Interessengruppen aus der Zivilgesellschaft sind vom Einsatz der Bundesregierung im Rahmen ihrer diesjährigen G7-Präsidentschaft enttäuscht. Sie habe wichtige Themen wie internationale Zusammenarbeit bei Steuergerechtigkeit und Klimafinanzierung inhaltlich nicht vorangetrieben. Zudem müsse man das Verfahren zur Teilhabe der Zivilgesellschaft so stärken, dass ein dauerhafter Dialog über den Wechsel im Vorsitz hinweg möglich wird.
Noch bis Ende Dezember hat Deutschland den Vorsitz der G7-Gruppe der Industrieländer inne. Ende Juni hat die G7 beim Gipfeltreffen in Elmau gemeinsame Antworten auf die größten Krisen der Welt formuliert. Den politischen Verhandlungsprozess der Fachministerien begleiten so genannte Engagementgruppen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Drei davon – die Civil7 (Dialog der Zivilgesellschaft), Women7 (Frauenverbände) und Youth7 (Jugend) – haben nun in Berlin Bilanz gezogen.
Dialog mit der Zivilgesellschaft stärken
Der entwicklungspolitische Dachverband Venro fordert mit seinen Arbeitsgruppen Klima und Umwelt, Wirtschaft, Gesundheit, humanitäre Hilfe und Demokratie die Bundesregierung und die G7 auf, den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu stärken. Es sei essenziell, dass jede G7-Präsidentschaft ein unabhängiges Gremium zwischen Zivilgesellschaft und Politik ermögliche. Für die folgende japanische G7-Präsidentschaft zeichne sich dies aber nicht ab und noch weniger für die Gruppe der 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G20), in der Indien demnächst den Vorsitz übernehme – ein Land, das zivilgesellschaftliches Engagement "drastisch einschränkt", so Venro. In einer Zeit, in der Demokratie weltweit geschwächt werde, müssten gerade die westlichen Nationen "den für sich reklamierten Werten entsprechend handeln", betonte Maritta Strasser vom Forum Umwelt & Entwicklung.
Deutschland hatte erstmals im G7-Prozess das Thema "widerstandsfähige Demokratien" zu einem Schwerpunkt erklärt. Mit einigen Demokratien des globalen Südens – Argentinien, Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika – wurden in Elmau in einer Erklärung gemeinsame Ansätze gegen Klimawandel, Ernährungskrisen oder Staatsverschuldung verabredet. In der Erklärung werden auch Räume ausdrücklich gewürdigt, "die bürgerschaftliches Engagement und politische Teilhabe ermöglichen und fördern, was wiederum echte Legitimation, Kreativität, Innovation sowie soziale Rechenschaft und Verantwortung begünstigt". Die Freiheit von nichtstaatlichen Gruppen und Aktiven müsse geschützt, das Recht auf Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung geachtet werden.
Wort "Jugend" nicht in Kommuniqués verankert
In der Advocacy-Arbeit treffen die Civil7, Women7 oder Youth7 aber in der Praxis auf sehr unterschiedliche Bereitschaft der Bundesministerien, Positionen der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen. Vor allem bei ressortübergreifenden Querschnittsthemen wie Geschlechtergerechtigkeit oder globale Gesundheit sei sehr selektiv eingeladen worden, berichtet Carolina Claus, Co-Vorsitzende des Jugenddialogs. Dabei sei gerade im G7-Prozess ein kontinuierliches Engagement notwendig, um über die Jahre Wissen und Erfahrung weitergeben und die Umsetzung von Zusagen nachvollziehen zu können, unterstreicht der Jugendvertreter Benjamin Günther.
Youth7 beklagt, nicht einmal das Wort „Jugend“ in einem der Kommuniqués verankert zu haben. Die gleichstellungspolitischen Anliegen von Women7 wurden stärker aufgegriffen: So wird ein „Gender Gaps Dashboard“ und damit ein jährliches Monitoring von Gleichstellungsindikatoren bei der OECD eingeführt. Auch die Forderung nach einem geschlechtergerechten Wiederaufbau nach der Pandemie, der auch strukturelle und wirtschaftliche Ungleichbehandlung angeht, ging fast wörtlich in das Kommuniqué ein, betont Juliane Rosin vom Deutschen Frauenrat. Dies und die willkommene Zusage von über 79 Millionen Dollar für den "Childcare Incentive Fund" der Weltbank verblasse allerdings gegenüber den Milliarden-Zusagen der G7 für Infrastrukturvorhaben weltweit. Dabei seien gerade bei Infrastruktur klare Verpflichtungen auf Investitionen nötig, die Menschen- und Frauenrechte im Blick haben.
Auch Caroline Ausserer, Projektkoordinatorin von Women7 im Deutschen Frauenrat, fordert eine direktere Einbindung von Gruppen aus der Zivilgesellschaft, beispielsweise in die offiziellen Delegationen der G7-Länder. Das Bewusstsein für Teilhabe sei noch unterentwickelt und es mangele zudem an Geld, Strukturen und Prozessen für zivilgesellschaftliche Arbeit. Dabei könnten die G7 Vorreiter sein und einen Fonds für die Unterstützung der Engagement-Gruppen einrichten.
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