Wertschöpfung mit Schrott

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Isaac Kaledzi
Ein Schrottsammler in den Straßen von Accra. Mit Metall, das hier recycelt wird, lässt sich Geld verdienen.
Metallrecycling in Ghana
In Ghana lohnt es sich, Metall aus alten Autos und Elektrogeräten zu gewinnen – doch es ist ein umweltschädliches und gefährliches Geschäft. Ghanas Regierung möchte es sauberer machen.

Der 68 Jahre alte Banku Abubakar sitzt in seiner kleinen Fabrik im zentralen Geschäftsviertel von Ghanas Hauptstadt Accra. Er hat seine Beschäftigten im Blick, die Küchengeräte wie Töpfe und Pfannen herstellen. Mehr als zehn Arbeiter fertigen die aus Aluminiumschrott.

Die Metallabfälle, ausschließlich Aluminium, werden hier mit handwerklichen Verfahren eingeschmolzen, wie sie vor Ort üblich sind: Die Arbeiter entfachen ein Kohlefeuer in einem aus Lehm gefertigten Hochofen. Dann wird das flüssige Metall zu Kochtöpfen geformt und gehärtet. Manche Töpfe wiegen bis zu vier Kilogramm. 

Solche Kochutensilien sind in Ghanas Haushalten weit verbreitet und werden bei der Zubereitung jeglicher Speisen eingesetzt. „Wir gewinnen das Aluminium aus Schrott, den uns Schrottsammler verkaufen“, sagt Abubakar, der dieses Unternehmen vor mehr als 40 Jahren ins Leben gerufen hat. Menschen, die umgangssprachlich als Schrotthändler bezeichnet werden, kommen an diese Metalle, indem sie Autos und Elektrogeräte auseinandernehmen. Manche Geräte werden jedoch verbrannt, weil das den Zugang zu verbauten Metallen wie Aluminium erleichtert. Nicht immer ist es so leicht, an das begehrte Metall zu kommen wie bei Getränkedosen aus Aluminium, für die keine weitere Bearbeitung nötig ist.

Der 68 Jahre alte Banku Abubakar hat eine Firma gegründet, in der Altmetall eingeschmolzen und daraus neue Pfannen und Töpfe gemacht werden.

Abubakar hat sein Handwerk in Burkina Faso gelernt, woher er ursprünglich stammt. In den 1990er Jahren ist er nach Ghana übergesiedelt, um sein Gewerbe auszuüben. In seiner kleinen Fabrik werden mindestens 30 Töpfe und Pfannen täglich hergestellt, sagt er: „Wir schaffen mehr als 200 in einer Woche.“ Einen großen Topf kann er, je nach Größe, für 25 bis 40 Dollar verkaufen. In der Regel ist das günstiger als Importware.

Kohlegrills aus Metallschrott

Abubakars Fabrik ist nur eine von mehreren privaten Betrieben in Ghana, die Metallabfälle recyceln. Rund 100 Meter entfernt liegt die Fabrik von Timothy Okine. Seit 30 Jahren stellt er Kohlegrills aus Metallschrott her, den er von Schrotthändlern bezieht oder von größeren Fabriken, die Schrott verarbeiten. „Wir verwenden Aluminium für diese Art Kohlegrill und befestigen darin Tonsiebe, in die die Kohle kommt“, sagt Okine.

Die ­Fabrik von Timothy Okine stellt seit 30 Jahren Kohlegrills aus Metallschrott her.

An Altmetall fällt in Ghana neben Aluminium vor allem Kupfer, Eisen, Zink, Blei und Stahl an. Aluminium stellt aber den größten Anteil, bestätigt Kwaku Agabas, ein Experte für Elektroschrott. „Ghana ist in der Lage, Aluminium zu verarbeiten, deshalb wird es am meisten extrahiert“, erklärt er. Eisen aus Abfällen wird inzwischen aber auch genutzt – etwa für die Herstellung von Eisenbewehrungen, die im Baugewerbe im ganzen Land verwendet werden. „Mancher Schrott wird auch exportiert, weil in Ghana nicht viel Recycling stattfindet“, sagt Agabas. 

Es ist gefährlich, die Metalle aus alten Geräten zu extrahieren

Elektro- und Metallschrott sind mittlerweile die am schnellsten wachsenden Abfallströme der Welt, und ein beträchtlicher Teil davon fällt in Ghana an. Die Schrottsektion auf dem Agbogbloshie-Markt in Accra ist eine der größten in Westafrika. Hier sind Metalle zu finden, die aus Maschinen, Haushaltswaren, Autoteilen und anderen Elektrogütern gewonnen wurden. Die Verfahren dafür sind oft gefährlich und umweltschädlich, weil Geräte verbrannt werden. So setzen die meisten Metallschrotthändler Elektrokabel und Elektrogeräte mit Autoreifen in Brand, um leichter an das Metall zu gelangen; das erzeugt viel Rauch. Der Schrott wird überdies auch in der Nähe von Gewässern verbrannt, so dass einige giftige Stoffe ins Wasser gelangen können. Oder der Müll wird im Boden vergraben, was dessen Fruchtbarkeit beeinträchtigt.

