Entwicklungspolitik nach Corona

Österreich
Die Pandemie ist für beendet erklärt. Das nimmt auch die Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) zum Anlass, in ihrem Jahresbericht 2022 Bilanz zu ziehen.

Die Ende Januar präsentierte Broschüre trägt den Titel „A Just Post-Covid-19 World – Cooperative Policies at a Global Level”. Sie analysiert die österreichische Entwicklungshilfe (ODA) von 2016 bis 2021 und stellt fest, dass die Leistungen in diesem Zeitraum stagniert haben, vor allem im bilateralen Bereich. Österreichs ODA-Quote, also die Leistungen als Anteil des Bruttosozialeinkommens, lag im Jahr 2021 bei 0,31 Prozent. Damit ist Wien weit vom angestrebten 0,7-Prozent-Ziel entfernt und liegt auch deutlich unter dem EU-Schnitt von 0,5 Prozent.

Seit 1985 gibt die ÖFSE regelmäßig ihre Analyse zur österreichischen Entwicklungspolitik heraus. Sie listet nicht einfach offizielle Statistiken auf, sondern will zu einer differenzierten entwicklungspolitischen Diskussion beitragen. Im ersten Teil wird ein aktuelles Schwerpunktthema der internationalen Debatte aus unterschiedlichen Perspektiven erörtert. In diesem Jahr sind das globale entwicklungspolitische Perspektiven nach der Pandemie. Der zweite Teil analysiert und kommentiert die Finanzflüsse Österreichs an Entwicklungsländer. Der abschließende dritte Teil besteht aus einer Chronik, die einen Überblick über wichtige entwicklungspolitische Ereignisse des jeweiligen Jahres liefert.

Die jüngste Ausgabe der Publikation schließt mit ihrem Schwerpunktthema an den Bericht des Vorjahres an, der sich mit den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf den globalen Süden beschäftigt hat. Aufbauend auf diesen Analysen, die unter anderem steigende Verarmung und Ungleichheit in vielen Ländern sowie eine zunehmende Verschuldung vieler Staaten aufgezeigt hatten, diskutieren in der aktuellen Ausgabe unterschiedliche Autorinnen und Autoren die Lehren aus den Krisen und skizzieren Reformmöglichkeiten. So ruft Claudia Wild, die Leiterin des Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) in ihrem Beitrag dazu auf, neue Impfstoffe von Anfang an für Länder im globalen Süden zugänglich zu machen. Staaten sollten nicht länger riskante pharmazeutische Forschungen mit öffentlichen Geldern finanzieren, um dann die Gewinne den privaten Konzernen zu überlassen. Die Herstellung preisgünstiger Generika sollte forciert werden.

Ein in Österreich traditionell wichtiger Posten in der ODA-Statistik sind die sogenannten indirekten Studienplatzkosten, also errechnete Kosten des Staates für Studierende aus Entwicklungsländern. Dazu kommen noch die Ausgaben für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Österreich im ersten Jahr der Betreuung. Das waren 2016 noch über eine halbe Milliarde Euro, zuletzt nur noch knapp über 50 Millionen. Als Folge der vom Krieg in der Ukraine ausgelösten Fluchtbewegungen steigen die ODA-anrechenbaren Leistungen für Flüchtlinge allerdings wieder.

Johanna Mang, die kürzlich pensionierte Geschäftsführerin der Organisation Licht für die Welt, beklagt einerseits, dass die Spendenbereitschaft für die Arbeit entwicklungspolitischer Organisationen seit Beginn des Ukraine-Kriegs gesunken sei. Vorläufige Schätzungen gehen von einem Rückgang um etwa fünf Prozent aus. Zugleich diagnostiziert sie einen „Entwicklungsnotstand“ in Österreich weil die Politik der einzelnen Ministerien die notwendige entwicklungspolitische Kohärenz vermissen ließen. Die Entwicklungszusammenarbeit stehe „derzeit wirklich im Schatten des politischen Diskurses der Migrationspolitik“. Zu oft würden Gelder mit dem Hintergedanken der Migrationsvermeidung vergeben. Mang: „Da sehe ich einen unglaublichen Abwärtstrend, dem leider sehr viele der Parteien Folge leisten."
 

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