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„Ich glaube, dass es in Europa leichter ist, Geld zu verdienen“
Seit der Oberstufe lerne ich Deutsch. Als Studienfach an der Universität habe ich es schließlich ausgewählt, weil ich mich für die deutsche Kultur interessiere. Ich finde es interessant zu erfahren, wie die Menschen in Deutschland leben. Die Pünktlichkeit gefällt mir. Viel Kontakt zu Deutschen hatte ich bisher aber noch nicht. Benin war eine französische Kolonie, weshalb bis heute mehr Franzosen im Land sind. Deshalb war es gar nicht leicht, die Sprache zu lernen. Mit viel Leidenschaft funktioniert das aber.
Mein großer Traum ist es, nach Europa, nach Deutschland zu gehen. Im Fernsehen sehen wir, wie groß die Unterschiede und wie anders die Lebensbedingungen im Vergleich zu Benin sind. Das fängt mit einer guten Ausbildung an. Ich gehe davon aus, dass es in Europa leichter ist, anschließend auch Geld zu verdienen. In Benin ist das schwierig. Das frustriert mich. Denn die junge Generation ist gut ausgebildet, findet aber keine Jobs. Bei mir ist das nicht anders. Ich habe einen Abschluss in Germanistik, aber noch keine richtige Anstellung, etwa als Deutschlehrer. Freunde, die in Europa leben, sagen, dass die Jobsuche dort leichter ist.
Eines finde ich hier in Benin im Moment aber besser. Es ist friedlich. Wir beobachten gerade genau, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt. Die Lage ist sehr schlimm geworden, und die Menschen sind nicht mehr in Sicherheit. Niemand weiß, wann dieser Krieg in Europa aufhören wird. Darüber sprechen wir viel, und es bereitet uns Sorge.
Aufgezeichnet von Katrin Gänsler.
„Europa wird seine Verpflichtungen niemals erfüllen“
Afrika blickt oft nach Europa, wenn es um Lösungen für den Klimawandel geht. Aber ich denke, es ist an der Zeit, dass wir unsere Abhängigkeit von Europa bei Klimamaßnahmen verringern. Denn europäische Länder tun wenig, um ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
In meiner Heimat Tansania werden manche Menschen wirklich hart vom Klimawandel getroffen, auch weil sie nicht genug darüber wissen. Bildungs- und Sensibilisierungskampagnen sind daher gute Mittel, die ihnen helfen, einfache Maßnahmen in ihrem Umfeld zu ergreifen und so das Leiden am Klimawandel zu verringern. Ich habe solche Kampagnen organisiert und mit Jugend- und Frauengruppen gearbeitet. Wir haben zum Beispiel Bäume gepflanzt oder Müll gesammelt. Jugendliche und Frauen sind besonders gefährdete Gruppen, aber sie sind auch diejenigen, die die Gesellschaft verändern können.
Da Europa selbst mit Hitzewellen, Überflutungen oder Waldbränden zu kämpfen hat, müssen sich die Regierungen dort zuerst um ihre eigenen Probleme kümmern, bevor sie an unsere denken. Wir sind nicht mehr ihre Priorität, und die historische Verpflichtung Europas, die Auswirkungen des Klimawandels in Afrika zu finanzieren, ist jetzt hinfällig, weil Europa das niemals erfüllen wird.
Nichtsdestotrotz muss Afrika mit Europa zusammenarbeiten, denn der Klimawandel ist ein globales Problem. Möglich wären Kooperationen zum Beispiel bei der klimagerechten Landwirtschaft, bei Ausbildung und Technologietransfer sowie bei erneuerbaren Energien. Wichtig ist aber, dass diese von afrikanischen Ländern selbst initiiert werden und sie sich auf lokale Bedürfnisse und Wissen stützen. Unterm Strich müssen die afrikanischen Länder alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, bevor sie sich an Europa wenden, um die Probleme des Klimawandels zu lösen.
Aufgezeichnet von Deodatus Mfugale.
