Indien weist eine deutsche Kirchendelegation aus

AFP via Getty Images/ARUN SANKAR
Christinnen und Christen - hier in Chennai beim diesjährigen Ostergottesdient - geraten in Indien zunehmend unter Druck.
Kirche und Ökumene
Ende Oktober haben indische Behörden eine Delegation der Gossner Mission und des Kirchenkreises Emden-Leer des Landes verwiesen. Ihnen wird vorgeworfen, an missionarischen Veranstaltungen teilgenommen zu haben.

Die siebenköpfige Gruppe wollte eigentlich Möglichkeiten einer Partnerschaft zwischen dem Kirchenkreis und der Gossner Kirche in Indien ausloten und hatte Kirchengemeinden besucht, an Gottesdiensten teilgenommen und sich über soziale Projekte in kirchlicher Trägerschaft informiert. Solche Delegationsreisen sind in ökumenischen Kontexten gang und gäbe. Und die Gossner Mission mit Sitz in Berlin unterhält seit über 100 Jahren enge Kontakte zur Gossner Evangelical Lutheran Church in Chotanagpur und Assam. Seit 1919 ist diese selbstständig.

Nach einer Woche setzte die Polizei die Delegation ohne Vorankündigung im Hotel fest, verhörte die Mitglieder und nahm ihnen Pässe und Visa ab. Ihnen wurde vorgeworfen, an missionarischen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Nach längeren Verhandlungen und Beratungen auch mit der deutschen Botschaft willigte die Delegation ein, eine Strafe von 500 Dollar pro Person zu zahlen und das Land sofort zu verlassen. Unter Polizeiaufsicht wurden die sieben zum Flughafen gebracht und nach Deutschland ausgewiesen.

Schon Gottesdienste gelten als „missionarische Veranstaltung“

Ein indischer Pfarrer, den die Delegation zuvor besucht hatte, sowie ein indischer Mitarbeiter der Gossner Mission, der die Deutschen in den Tagen zuvor begleitet hatte, waren auch vier Wochen nach dem Vorfall bis Redaktionsschluss in Haft. Um sie hatten sich die Verantwortlichen bei der Gossner Mission große Sorgen gemacht. „Bisher wurde eine Kautionszahlung abgelehnt, und die erhoffte Anhörung fand nicht statt, da Schriftstücke von Polizei und Staatsanwaltschaft nicht vorlagen“, sagte Mitte November Christian Reiser, der Direktor der Gossner Mission, der selbst ausgewiesen worden war. Die beiden durften zwar Besuch empfangen, die Haftbedingungen seien ansonsten aber sehr schlecht gewesen. Auch andere NGOs beklagen immer wieder derart unbegründete Verfahrensverschleppungen in Indien.

Was der jüngste Vorfall für die Zukunft von Begegnungsreisen und die Partnerschaftsarbeit bedeutet, sei noch gar nicht abzusehen, sagt Reiser. Offenbar dürften mit Touristenvisa nicht einmal mehr Gottesdienste besucht werden. „Denn dies bewerten die indischen Behörden als missionarische Veranstaltung.“ Dabei seien diese Gottesdienste rein innerkirchliche Veranstaltungen gewesen. „Wir fragen uns jetzt, ob kirchlichen Gruppen künftig immer die Abschiebung droht“, sagt Reiser. Auch sei offen, ob die Ausgewiesenen noch einmal indische Visa bekämen.

Eingriff in die Religionsfreiheit und in Menschenrechte

Patrick Schnabel, der Beauftragte für Menschenrechte und den Kirchlichen Entwicklungsdienst der Evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg – schlesische Oberlausitz (EKBO), wertet das Vorgehen der Behörden in Assam als weiteres Beispiel dafür, dass in Indien die Situation für religiöse Minderheiten und die Zivilgesellschaft immer schwieriger wird. „Der Vorgang beunruhigt gleich aus mehreren Gründen. Offensichtlich liegt ein erheblicher Eingriff in das Menschenrecht der Religionsfreiheit vor, wie sie etwa in Artikel 18 des UN-Zivilpaktes definiert wird. Indien gehört zu den Unterzeichnerstaaten“, sagt der Kirchenrechtler und Theologe. Die EKBO hat über die Gossner Mission eine offizielle Indienpartnerschaft mit der Gossner Kirche.

Der Vorgang sei darüber hinaus aber ein weiteres Indiz dafür, dass Indien wie auch andere Staaten Arbeit und internationale Verbindungen (zivil)gesellschaftlicher Kräfte zunehmend einzuengen versuchen, sagt Schnabel. „Schließlich stehen die Ereignisse auch im Zusammenhang der populistischen Bewegung des Hindu-Nationalismus, unter dem neben Christinnen und Christen auch Muslime und Angehörige anderer religiöser Minderheiten in Indien leiden. Es wäre wünschenswert, wenn sich die ‚größte Demokratie der Welt‘, wie Indien gerne genannt wird, wieder auf die großen Stärken besinnt, die ihr aus ihren Traditionen der Rechtsstaatlichkeit und einer historisch gewachsenen kulturell-religiösen Vielfalt zukommen“, sagt Schnabel.

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Vielen Dank für diesen Artikel! Dieser zeigt, welche Formen und Ausmaße religiöse Diskriminierung und Verfolgung annehmen können und welch hohes Gut Glaubens- und Gewissensfreiheit darstellt.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2022: Schlaue Maschinen
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