Autor

Isaac Kaledzi

lebt als Journalist in Accra, Ghana. Er berichtet für den deutschen Auslandsrundfunk Deutsche Welle.
Auch der Norden des Landes entwickelt sich zu einem Zentrum der Metallgewinnung. Der 52 Jahre alte Shahanu Abdallah war dort mehr als 30 Jahre Schrotthändler und kann alte und entsorgte Autos, Kühlschränke und sonstige Elektrogeräte auseinandernehmen. „Wenn wir diese Dinge zerlegen, entnehmen wir alle Arten von Metall. Zink, Kupfer, Aluminium“, zählt Abdallah auf. Er beschreibt seine Arbeit als „urbanen Bergbau“ und hebt hervor, welch wichtige Rolle er in der Wertschöpfungskette bei der Gewinnung von recyceltem Metall spielt.

Mehr als 20.000 Menschen sind im Metallrecycling tätig

Altmetall zu gewinnen ist für viele Händler ziemlich lukrativ, sagt Abdallah. Er hat es damit geschafft, jahrzehntelang seine Familie zu unterhalten und seinen Kindern eine Ausbildung bis hin zur Universität zu finanzieren. Das Gewerbe hat sich schnell im ganzen Land ausgebreitet. Mehr als 20.000 junge Menschen sind darin tätig, sagt Abdallah, der einer nationalen Vereinigung von Schrotthändlern angehört.

Manche Mitglieder des Verbands streifen durch die Gemeinden, um die Metalle von Müllhalden oder von Privathaushalten aufzutreiben. Die großen Mengen an Elektro- und Automobilschrott, die übers Land verteilt sind, sorgen für viel Arbeit. Die mehr als 30 Mitarbeiter, die Abdallah hat, sind derzeit in drei Regionen Ghanas unterwegs, um nach Metall zu suchen.

Dazu sind auch hohe Investitionen nötig, um Schrott für das Recycling aufzukaufen. Viele Haushalte sind nicht in der Lage, Elektroabfälle oder alte Autos sachgerecht zu entsorgen. „Manche Leute wollen ihre alten Autos, Kühlschränke, Klimaanlagen verkaufen, also kaufen wir das auf, um das Material zu bekommen, das wir suchen“, sagt Abdallah. Je mehr Altmetall darin ist, desto teurer ist der Abfall – manchmal setzen sie umgerechnet 50 US-Dollar an, manchmal bis zu 4000 US-Dollar. Doch nicht alle Teile eines zerlegten Elektrogeräts lassen sich nutzen, sagt Abdallah. Manche müssen endgültig entsorgt werden, wenn die wertvollen Metalle entnommen sind. 

Der Handel mit Elektroschrott ist wenig nachhaltig

Doch Ghanas Regierung und Umweltaktivisten sind besorgt angesichts der Gefahren, die mit dem unsicheren und wenig nachhaltigen Handel mit Elektroschrott verbunden sind. Mit Unterstützung des deutschen Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) läuft in Ghana seit 2016 ein Projekt für umweltgerechtes Recycling und umweltgerechte Entsorgung von Abfall. 

Ein Mitarbeiter ist in der Farbrik von Timothy Okine mit der Fertigung beschäftigt.

Das ghanaische Ministerium für Umwelt, Wissenschaft, Technologie und Innovation ist für die Durchführung verantwortlich. Ziel ist, bei der Metallgewinnung ein Umweltbewusstsein zu schaffen. Der informelle Recyclingsektor im ganzen Land profitiert nun von Weiterbildungen. Die Hoffnung dahinter ist, dass aus inoffiziellen Schrotthalden schließlich nachhaltige Zentren der Ressourcenrückgewinnung werden.

Abdallah hält seine Arbeiter an, saubere Methoden zu nutzen

Für den Umgang mit Metallabfall sei das Programm entscheidend, sagt Vincent Nartey Kyere, ein Berater des ghanaischen Umweltministeriums. „Ghana macht hier große Fortschritte mit Unterstützung seiner Entwicklungspartner“, so Kyere. Viele Metallhändler greifen ihm zufolge nun auf nachhaltige Verfahren der Metallextraktion zurück. Sie wissen mehr über die schädlichen Folgen der bisherigen Verfahren für ihre Gesundheit und für die Umwelt; und zerlegen den Schrott nun in Handarbeit und ohne den Einsatz von Feuer. „Bisher wurden fast 190 Tonnen Material gesammelt, ohne Abfall in Brand zu setzen“, sagt er.