„Die wirtschaftliche Not in Nigeria ist schlimmer als der Rassismus in Europa“
Ich bin in einer armen Familie in Lagos aufgewachsen. In Nigeria zu leben, war hart für mich. Als ich 16 Jahre alt war, also vor 25 Jahren, fing ich an, von Europa zu träumen. Ich hatte aber nicht genug Geld, um diesen Traum zu finanzieren und dorthin zu reisen. Also nahm ich eine Abkürzung, indem ich als blinder Passagier ein Containerschiff im Hafen von Lagos betrat.
Ich kletterte mit einigen anderen Leuten in einen Hohlraum des Schiffs, ganz in der Nähe der Schiffsschraube. Schon beim Einsteigen sind zwei Männer gestorben, als sie in das Loch unter der Schiffsschraube fielen. Das war echt beängstigend, aber als junger Mann, der fest entschlossen ist, nach Europa zu reisen, versuchte ich mutig zu bleiben.
Die Überfahrt von Lagos nach Rotterdam dauerte mehrere Tage. Wir verbrachten die ganze Zeit in diesem Hohlraum, wir hatten nur wenig zu trinken und zu essen dabei. Wir wussten nicht, welcher Tag gerade ist oder welche Uhrzeit, bis wir endlich in den Niederlanden ankamen. Doch dort wurden wir sofort von der Polizei festgenommen und wieder zurück nach Lagos geschickt. Trotzdem war ich ermutigt und versuchte danach noch mehrere Male, als blinder Passagier auf Containerschiffen nach Europa zu kommen. Doch alle weiteren Versuche scheiterten.
Jetzt, in meinen Vierzigern, träume ich immer noch davon, nach Europa auszuwandern. Aber diesmal will ich es richtig machen und mich um ein Visum bemühen. Dafür arbeite ich hart. Ich will nach Europa ziehen, weil ich glaube, dass man dort ein besseres Leben und vor allem mehr soziale Sicherheit hat. Ich träume davon, dort eine Logistikfirma zu gründen, die Afrikanern hilft, Güter zwischen Afrika und Europa zu transportieren. Ich weiß, dass es in Europa Rassismus gibt. Trotzdem würde ich ein Leben dort vorziehen, denn die wirtschaftliche Not in Nigeria ist schlimmer als der Rassismus in Europa.
Aufgezeichnet von Sam Olukoya.
„Es ist gelungen, unsere Weine in Europa zu etablieren“
Unter dem Namen „Seven Sisters“ haben meine Familie und ich im Jahr 2009 eine von nur drei Weinfarmen im Besitz von schwarzen Südafrikanern gegründet. Unser Vorhaben war und ist unweigerlich politisch, da wir eine von weißen Männern dominierte Industrie aufmischen. Vor der Pandemie haben viele Touristen aus den Niederlanden, Island, Italien und Deutschland unsere Farm in Stellenbosch bei Kapstadt besucht. Sie haben unsere Weine und die authentisch südafrikanischen Mahlzeiten gekostet. Ich habe Europa ausgiebig bereist, etwa zu Weinmessen wie der London Wine Trade Fair, der Prowein in Düsseldorf oder der Vinitaly. Jedoch hatten wir bis vor kurzem nicht viel Erfolg in Europa. Es fühlte sich an, als würden Weinmarken von schwarzen Südafrikanern vom europäischen Weinmarkt durch die dortigen Monopolisten bewusst ausgeschlossen.
Im vergangenen Jahr haben wir aber den europäischen Markt erschlossen. Das war ein Meilenstein. Unser Chardonnay und Pinotage wird in Lidl-Filialen in Belgien, Großbritannien und Polen verkauft, in Tschechien bisher nur der Pinotage. Wir kooperieren mit einer tatkräftigen Unternehmerin in Italien. Sie hatte bis dahin selbst keine Erfahrung im Weinimport, dennoch ist es ihr gelungen, „Seven Sisters“ erfolgreich in einer der größten Discounterketten Europas zu etablieren.
Manchmal kommt es zu Verzögerungen beim Verschiffen, und wir sammeln ständig neue Erfahrungen im Umgang mit der Supermarktkette und deren System. Aber wir sind glücklich, dass wir bisher keine allzu großen Hürden überwinden mussten. Unsere Hoffnung? Dass durch die Einführung unserer Marke in Europa viele weitere Käufer beginnen, auf die Beständigkeit und den Wert unserer Erzeugnisse zu vertrauen.
Aufgezeichnet von Markus Schönherr.
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