Die Ernährungssicherung hat im vergangenen Jahr wegen des starken Anstiegs der Nahrungsmittelpreise die deutsche G7-Präsidentschaft geprägt. Kurz vor dem Stabwechsel an Japan hat die Bundesregierung angekündigt, sie wolle sich auch im neuen Jahr weiter intensiv in dem Bündnis für Globale Ernährungssicherheit (GAFS) engagieren. Diese Allianz wurde als Flaggschiff des deutschen G7-Vorsitzes lanciert, bleibt in weiten Teilen aber unvollendet.
Während des fünften und letzten Treffens der GAFS-Steuerungsgruppe unter deutscher G7-Präsidentschaft mit mehr als 80 hochrangigen Teilnehmenden Mitte Dezember 2022 „wurde nochmals der große und weiterhin bestehende Bedarf für Koordination und Austausch deutlich“, berichten der Leiter des Landwirtschaftsreferats im Entwicklungsministerium (BMZ), Sebastian Lesch, und der BMZ-Abteilungsleiter für Globale Gesundheit, Wirtschaft, Handel und ländliche Entwicklung, Dirk Meyer, in einem Beitrag zur Website der Sonderinitiative „Welt ohne Hunger 2030“ .
Eine bessere Koordinierung ist ein Kernziel des Bündnisses – sowohl von kurzfristiger Krisenhilfe als auch der mittelfristigen Stärkung anfälliger Ernährungssysteme in armen Ländern, etwa gegen Preisschocks wie zuletzt als Folge des Angriffs auf die Ukraine. Doch zivilgesellschaftliche Organisationen haben schon in der Vergangenheit kritisiert, dass zwischen Zusagen der G7 und der Praxis häufig eine große Lücke klaffe. So ist weiter unklar, wer außer den USA und Deutschlands in welcher Höhe zum Versprechen von 4,5 Milliarden US-Dollar zusätzlich für globale Ernährungssicherheit beiträgt, das zu dem GAFS-Maßnahmenpaket vom Juni 2022 gehört. Washington hat 2,8 Milliarden Dollar zugesagt, Berlin gut 900 Millionen.
Kritiker: Dashboard liefert keine neuen Erkenntnisse
Und ebenso wenig scheint das neue Instrument zur Krisenreaktion die Erwartungen zu erfüllen, das die GAFS und die Weltbank Mitte November gemeinsam vorgestellt haben: das Global Food and Nutrition Security Dashboard. Es soll laut BMZ „qualitativ hochwertige, zeitnah und transparent aufgearbeitete Daten über Ernährungsunsicherheiten an einem zentralen Ort“ zusammenführen und fortlaufend aktualisiert zeigen, welche Länder wieviel finanzielle Unterstützung zur Ernährungssicherheit erhalten. Das senke Transaktionskosten bei der Planung von Nothilfe, erhöhe die Transparenz und erleichtere die Datenanalyse. Entwicklungsministerin Svenja Schulze würdigte das vorläufige Ergebnis „als Beispiel für die Stärke und die innovative Kraft, die wir haben, wenn wir weltweit unsere Kräfte bündeln“.
Im Praxistest liefert das Dashboard aber nach Ansicht von Fachleuten, die nicht namentlich zitiert werden wollen, ein sehr dürres Gerüst, das keine neuen Erkenntnisse bietet und offenlässt, wem es überhaupt dienen soll. Das Dashboard führe bestehende Datensammlungen von Organisationen wie der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, dem Welternährungsprogramm (WFP) oder dem UN-Nothilfebüro OCHA zusammen, biete aber mangels ergänzender Analyse Entscheidern keinen Mehrwert.
Eine tragende Datenquelle für das Dashboard ist die von Hilfsorganisationen gespeiste und von Gebern wie der EU und den USA finanzierte Webseite International Food Security Phase Classification, die Situationsberichte für Länder und Regionen liefert und Prognosen über mögliche Notlagen gibt. Auf dem Dashboard bleibt aber unklar, welche der eingespeisten Daten aus welchen Originalquellen stammen, etwa von der FAO oder dem WFP, um sie gegebenenfalls zurückzuverfolgen.
Weltbankpräsident Malpass lobt das Dashboard
Das Dashboard trägt Informationen über finanzielle Hilfen zusammen, ohne zu kennzeichnen, für welchen Zeitraum diese Hilfen gewährt wurden. Zudem wird nur angezeigt, wieviel Geld ein Land insgesamt erhält, ohne zwischen unterschiedlich von Hunger betroffenen Regionen in dem Land zu differenzieren. Das Gesamtbild sage „nichts darüber aus, ob die Reaktion auf eine Notlage angemessen ist, oder nicht“, so eine Expertin. Solche Dashboards müssten gepflegt und moderiert werden. Seien die Daten nicht auf aktuellstem Stand, umfassend und vergleichbar, dann tauge so ein Technikgerippe ebenso wenig wie die darin enthaltenen Informationen.
Weltbankpräsident David Malpass hingegen hat das Dashboard als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu besseren Agrar- und Ernährungssystemen gewürdigt. In einem nächsten Schritt sollen nun im Rahmen der GAFS Gespräche mit gefährdeten Ländern über die Ernährungssicherheit geführt werden. Dabei sollen unter anderem weitere Daten geliefert und Finanzierungslücken identifiziert werden, um angemessen auf lokale Ernährungskrisen zu reagieren, sagte Malpass. Bis all dieses neue Wissen in das Dashboard integriert ist, könnte allerdings schon die nächste G7-Präsidentschaft anstehen.
Ohnehin ist ungewiss, wie sehr Japan sich im diesjährigen Vorsitz für die Problematik einsetzen will. Fragen der Ernährungssicherheit und die GAFS könnten ziemlich schnell wieder in der Versenkung verschwinden oder zerfasern – obwohl die Krisenprognosen nicht besser werden.
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