungen handelt es sich um freiwillige Anreize für Unternehmen. 

Tina Haupt von WEED kritisiert, die Außenwirtschaftsförderung der Bundesländer sei nicht ausreichend transparent. Die Prüf- und Vergabekriterien seien nicht klar. Offensichtlich stelle hier aber auch niemand kritische Fragen. Auch die Eine-Welt-Landesnetzwerke arbeiten noch nicht zu diesem Thema, „obwohl es wichtig wäre“, wie Maria Tech sagt, Fachpromotorin für Fairen Handel und nachhaltige Beschaffung in Hessen. Zwar befassen sich diese Landesnetzwerke in zahlreichen Projekten mit dem öffentlichen Einkauf nach sozialen und ökologischen Kriterien, nicht aber mit der Außenwirtschaftsförderung der Bundesländer. Hier gibt es noch dicke Bretter zu bohren. 
 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2023: In der Stadt zu Hause
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