Städte gegen den Atomkrieg

picture alliance/dpa/Michael Matthey
Thomas Klapproth (CDU), Bürgermeister von Hannover, hält eine Rede während der Gedenkfeier zum 77. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf die japanische Stadt Hiroshima im zweiten Weltkrieg (6. August 1945).
Friedenssicherung
Im August hat sich der Abwurf der Atombombe in Hiroshima zum 77. Mal gejährt. Städte und Bundesländer engagieren sich für Frieden und nukleare Abrüstung – und haben eine konkrete Forderung an die Bundesregierung.

Der Ukraine-Krieg hat aufs Neue bewusst gemacht, wie real die Gefahr eines Atomkriegs in Europa ist. Zwar besitzt Deutschland keine eigenen Atomwaffen, aber am Standort Büchel in der Eifel lagern US-amerikanische Sprengköpfe. Nach der Nato-Doktrin der „Nuklearen Teilhabe“ sind auch Länder ohne Atomwaffenbesitz in die nukleare Strategie des Bündnisses eingebunden.

Deshalb richten sich Friedensbewegte mit ihren Appellen und Aktionen gegen Atomwaffen direkt an die Bundesregierung. Dazu gehören auch Kommunen und Bundesländer. Das internationale Bündnis Mayors for Peace (Bürgermeister für den Frieden), 1982 auf Initiative des damaligen Bürgermeisters von Hiroshima gegründet, versteht sich als eine Stimme der Zivilgesellschaft für Frieden und Abrüstung. Seit seiner Gründung ist das Bündnis auf weltweit mehr als 8000 Mitglieder angewachsen. In Asien und Europa gibt es jeweils 3200 Mitglieder, in Afrika haben sich mehr als 400 Kommunen dem Netzwerk angeschlossen. Allein in Deutschland sind es über 700 mit Hannover an der Spitze, das die Aktivitäten als sogenannte Lead City koordiniert. Gleichzeitig fungiert Hannover auf internationaler Ebene als Vizepräsidentin von Mayors for Peace.

Auslöser für die Aktivitäten der Hauptstadt Niedersachsens war eine 1983 begonnene Partnerschaft mit Hiroshima. Hannover sieht sich seitdem „in einer besonderen Friedensverantwortung“, sagt Sabine Meschkat-Peters vom Büro für internationale Angelegenheiten der Stadt. Im gleichen Jahr trat Hannover dem Bündnis Mayors for Peace bei, das Meschkat-Peters als die größte „kommunale Friedensbewegung“ bezeichnet, die weltweit eine Milliarde Menschen repräsentiere.

Erinnerung an den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki

Jedes Jahr erinnert Hannover seitdem mit Gedenkveranstaltungen an den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki und die schrecklichen Folgen für die Bevölkerung. Die Stadt engagiert sich mit friedenspädagogischen Angeboten wie derzeit einer Ausstellung zum Thema „Frieden machen“ mit Begleitprogramm. Internationaler Jugendaustausch mit Japan ist ein fester Bestandteil der Partnerschaft.

Eine neue Dynamik bekam das Engagement vieler Städte aus dem Bündnis der Bürgermeister mit dem 2017 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten Atomwaffenverbotsvertrag. Das im Januar 2021 in Kraft getretene Abkommen gilt als ein wichtiger symbolischer Meilenstein auf dem Weg in eine Zukunft ohne Nuklearwaffen, weil er sie völkerrechtlich ächtet, ähnlich wie das bereits bei Landminen oder Chemiewaffen gelungen ist. Der Vertrag eröffnet so erstmals die Perspektive, Atomwaffen zu verbannen. Skeptiker sagen zwar, er habe praktisch wenig Bedeutung, dennoch ist er zentraler Ankerpunkt für das Engagement gegen Nuklearwaffen.

Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN hat 2019 direkt an Städte weltweit appelliert, ihre jeweiligen Landesregierungen dazu aufzufordern, dem Vertrag beizutreten. Die Kampagne hat diesen Appell lanciert, weil Städte im Falle eines atomaren Angriffs aufgrund ihrer Infrastruktur und Wirtschaftskraft bevorzugte Ziele wären. Rund hundert deutsche Kommunen aus dem Bündnis Mayors for Peace haben seitdem den Städteappell von ICAN unterzeichnet. Die Bundesregierung lehnt es zwar wie ihre Vorgängerin bisher ab, dem Vertrag beizutreten. Aber ihre Ablehnung ist nicht so endgültig wie unter Angela Merkel. Im Juni hat Deutschland neben Norwegen, Schweden, Finnland und der Schweiz als Beobachter an der Konferenz der Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags in Wien teilgenommen – was zu erheblichen Verstimmungen in der Nato geführt hat, Friedensaktivisten hingegen als „bemerkenswert“ eingestuft haben.

"Die vorhandene Bedrohung sichtbar machen"

Die Bundesregierung weiter in Richtung eines Beitritts zum Atomwaffenverbotsvertrag zu drängen, gehört momentan zu den vordringlichen Zielen der deutschen Mitglieder von Mayors for Peace. Man wolle die „nach wie vor vorhandene atomare Bedrohung“ sichtbar machen, sagt Meschkat-Peters, und damit einen Beitrag zur Bewahrung des Friedens in der Welt leisten. Auch auf der Wiener Vertragsstaatenkonferenz waren Vertreter von Mayors for Peace. Neben Kommunen haben zudem die Landesparlamente in Berlin, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz ihre Regierungen aufgefordert, bei der Bundesregierung ihren Einfluss in diesem Sinne geltend zu machen.

Eigentlich wollen die Kommunen noch mehr. Im „Münchner Appell“ hat der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Anfang 2022 – vor Beginn des Kriegs in der Ukraine – gefordert, die Bundesregierung solle Verhandlungen mit den USA über den Abzug der Atomwaffen auf deutschem Boden aufnehmen. Das fordert am Standort dieser Waffen in Büchel auch die Initiative „Büchel ist überall! – atomwaffenfrei.jetzt“, mit der auch Hannover kooperiert. Doch diese Forderung klingt angesichts der Weltlage erst recht utopisch.

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