Bisher wurden Abfälle wie Kabel, Batterien, Plastik und mancherlei Metalle im Boden vergraben, was die Umwelt schädigt. Nach dem Eingreifen der Regierung gibt es nun Möglichkeiten, Tonnen von Abfällen zusätzlich für den Export oder zu Recyclingzwecken einzusammeln. „Wir wollen den Müll dorthin umleiten, wo man ihn möglichst umweltschonend entsorgt oder die besten Möglichkeiten zur Rückgewinnung der Materialien hat“, sagt Kyere.

Abdallah hat von Weiterbildungen profitiert, die im Zuge des Projekts zum Recycling von Elektroschrott angeboten wurden. Er hält seine Arbeiter inzwischen dazu an, Metalle aus Elektrogeräten und Fahrzeugen möglichst sicher zu gewinnen, ohne sie mit Autoreifen zu verbrennen. Außerdem sollen sie Schutzausrüstung tragen, um Verletzungen und direkten Kontakt mit giftigen Materialien zu vermeiden.

Beim Metallrecycling ist auch Stahl in den Blick geraten. Er wird derzeit in privaten Fabriken in der Hafenstadt Tema, einer Industrieenklave, zu Baustoffen verarbeitet, was laut Kyere ein großer Fortschritt ist. „Gäbe es die Arbeit der Schrotthändler nicht, wären die Preise für Metallarmierungen möglicherweise in die Höhe gegangen“, meint er. Da diese Materialien bereits im System sind, ist es seiner Überzeugung nach günstiger, sie zu recyceln, als neue Werkstoffe für die Herstellung von solchem Baumaterial zu finden.

Für mehr Wertschöpfung braucht es Investitionen

Kyere räumt aber ein, dass mehr Investitionen nötig sind, damit Ghana mehr aus seinem Altmetall machen kann. „Uns fehlen die Schmelzhütten, so dass wir gesammelte Metalle roh exportieren müssen“, sagt er. „Wenn wir nicht aufpassen, geht es uns so wie mit dem Gold, das wir abbauen und es exportieren: Wir sind nicht in der Lage zu mehr Wertschöpfung mit dem Rohstoff. Dafür brauchen wir mehr Investitionen.“ Das meiste Altmaterial in Ghana zu recyceln und daraus auch Exportgüter zu fertigen, ist seiner Ansicht nach entscheidend für die ghanaische Wirtschaft und die Entstehung von Arbeitsplätzen.

Die Regierung arbeitet unterdessen daran, dass die Regulierung schädlicher Verfahren der Metallgewinnung auch wirklich greift. „Die Durchsetzung ist entscheidend“, sagt Kyere. „Menschen verbrennen noch immer Abfall, sie wenden noch immer primitive Verfahren zur Metallgewinnung an. Es wird helfen, auf die Einhaltung der Vorschriften zu bestehen.“

Metallabfälle aus der Umwelt zu holen, hat Vorrang

Ginge es nach dem Umweltschützer Kwaku Agabas, dessen Organisation AppCyclers auch einige Arten Elektroschrott recycelt, dann hätte die Säuberung der Umwelt von allen Arten an Metallabfällen höhere Priorität. „Umweltschutz ist am Ende das Ziel“, sagt er. Ghana habe bei dem Vorhaben, einen sauberen Umgang mit Metallabfällen zu finden, noch einen weiten Weg vor sich.

Das sieht auch Kyere so, der die Regierung zu Fragen des nachhaltigen Umgangs mit dem Müll berät. „Wir können die Umwelt nur schützen, wenn wir gewährleisten, dass unser Handeln wirklich nachhaltig ist. Das gilt auch für die Gesundheit“, merkt er an.

Nachhaltige Methoden der Metallgewinnung aus Schrott kommen Kyeres Meinung nach auch denen zugute, die in dem Gewerbe tätig sind. „Das Auskommen der Menschen verbessert sich, sie verdienen mehr Geld. Wir schaffen anständige Jobs. Die Leute verbrennen nicht länger Metallschrott auf Müllhalden.“ Stattdessen verkauften die Schrotthändler nun an Profis, die sich aufs Recyceln verstehen, berichtet er.

Sowohl Banku Abubakari und Timothy Okine, die Metall recyceln, als auch Abdallah, der mit Schrott handelt, wollen ihr Geschäfte ausweiten. Noch wichtiger ist Ghanas Regierung, dass der Großteil der Metalle vor Ort verarbeitet wird. Das soll die Wertschöpfung erhöhen, so dass auch die Industrie und die Kreislaufwirtschaft davon profitieren.

Aus dem Englischen von Christine Lauer.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2022: Das Zeug für den grünen Aufbruch
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